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Zum Nordkap und zurück

Zehn Länder, ein Auto, klirrende Kälte: Um Kindern zu helfen, ist ein Görlitzer rund um die Ostsee gefahren.

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© privat

Von Susanne Sodan

Auf dem Asphalt liegt Konfetti. Durch das aufblasbare Zieltor fährt ein Geländewagen, oben auf dem Dachgepäckträger ein überdimensionaler Wikingerhelm. Ein Mann schwenkt eine Ziel-geschafft-Fahne. Der Galloper-Wagen mit dem Wikingerhelm steht jetzt übrigens zum Verkauf. Was Interessenten vielleicht wissen sollen: Dieses Auto ist in den vergangenen zwei Wochen rund 8 000 Kilometer gefahren – über ordentlichen Asphalt, über Buckelpisten, durch tiefen Schnee, über Eis. „Ein paar Steinschläge hat es auch abbekommen“, erzählt David Siebert, „auf den weniger gut ausgebauten Straßen“, fügt er hinzu. Dafür hat der Wagen aber Tüv. Und er hat echte Abenteuer gesehen. Genauso wie die Insassen, David Siebert und Sascha Giebelhausen. Die beiden und ihr Galloper haben in den vergangen zwei Wochen an der Rallye Baltic Sea Circle teilgenommen. Der Name sagt es schon: Es ging durch zehn Länder, einmal rund um die Ostsee. Jetzt sind die beiden zurück. Am Sonnabend sind sie ins Ziel in Hamburg eingefahren.

Reise eines Görlitzers zum Nordkap

Geschafft. Team SieGie bei der Zieleinfahrt in Hamburg.
Geschafft. Team SieGie bei der Zieleinfahrt in Hamburg.
Alle noch da? Aufstellen zum Konvoi! Die letzten Kilometer zum Nordkap fuhren fast alle Teams gemeinsam. Vorneweg eine Schneefräse.
Alle noch da? Aufstellen zum Konvoi! Die letzten Kilometer zum Nordkap fuhren fast alle Teams gemeinsam. Vorneweg eine Schneefräse.
Reiten nicht erlaubt. In Norwegen fanden die Abenteurer das Weihnachtsmanndorf und natürlich auch Rentiere. Eine Schlittenfahrt mit ihnen war möglich.
Reiten nicht erlaubt. In Norwegen fanden die Abenteurer das Weihnachtsmanndorf und natürlich auch Rentiere. Eine Schlittenfahrt mit ihnen war möglich.
Baden im Nordmeer. Das war eine Aufgabe, die einer der Spender an Team SieGie gestellt hatte. Eine Aufgabe, die schon beim Bildanschauen Gänsehaut macht.
Baden im Nordmeer. Das war eine Aufgabe, die einer der Spender an Team SieGie gestellt hatte. Eine Aufgabe, die schon beim Bildanschauen Gänsehaut macht.
Was für ein Ausblick, hier an den norwegischen Lofoten.
Was für ein Ausblick, hier an den norwegischen Lofoten.
Mittlerweile ist der Görlitzer David Siebert schon wieder auf Arbeit. Die vergangenen Tagen fuhren er und Sascha Giebelhausen durch zehn Länder. Am Sonnabendnachmittag rollten sie mit den anderen Teams in Hamburg ein.
Mittlerweile ist der Görlitzer David Siebert schon wieder auf Arbeit. Die vergangenen Tagen fuhren er und Sascha Giebelhausen durch zehn Länder. Am Sonnabendnachmittag rollten sie mit den anderen Teams in Hamburg ein.

