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Weil er’s kann

Zakaria Alsalloum ist mit seiner Familie aus Syrien geflohen. Jetzt baut der Elektroingenieur in seiner Riesaer Wohnung 3-D-Drucker.

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© Sebastian Schultz

Von Britta Veltzke

Riesa. Lose Kabel verbinden ein Display mit dem Apparat, der an „Marke Eigenbau“ erinnert: Ein etwa 25 Zentimeter hohes Gestell aus vertikalen Metallstangen, ein Druckkopf kann an einer horizontalen Strebe entlang von links nach rechts fahren, hinten sind Spulen mit drahtförmigem Kunststoff angebracht. Das Display zeigt die Temperatur an, die stetig steigt: 180 Grad, 200 Grad Celsius. Nach ein paar Minuten sind es 225 Grad Celsius. Der erste 3-D-Drucker, den Zakaria Alsalloum in seinem Leben gebaut hat, hat seine Betriebstemperatur erreicht. Kurz bevor sich der Druckkopf in Bewegung setzt und wie von Geisterhand einen fünfeckigen Grundriss aufzeichnet, wischt der Tüftler noch einmal den Staub von der Grundplatte.

Schicht für Schicht entsteht aus heißem Kunststoff das Bauteil, das Alsalloum am Computer entworfen hat.
Schicht für Schicht entsteht aus heißem Kunststoff das Bauteil, das Alsalloum am Computer entworfen hat. © Sebastian Schultz

Ingenieur im Technikwunderland

Zakaria Alsalloum steht in einer Dachgeschosswohnung an der Riesaer Hauptstraße. Durch die großen Fenster in den Dachschrägen fällt viel Licht. In der Ecke liegen Setzkästen mit Tausenden Kleinteilen: Schräubchen, Kabel, Lämpchen, Platinen. Für den Elektroingenieur ist Deutschland ein Technikwunderland. „Hier kann ich alles bekommen, um einen 3-D-Drucker zu bauen – Komponenten aus Holland, Indonesien, China und natürlich aus Deutschland. Zu Hause ging das nicht so einfach“, erklärt er auf Englisch.

Zakaria Alsalloum stammt aus Aleppo. „Syrien ist ein Land mit vielen Beschränkungen, ähnlich wie es die DDR früher war. Man kann nicht einfach alles das kaufen, was man will. Schon vor dem Krieg war das so.“ Wer in Syrien etwas erreichen wolle, schaffe das immer nur über Umwege. „Hier in Deutschland ist das anders. Man kann alles schaffen, wenn man will. Einfach so, auf ganz direktem Wege“, sagt er. „Dafür schätze ich Deutschland.“ Zakaria Alsalloum erzählt viel und gern –  zwischendurch streut er immer wieder laute Lacher ein. In seiner Stimme schwingen Aufbruchstimmung, Optimismus, Hoffnung mit.

Seit Alsalloum zum ersten Mal von dem Fertigungsverfahren hörte, das auch seinen Geräten zugrunde liegt, wollte er selbst einen 3-D-Drucker bauen. „Fused Deposition Modeling“ ist das Stichwort. Zu deutsch: Schmelzschichtung. Schicht um Schicht entsteht so ein Bauteil aus flüssigem Kunststoff. Schon seit den 90er-Jahren wird das Verfahren kommerziell angewendet. Sein Traum vom eigenen 3-D-Drucker sei in Syrien stets an den begrenzten Möglichkeiten gescheitert, sagt Zakaria Alsalloum.

Vor drei Monaten startete er dann in Deutschland seinen ersten Versuch – mit Erfolg. Inzwischen bastelt er schon an seinem zweiten Drucker, für den er sämtliche Bauteile selbst am Computer entworfen und mit seinem Prototyp ausgedruckt hat. Auch der Zweite ist jetzt fast fertig. „Dieser wird kleiner, präziser und leiser arbeiten als der Erste.“ Wenn Zakaria Alsalloum nicht in seinem Deutschkurs in der Euroschule sitzt, arbeitet er an seinen Druckern. Günstig ist das nicht gerade. Auf 300 Euro schätzt er die Materialkosten für ein Gerät. „Daher kann ich nur Schritt für Schritt weitermachen.“

Zu neunt in einer Wohnung

In Syrien hat Zakaria Alsalloum Maschinen programmiert, erzählt der 50-Jährige. „Für alle möglichen Branchen, die Textil-, die Lebensmittel-, die Verpackungsindustrie.“ Er habe seine eigene kleine Firma mit drei Angestellten gehabt. „Wir hatten ein gutes Leben, meine Frau ist Richterin. Aber irgendwann ging es einfach nicht mehr weiter.“ Gemeinsam mit seiner Familie floh er im Dezember 2015 vor dem Krieg. „Wir sind über die Türkei, Griechenland, den Balkan gekommen – mit Bussen, Zügen, Schiffen, zu Fuß.“ Während der Flucht habe das Zeitgefühl völlig ausgesetzt. Er redet nicht gern darüber, die Lacher bleiben aus, die Stimme wird leiser. „Erst im Nachhinein konnte ich anhand meines Handys nachvollziehen, dass wir elf Tage unterwegs gewesen sein müssen.“

Seit dem 1. Januar 2016 leben die Alsalloums in Riesa – mit neun Leuten in einer Dreizimmerwohnung. Der jüngste Sohn ist acht Jahre alt, der älteste 23. Inzwischen hat die Familie ihren Flüchtlingsstatus und damit die Gewissheit, in Deutschland bleiben zu können. Der Familienvater hätte gern ein bisschen mehr Platz – natürlich auch zum Tüfteln. Mit seinen 3-D-Druckern würde er sich gern selbstständig machen. „Zwar hat sich in den letzten Jahren bei der Entwicklung einiges getan, aber ich sehe da noch Luft nach oben“, sagt er und lacht noch einmal sein typisches Lachen.