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Wein und Tränen

Wieder wird eine Weinprinzessin zur Weinkönigin. Eine andere Hoheit geht dieses Mal ohne Krone nach Hause.

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© Arvid Müller

Von Dominique Bielmeier

Coswig. Von ihrem ersten Tag im Amt auf den Rest des vor ihr liegenden Jahres zu schließen, sollte Daniela Undeutsch tunlichst vermeiden: Den Sonntag nach der Wahl hat die neue Weinkönigin nämlich frei. Dieser Fehler dürfte der 25-Jährigen ohnehin nicht passieren. Immerhin war sie gerade zwei Jahre lang Zeitzer Weinprinzessin, ist also nicht nur geübt im Krone-Tragen – wenn auch in Sachsen-Anhalt –, sondern weiß auch, welche Termine bald auf sie zukommen werden. Gut hundert Stück sind es, und manches Mal wird die neue Weinhoheit dafür eine längere Anfahrt in Kauf nehmen müssen: Sie studiert im dritten Semester BWL in Leipzig.

Die Ehemaligen: Prinzessinnen Jana Jordan und Kati Hofmann sowie Königin Michaela Tutschke (M.) dankten ab.
Die Ehemaligen: Prinzessinnen Jana Jordan und Kati Hofmann sowie Königin Michaela Tutschke (M.) dankten ab. © Arvid Müller
Die Älteste: Auch 250 Jahre nach ihrem Tod beeindruckt die Gräfin Cosel Radio-Moderator André Hardt.
Die Älteste: Auch 250 Jahre nach ihrem Tod beeindruckt die Gräfin Cosel Radio-Moderator André Hardt. © Arvid Müller
Die Jüngsten: Ella und Joy, hier mit der dt. Weinkönigin, sind die ersten sächsischen Traubenprinzessinnen.
Die Jüngsten: Ella und Joy, hier mit der dt. Weinkönigin, sind die ersten sächsischen Traubenprinzessinnen. © Arvid Müller

Die räumliche Entfernung zum Weinanbaugebiet hatte kurz vor der Wahl auch für Kritik an der Anwärterin gesorgt. Der Weinbauverband stand jedoch hinter ihrer Kandidatur. Und nach einer knapp fünfstündigen Beweisprobe bei der Galaveranstaltung in der Coswiger Börse steht fest: Das hat sich gelohnt.

Sieben Flaschen Tokajer

Die Leipzigerin überzeugt am Sonnabend von Anfang an sowohl durch ihre charmante und unaufgeregte Art als auch durch Fachwissen zum Wein. In insgesamt vier Spielrunden werden die Kandidatinnen geprüft. Mal müssen sie Fragen beantworten – wie groß ist das Fassungsvermögen eines Barriquefasses? 225 Liter. Wie nennt man einen Rivaner noch? Müller-Thurgau – mal Weingüter entlang der sächsischen Weinstraße erkennen. „Ach schön“, ruft Daniela Undeutsch, als sie einen Riesling beschreiben darf. Neben dem Traminer ist das ihr Lieblingswein.

„Man liebt zu allen Zeiten kluge Frauen“, urteilt die Gräfin Cosel, die eigentlich seit 250 Jahren in der Gruft liegen sollte, als Co-Moderatorin neben Radiomoderator André Hardt jedoch eine gute – und barocke – Figur macht. Klug sind auch die anderen drei Kandidatinnen Anna Bräunig, Kati Hofmann und Ivonne Feistel, die mit Daniela Undeutsch ums Weingold kämpfen. Einen Patzer erlaubt sich keine von ihnen. Höchstens einmal ein kurzes Zögern, bei dem Michaela Tutschke, die bisherige Weinkönigin, gerne nachhilft.

Die sorgt schließlich auch für den emotionalsten Moment des Abends: Als die beliebte Weinkönigin, die davor schon sächsische Weinprinzessin war, nach insgesamt zwei Jahren als Weinhoheit schließlich ohne Krone dasteht, kommen ihr die Tränen – obwohl sie sich geschworen hat, nicht zu weinen. „Ich versuche auch weiterhin, euch alle herzlich und gerne zu vertreten“, verspricht „Michi“ und erntet Applaus.

Danach ist das sächsische Weinland genau 46 Minuten lang regentenlos. Bevor die rund 350 Menschen im Publikum jedoch auf dumme Gedanken kommen – etwa die Weindemokratie auszurufen – gibt es noch einen Nachtisch für die längst gut gefüllten Leiber. Der Sachsenwein fließt, dank steter Ermunterung der Gräfin Cosel, deren starker August auch nach sieben Flaschen Tokajer nicht umgefallen sein will, sowieso in Strömen.

„Es ist soweit, es ist soweit“, verkündet schließlich Moderator André Hardt, nachdem die Stimmen von Publikum und 17-köpfiger Fachjury ausgezählt sind. Die erste silberne Krone ziert den Kopf von Anna Bräunig. Die 24-jährige Meißnerin arbeitet als Filialleiterin bei einem Versicherungsunternehmen. Den Moderator begeistert sie mit einem bunten Tattoo am Oberarm: Den Kolibri inmitten von Blüten hat ihr der Bruder als Geschenk gezeichnet, erzählt sie. Weil sie früher selbst einmal so flatterhaft gewesen sei wie der kleine Vogel.

Leider nur drei Kronen

Die nächste Silberkrone geht an die 28-jährige Ivonne Feistel. Die gebürtige Meißnerin lebt in Radebeul und arbeitet in einer Parfümerie in Dresden. Was sie einem Touristen bei einer Wanderung durch die Weinberge sagen würde, wenn dieser behaupte, Bioweine schmeckten besser und seien gesünder. „Wenn er das so empfindet, soll ihm das gegönnt sein“, kontert Ivonne Feistel. Dem amüsierten Publikum gefällt’s.

Dann sind es nur noch zwei, und beide wollen sie aus der silbernen eine goldene Krone machen: Kandidatin Kati Hofmann, Personalreferentin aus Nossen, war bis zum Wahlabend sächsische Weinprinzessin. Der gleiche Trick wie Michaela Tutschke gelingt ihr jedoch nicht, die 38-Jährige geht ohne Krone von der Bühne.

Daniela Undeutsch, nun mit Goldkrone, Collier, Weinkelch, Blumen und noch verschleiertem Dienst-Mercedes vor der Börse, bleibt in ihrer Dankesrede eine faire Gewinnerin: „Es ist schade“, sagt sie, „dass es nur drei Kronen gibt.“ Dann müssten die Weinfreunde jedoch auf den ganzen Abend verzichten.