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Wegen Schulden demenzkranke Frau bestohlen

Eine Altenpflegerin aus Meißen hebt mit einer fremden EC-Karte insgesamt 3.000 Euro ab. Grund: Sie hat hohe Schulden.

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Von Jürgen Müller

Gelegenheit macht Diebe, heißt es. Eine solche Gelegenheit sah auch die Angeklagte aus Meißen. Die 39-Jährige arbeite als Altenpflegerin bei einem mobilen Pflegedienst und betreute dabei auch eine schwer an Demenz erkrankte 84-jährige Frau. In deren Wohnung sah sie des Öfteren die EC-Karte liegen, gleich daneben einen Zettel mit der PIN. Eines Tages nahm sie beides einfach mit. Doch Geld mit der Karte abzuheben, damit zögert sie erst noch. Am 21. November vorigen Jahres schlägt sie das erste Mal zu. An einem Geldautomaten der Sparkasse in Radebeul hebt sie 1 000 Euro ab, den Höchstbetrag, den es pro Tag gibt. Einen Tag darauf holt sie in Großenhain wiederum 1 000 Euro, am übernächsten in Coswig die gleiche Summe. Dabei weiß sie, dass die alte Frau eine Betreuerin hat, die auch ihr Konto verwaltet. Und die Angeklagte weiß auch genau, dass die Sparkasse beim Geldabheben ihre Kunden filmt. „Ich habe mir gar nichts dabei gedacht“, sagt sie dem Richter. Das stimmt so sicher nicht. Denn beim Geldabheben hat sie versucht, ihr Gesicht zu verdecken und den Schal extra weit hochgezogen. Doch warum hat sie das alles gemacht? Es war doch klar, dass das auffliegt?

Sie habe hohe Schulden, sagt die Frau, so zwischen 30 000 und 40 000 Euro. Die habe sie einst mit ihrem damaligen Lebensgefährten gemacht. Sie nahm Kredite auf für Auto, Möbel, Handwerkerrechnungen, Handyverträge. Die Beziehung zerbrach, der Ex zahlt nicht. Weder für die Schulden noch Unterhalt für seine zwei Kinder. Nach Angaben ihrer Verteidigerin hat die Frau von ihrem ehemaligen Lebensgefährten noch etwa 45 000 Euro an Unterhalt zu kriegen. „Regelmäßig kamen Briefe von Gläubigern, die ich am Ende gar nicht mehr aufgemacht habe. Ich wusste einfach nicht, wie ich aus der Sache rauskommen sollte“, sagt die Angeklagte. Ist auch schwierig als alleinerziehende Mutter dreier Kinder mit einem Nettoeinkommen von 1 200 Euro.

Mit dem Geld, das sie abhob, habe sie wenigstens kleinere Beträge zahlen wollen. Dazu kam es aber nicht. Einen Tag, nachdem sie das erste Mal Geld abhebt, kommt die Betreuerin dahinter. Sie holt mit der zweiten EC-Karte Kontoauszüge, und siehe da, schon wieder sind 1 000 weitere Euro weg. Die demenzkranke Frau kann es nicht gewesen sein, die das Geld abhob. Die Auszahlung erfolgte früh um 7 Uhr. „Zu dieser Zeit hatte mir die alte Frau im Nachthemd die Tür geöffnet“, erinnert sich die Betreuerin.

Sie wendet sich an die Sparkasse. Die wertet das Videomaterial aus. Die Betreuerin erkennt die Angeklagte zweifelsfrei als diejenige wieder, die das Geld abhob. Sie wendet sich an den Pflegedienst. Auch die Chefin dieser kirchlichen Einrichtung identifiziert sofort ihre Angestellte. Zur Rede gestellt, streitet die dennoch alles ab. Sie habe vor ihren drei Kindern nicht als Diebin dastehen wollen, sagt sie dem Richter. Später offenbart sich die Angeklagte der Betreuerin, zahlt das Geld vollständig zurück. „Ich habe nicht gewusst, wie ich aus der Sache wieder rauskommen soll, habe auch überlegt, das Geld einfach in der Wohnung abzulegen“, sagt die Meißnerin. Durch die Tat wird ihr sofort gekündigt. Die 82-jährige Frau hat von den Vorfällen überhaupt nichts mitbekommen. Ihre Krankheit ist weit fortgeschritten. Des Öfteren verlässt sie die Wohnung und findet nicht zurück. Manchmal wartet sie auch mit dem Abendbrot auf ihren schon lange verstorbenen Mann.

„Sie haben Ihre berufliche Tätigkeit und Ihr Vertrauensverhältnis schamlos ausgenutzt“, wirft Staatsanwältin Sabine Greiffenberg der Angeklagten vor. Da hohe Beträge abgehoben wurden, handele es sich um einen besonders schweren Fall des Computerbetruges. Sie fordert für die Angeklagte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, ausgesetzt für zwei Jahre zur Bewährung. Verteidigerin Anne Krause hingegen spricht von einer „Kurzschlussreaktion“ wegen der wirtschaftlichen Notlage. Durch die Schulden aus der Lebensgemeinschaft habe sie massiv unter Druck gestanden. Sie hält eine Geldstrafe für ausreichend.

Das Gericht verurteilt die Meißnerin wegen drei Fällen von Computerbetruges zu einer Haftstrafe von zehn Monaten, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. „Sie haben eine demenzkranke Frau als Selbstbedienungsladen benutzt“, so Richter Andreas Poth in seiner Urteilsbegründung. Dass sie die Tat leugnete, obwohl sie gefilmt und von drei Leuten erkannt wurde, bezeichnet er als besonders dreist.

Inzwischen hat die Frau übrigens wieder Arbeit – als Altenpflegerin.