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Weihnachtsplätzchen fürs Heim

Riesaer Schüler backen für Obdachlose. Von der Aktion haben alle Beteiligten etwas.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Riesa. Mit routinierten Bewegungen rollt Matthias Jung ein Teigstück zu einer Kugel. „Ungefähr so groß sollten sie sein, wie ein Tischtennisball“, sagt der Bäckermeister. Dann demonstriert er seinen jungen Besuchern, wie er aus der Teigkugel eine Brezel formt. Die Schüler schauen einen Augenblick zu, dann heißt es: selbst ausprobieren – unter Anleitung des Bäckers. „Das ist noch zu groß“, sagt er einem der Jugendlichen. „Das wird im Ofen nicht durchbacken.“

Die Jungen und Mädchen besuchen das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) am Berufsschulzentrum in Riesa. In die Backstube in Oelsitz kommt die BVJ-Klasse seit 2013 einmal im Jahr, erklärt Schulsozialarbeiterin Annika Toth. Die Plätzchen und Brezeln backen die Jugendlichen allerdings nicht für sich: „Sie werden in jedem Jahr an eine soziale Einrichtung verschenkt“, sagt Toth. Etwa an die Familienhelfer der Volkssolidarität oder für das Stollenfest in Spansberg. In diesem Jahr werden die Süßigkeiten an das Riesaer Obdachlosenheim gespendet.

Sie finde diese Idee sehr gut, sagt auch die Leiterin des Obdachlosenheims Ute Grajek. Generell spüre das Deutsche Rote Kreuz (DRK), dass in der Weihnachtszeit viel gespendet werde. Aber auch generell könne das DRK in Riesa nicht über fehlende Spendenbereitschaft klagen. „Das liegt sicher auch daran, dass wir eine sehr gute Sozialarbeit haben. Von unseren Obdachlosen hört man nichts Schlechtes.“

Bei der Aktion geht es aber nicht allein darum, anderen in der Weihnachtszeit etwas Gutes zu tun, sagt Annika Toth. Denn das Berufsvorbereitungsjahr absolvieren Schüler, die keinen Abschluss vorweisen können – und ihn im Berufsschulzentrum nachholen. „Es geht darum, soziale Kompetenzen zu fördern, wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Teamfähigkeit“, erklärt die Schulsozialarbeiterin. Die Jugendlichen sollen fit gemacht werden für den Alltag und das Berufsleben. Praktische Aktionen wie das Backen für Bedürftige helfen dabei. Aber es geht noch um etwas anderes: Viele der Schüler im Alter zwischen 15 und 18 Jahren stammten aus schwierigen Verhältnissen, sagt Toth. „Jeder hier hat sein Päckchen zu tragen.“ Wenn sie die Plätzchen später an die Obdachlosen übergeben, sollen die Schüler auch sehen, dass es Leute gibt, denen es richtig schlecht geht.

Auch Bäcker Matthias Jung profitiert davon, dass er die alte Backstube für Besucher öffnet. Regelmäßig seien hier Kitas und Schulen zu Gast, außerdem ist der Bäcker mit einem mobilen Wagen bei der Kinderspielstadt der Freizeitinsel präsent. „Das zahlt sich im Nachhinein aus“, sagt Jung. Denn mancher Jugendliche entdecke während solcher Aktionen tatsächlich sein Talent und seine Freude am Bäckerhandwerk. Er habe jedenfalls schon einige junge Menschen im Praktikum oder in der Lehre wiedergesehen, die vorher einmal in der Kinderbackstube gestanden hatten.

Nach einer Dreiviertelstunde kann der Bäcker die ersten paar Keks-Bleche aus dem Ofen holen. Aber es geht ihm bisher noch nicht schnell genug: Jung hat noch jede Menge Teig vorbereitet, der verarbeitet werden muss. Der Bäckermeister treibt die Jugendlichen an, etwas zügiger zu arbeiten. „Oder wollt ihr etwa nur mit einem Kilo Keksen bei den Obdachlosen ankommen?“ Allzu viel Zeit ist nicht: Am frühen Nachmittag sollen die Plätzchen im Heim an der Klötzerstraße übergeben werden. Ute Grajek erklärt den Schülern dann auch, wie dort der Tagesablauf ist und beantwortet Fragen. „Die Aktion ist auch gut angekommen“, sagt sie hinterher. Annika Toth kennt das schon aus den vorangegangenen Jahren: Am Anfang seien die Jugendlichen manchmal skeptisch. „Nachher heißt es aber immer: Och, war ja doch eine schöne Sache!“