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Weißwurst aus dem Weißen Gold

Es überrascht immer wieder, was die Manufaktur so alles in ihrer Geschichte produziert hat. Der neuste Fund ist noch nicht so alt.

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© Willhaben.at

Von Peter Anderson

Meißen. Ein Weißbier wird wohl eher nicht hineinpassen in den weißen Porzellan-Seidel. Zudem: Wie sollte dann geprüft werden, ob sich die Hefe homogen verteilt hat? Ein Bayerisches Helles müsste allerdings gehen. Inhalt und Form würden dann wunderbar passen. Das Dekor des Seidels zeigt schließlich das große bayerische Staatswappen, darunter – fast wie ein Deckchen – blau-weiße Ranken.

Richtig interessant wird es allerdings bei einem Blick auf den Boden des Bechers. Dort, wo der Weißwurstliebhaber vielleicht den Stempel einer der zahlreichen fränkischen Porzellan-Manufakturen vermuten würde, prangen die Blauen Schwerter der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen. Weißwurst aus Weißem Gold.

Zu finden ist der Seidel in sechsfacher Ausführung mit ebenso vielen Tellern, einer Terrine und einem Senf-Napf gegenwärtig auf der österreichischen Auktions-Plattform Willhaben.at. Das ungebrauchte Service für sechs Personen wird dort zu einem Preis von 23 500 Euro aufgerufen.

Willhaben.at zählt eigenen Angaben zufolge zu den reichweitenstärksten Internet-Diensten Österreichs. Insgesamt umfasst das Angebot derzeit mehr als 3,8 Millionen Anzeigen für Waren, Dienstleistungen, Fahrzeuge und Immobilien. Die Website verzeichnet mehr als 40,2 Millionen Besuche pro Monat bei einer weit über dem Branchenschnitt liegenden Verweildauer von mehr als zehn Minuten.

Verkauft wird das Service nach Angaben der PR-Agentur von Willhaben.at durch einen 72-jährigen Sammler aus Ried im Innkreis in Oberösterreich. Dieser löse seine Sammlung derzeit aus Altersgründen auf, heißt es. Weitere Details sind allerdings nicht bekannt. Wie kommt es, dass ein Service mit Porträts des tragisch im Starnberger See geendeten Bayernkönigs Ludwig II. in Oberösterreich auftaucht?

Besser dokumentiert sind dagegen Herkunft und Aufbau des Meisseners. Der Entwurf sei „dem Malereileiter Lutz Richter und dem künstlerischen Leiter Klaus Teichmann zuzuschreiben“, heißt in einem Originalen Zertifikat. Hoch qualifizierte Porzellangestalter hätten die Teile unter „Zuhilfenahme originalgerechter Gipsformen angefertigt.“

Wie aus dem Verkaufstext bei Willhaben.at zu schließen ist, könnte das Sonderprodukt Teil einer limitierten Auflage von insgesamt zehn Geschirren gewesen sein. Angefertigt im Sommer 1990 weist es auf die bevorstehende deutsche Wiedervereinigung hin. Bayern fungierte dabei zusammen mit Baden-Württemberg als Pate beim Aufbau der Verwaltung im neu erstandenen Land Sachsen. War diese Patenschaft Anlass für das Weißwurst-Service? Unter dem SED-Regime in der DDR wäre ein solches bayerisches Staatsmuster auf ostdeutschem Staatsporzellan wahrscheinlich höchstens als Präsent für Kreditbeschaffer Franz Josef Strauß denkbar gewesen.

Ex-Malereichef Lutz Richter kann sich an die Hintergründe der Produktion vor 26 Jahren nur noch ansatzweise erinnern. Es sei wohl der konkrete Auftrag eines Kunden gewesen, sagt Richter auf SZ-Nachfrage. Um die richtige Weißwurst-Form zu treffen, habe sich das Unternehmen zuvor Muster anderer Hersteller besorgt. Bei der Grundform allerdings blieb Meissen bei seiner Tradition. Das Service geht auf das Vorbild „Neuer Ausschnitt“ zurück, das Johann Joachim Kaendler entwarf und mit den Worten umschrieb: „... einen Teller, der auf ganz neue Art ausgeschnitten....“.