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Wegesäule auf Wanderschaft

Eine historische Wegesäule aus Sandstein war in Niegeroda gestohlen worden. Jetzt ist sie plötzlich wieder da.

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Von Klaus-Dieter Brühl

Kalt ist es und noch früh am Morgen, als Lampertswaldes Bürgermeister Wolfgang Hoffmann mit zwei Männern, Transporter und Technik in den Wald bei Schönborn aufbricht. Doch die Kälte stört die Drei nicht – immerhin gilt es, ein Stück verschwunden geglaubtes Kulturgut wieder heimzuholen. Es war vor fast einem Jahr, als die ziemlich abgelegen am Waldrand bei Niegeroda stehende Wegsäule plötzlich verschwunden war. Die etwa 1,70 Meter hohe Sandstein-Säule, eine von drei noch vorhandenen an der wichtigen Ost-West-Verbindung von Großenhain über Adelsdorf nach Ortrand, trägt die Jahreszahl 1843 und hat vor allem ideellen Wert. Dreiste Diebe sahen das anders und maßen der Säule auch einen durchaus realistischen materiellen Wert zu. Und nahmen sie mit. Was nicht so einfach gewesen sein kann, zumindest ein Hebezeug und ein Kleintransporter waren dazu nötig. Denn das Ding ist verdammt schwer. Das zeigt sich beim Abholen der Säule. Drei starke Männer kommen ins Schwitzen, um den Steinklotz auch nur auf die Bohlen zu wuchten, auf denen er dann aus dem Wald gezogen werden soll.

Die Gemeinde zeigte den Diebstahl an, und es passierte lange Zeit nichts. Von der Säule gab es keine Spur, und man wähnte sie schon bei Sammlern in den Altbundesländern im Vorgarten stehen. Doch nicht die Polizei, sondern wieder einmal Kommissar Zufall kam den Lampertswaldern zu Hilfe. Denn jetzt plötzlich entdeckte Thomas Bewilogua aus Liega bei einem seiner Waldspaziergänge die Steinsäule und informierte die Gemeinde. Auch Bodendenkmalpfleger Frank Schoppe sah sie sich an und bestätigte: Ja, es ist das Original. Glücklicherweise ist die Säule durch den Diebstahl nicht weiter beschädigt worden, allerdings war sie schon vorher nicht in besonders gutem Zustand. Immerhin stand sie an ihrem Standort über 150 Jahre – und 40 Jahre lang rollten NVA-Panzer daran vorbei. Der Fundort nahe der Autobahn lässt darauf schließen, dass die Diebe die Säule wiederum mit dem Transporter über den Fasanerieweg an das Wäldchen gefahren und dann einfach abgekippt haben. Warum wohl?

Wolfgang Hoffmann hat dazu seine eigene Theorie. „Ich denke, dass die Diebe hier aus der Region oder aus Südbrandenburg stammen und das Ding irgendwie vermarkten wollten. Aber das hat wohl nicht so richtig geklappt, und so wollten sie die Säule offenbar wieder loswerden, bevor das kompromittierende Corpus Delicti irgendwo in einer Garage entdeckt wird.“

Wie dem auch sei, die heimatgeschichtlich bedeutende Säule ist wieder aufgetaucht, wenn auch an ganz anderer Stelle als gedacht. Sie soll später auch wieder an ihrem angestammten Platz aufgestellt werden, aber erst im nächsten Jahr. „Jetzt wird sie erst mal an einem sicheren Platz eingelagert, dann geht sie zur Firma Witschel nach Großenhain. Wir müssen uns vor allem für den Fuß etwas einfallen lassen, denn die Säule soll nun besser im Waldboden verankert werden. Vielleicht mit einem Zapfen und einem Betonklotz“, sagt der Lampertswalder Gemeindechef. Inzwischen hängt die Säule in Gurten am Kranhaken und wird sorgfältig zum Transporter bugsiert. Dem Bürgermeister steht die Freude ins Gesicht geschrieben, er lächelt spitzbübisch und erzählt eine Anekdote aus den 90er Jahren. „Da war mal das gesamte Werkzeug aus dem Bauhof-Schuppen am Lampertswalder Sportplatz geklaut worden. Damals hatten viele Leute Zugang zu dem Schlüssel, und man tappte erst ganz und gar im Dunkeln. Doch wir wollten auf den Busch klopfen und schrieben ins Gemeindeblatt zu dem Diebstahl, dass es bereits einen Verdacht in eine bestimmte Richtung gebe. Und siehe da, auch damals bekam der Dieb offenbar kalte Füße, und binnen 14 Tagen war plötzlich über Nacht das gesamte Werkzeug wieder da“.

Die Säule liegt inzwischen gut verzurrt auf dem Kleintransporter, und alle treten zufrieden den Heimweg ins Gemeindeamt an. Wo sie jetzt eingelagert wird, das wird natürlich nicht verraten. Aber eines steht fest: so schnell wollen sich die Lampertswalder nicht wieder so dreist bestehlen lassen.