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Weiter Abriss am Flugplatz

2017 rücken die Bagger auf das Gelände. Vier Shelter sollen weg und bis 2021 wird verseuchte Erde getauscht.

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© Archiv/Klaus-Dieter Brühl

Von Birgit Ulbricht

Großenhain. Na, da müssen die Paletten wohl nächstes Jahr raus.“ Geschäftsführer Stephan Jakob vom Großenhainer Unternehmen Jakob & Naumann nimmt´s gelassen. Seit Jahren nutzt die Firma für Umweltdienste Shelter (eine Art Flugzeug-Schutz-Bunker) zum Einstellen von Paletten. Diese Ära geht zu Ende. Der Freistaat Sachsen will nächstes Jahr ernst machen, mit seiner Ansage weiter zu entkernen, und vier Shelter östlich der Betriebsfläche wegreißen. Auch Pferdehalter Daniel Hirsch ist betroffen. Der Kalkreuther lagerte in einem der Shelter Stroh und Heu ein.

Eine Messstelle für die unterirdischen Kerosinblasen im März 2010. Experten fürchteten, dass die hochgiftigen Blasen in die Grundwasserschicht eindringen.
Eine Messstelle für die unterirdischen Kerosinblasen im März 2010. Experten fürchteten, dass die hochgiftigen Blasen in die Grundwasserschicht eindringen. © Archiv/Klaus-Dieter Brühl
Ab 2018 soll in Großenhain die größte Erdreinigung anlaufen, die es in Sachsen gegeben hat. Schon 2003 wurde weiträumig Erde getauscht.
Ab 2018 soll in Großenhain die größte Erdreinigung anlaufen, die es in Sachsen gegeben hat. Schon 2003 wurde weiträumig Erde getauscht. © Archiv/Klaus-Dieter Brühl

Alle die Betroffenen bekommen vom Flugplatzbetreiber Wolfgang Bothur im Auftrag des Eigentümers der Fläche – dem Freistaat – zu gegebener Zeit die Kündigung. Bothur weint dem keine Träne nach. „Der Freistaat hat schon vor Jahren angekündigt, dass der Flugplatz weiter beräumt wird. Wenn das jetzt passiert, ist es doch gut für die Stadt“, sagt er. Der Shelter-Abriss wird die markanteste Aktion auf dem Flugplatz sein – die aufwendigsten Maßnahmen sind allerdings andere. Denn die teuersten Altlasten liegen unter der Erde. Flugzeugtreibstoff, Kerosin, wird hier seit über 20 Jahren aus der Großenhainer Erde gefördert. Auf dem Flugplatzgelände, dort wo die Russen 40 Jahre lang ihre Haupttankstelle hatten. Das braune Gebräu dient sogar als Kraftstoff für die laufenden Stromaggregate. So nutzt es immerhin noch etwas. Und es wird viel Strom gebraucht auf der vier Hektar großen Sanierungsstelle, die seit Anfang 2000 unablässig durchgefiltert wird.

Hier ratterten jahrelang Pumpen, saugten aus insgesamt 34 Brunnen den Flugzeugtreibstoff in einen 40 000-Liter-Tank. Der ist nach gut einer Woche voll. Dann kam ein Tankfahrzeug und holte das Kerosin ab. „Eine Berliner Firma nutzt es als Brennstoff in der Asphaltherstellung“, erklärte Ludwig Coulin, der Niederlassungsleiter im Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) damals bei einem Vor-Ort-Termin. Er ist gewissermaßen der Hausherr der Förderstelle, denn sie befindet sich auf dem Teil des Flugplatzgeländes, der dem Freistaat gehört. 15 Euro werden dem Land pro tausend Liter Kerosin gut geschrieben.

Mindestens eine Million Liter sollen unter dem vier Hektar großen Gelände über dem Grundwasser lagern. Das gäbe einen Erlös von 15000 Euro, doch angesichts der in die Millionen gehenden Gesamtkosten ist das eine nahezu lächerliche Summe. Allerdings könnte der Freistaat Sachsen das Sanierungskonzept für eine solche militärische Altlast vermarkten. Konversionsflächen dieser Art gibt es in Osteuropa schließlich zuhauf. Der Großenhainer Platz ist tatsächlich mit vielen Alt-Flugplätzen im Warschauer-Pakt-Gebiet ziemlich baugleich.

Jahrelanger Erdtausch geplant

Die Stärke der Kerosinschicht haben Experten stets kontrolliert. Zwar hatten die Probe-Bohrungen ergeben, dass die Kerosin-Seen, wie die Altlasten hier romantisch genannt werden, nirgends über das Vier-Hektar-Areal hinausreichen. Doch die wechselnden Sand- und Lehmschichten sorgen für ein schwer zu durchschauendes unterirdisches Fließverhalten. Die Pumpen sind deshalb mit Sensoren ausgerüstet. Wenn sie statt Kerosin Wasser ziehen, schalten sie sofort ab.

Deshalb haben die Entsorgungsfirmen auch die TU Dresden mit ins Boot geholt. Dort beschäftigen sich die Experten mit der Zeit nach dem Abpumpen des Kerosins. Im Boden lebende Mikroorganismen sollen dann die Reste des Kerosins zerfressen. Nach umfangreichen Erkundungsbohrungen wurde eingezeichnet, wo die größten Gefahren lauern. 2004 musste der Freistaat Sofortmaßnahmen beschließen.

Die Kerosin-Seen drohten, in riesigen Blasen aufzuschwimmen und in Grundwasserschichten einzudringen. Das wäre eine ökologische Katastrophe für die Stadt gewesen. Also, so Ludwig Coulin, mussten die alten Lagertanks sowie die dazugehörende Treibstoff-Ringleitung von rund 15 Kilometern Länge geleert, gereinigt und stillgelegt, teilweise auch ausgebaut werden. Dafür installierte eine Fachfirma einen weiteren Kerosinabscheider. Die Sanierung im Bereich der Kartbahn gelang punktgenau an der Grundstücksgrenze zur Stadt im Jahr 2005. Im Tanklager KS 6, einem ehemaligen zentralen Umschlagplatz der Treibstoffe, war der Kerosin-See 2011 abgepumpt.

Über einen Drainagegraben haben Arbeiter unter Vollschutz bis in fünf Meter Tiefe hochgiftige Kerosinblasen zutage gefördert. Das Grundwasser musste gleichzeitig erheblich abgesenkt und ebenfalls gereinigt werden. Der Kerosin-See im Bereich der Ringleitung Nordwest wurde 2013 beseitigt. Bisher sind allein dafür insgesamt Kosten in Höhe von zwölf Millionen Euro angefallen. Nun wird weiter geplant.

Ganz klassisch wird in einzelnen Arealen der Boden ausgetauscht wie schon früher. Das verseuchte Erdreich wird sofort vor Ort behandelt. Für den Betrieb der zentralen Bodenbehandlung vor Ort ist allerdings noch ein Genehmigungsverfahren nach Bundes-Immissionsschutzgesetz durchzuführen, das jetzt im Oktober 2016 eingeleitet wird.

Im Frühjahr 2018 soll der größte Erdaustausch, den es jemals in der Region gegeben hat, beginnen. Die Anlage wird bis 2021 durchweg laufen.