„Die Temperaturen waren für uns fast schon heiß, als wir wieder angekommen sind“, erzählt David Siebert. Er kommt aus Görlitz, Sascha Giebelhausen stammt aus Aschersleben. Die beiden lernten sich bei ihrer Ausbildung zum IT-Systemelektroniker in Boxberg kennen. Heute arbeitet Siebert in Cottbus, Giebelhausen in Spremberg. Regelmäßig treffen sie sich, am liebsten im Winter, zum Beispiel zu Wandertouren durchs Riesengebirge. Eine Rallye, das hatten sie sich schon lange vorgenommen. Der Baltic Sea Circle – dieses Jahr gab’s erstmals eine Winterausgabe – war, wonach sie suchten. Die Regeln für alle Teams: Das Auto muss mindestens 15 Jahre alt sein, Navi ist nicht erlaubt, Autobahnen sind nicht erlaubt. Start war in Hamburg, in einer Rundtour ging es hinauf zum Nordkap und wieder zurück bis nach Hamburg. Für die Fahrt gab es dann noch diverse Aufgaben. Zum Beispiel, einen Schneemann zu bauen und den mit auf die Tour zu nehmen. Oder auch, eine Wikingerweihe zu durchlaufen. Hört sich nach verrücktem Spaß an, hat aber einen ernsten Hintergrund. Jedes der Teams sammelte vorab Spenden für ein gutes Projekt seiner Wahl. Team SieGie, also David Siebert und Sascha Giebelhausen, hat jetzt 3 554 Euro beisammen. Ein Großteil des Geldes geht an Kinderheime in den Heimatstädten der beiden, also nach Görlitz und Aschersleben. Weitere Teilbeträge gehen an Unicef, die Arche Berlin sowie eine Reittherapie für Kinder in Görlitz.

Für kleinere Spenden verschickten die beiden Abenteurer zum Beispiel Postkarten von ihrer Reise. „Ungefähr 40 Karten waren es“, erzählt Siebert. Wer eine Spende ab 150 Euro gab, der durfte sich eine zusätzliche Aufgabe für die zwei ausdenken. Einer der Spender wünschte sich ein Eisbad. Siebert und Giebelhausen brachten es im Nordmeer hinter sich. „Es war gar nicht so schlimm, weil die Lufttemperatur genauso kalt war wie die Wassertemperatur“, erzählt Siebert. Insgesamt aber sei die Kälte eine große Herausforderung gewesen. „Manche Teams hatten es in ihren Autos so warm, dass sie mit T-Shirt gefahren sind, das ging bei uns nicht.“ Und zweimal machte das Auto mitten in dieser Kälte Zwangspause. „Einmal hatten wir eine Reifenpanne. Und einmal mussten wir den Dieselfilter wechseln.“ Bei minus 20 Grad.

Ihr Galloper mag die beiden zweimal im Stich gelassen haben, die Anwohner, die sie trafen, aber nie. Weil die Teilnehmer ihre genaue Route vorab nicht kannten, mussten sie immer spontan abends nach einer Unterkunft für die Nacht suchen. „Dafür haben wir uns meistens mit anderen Teams zusammengetan, und es hat immer geklappt.“ Ferienhäuschen, Blockhütte mit Sauna, Hotel – war alles dabei. „Wir haben nur freundliche Gesichter gesehen“, erzählt Siebert. „Wir haben sogar noch unterwegs Spenden bekommen.“ Ein Schwede, den sie beim Billardspielen trafen, gab nochmal 150 Euro. Welches das beste Erlebnis war, kann David Siebert gar nicht sagen. „Dafür waren es zu viele Eindrücke.“

Sie haben Malmö, Tallin und Riga gesehen, haben sich in St. Petersburg verfahren, entdeckten Rentiere an der Grenze zu Finnland und Wale in einem Fjord. Auf einem Internet-Blog haben sie täglich Bilder von ihrer Reise hochgeladen: Bei einem Bild denkt man, die zwei fahren über eine verschneite, aber normale Straße, dabei ist es ein zugefrorener See. Bei einem anderen Bild, nahe am Nordkap, sieht man nur meterhohe Schneewehen – und dazwischen wie Kleckse ein paar Rallye-Autos. „Am schönsten waren für mich eigentlich die letzten zehn Kilometer zum Kap.“ Dort kommt man nicht einfach so hin. „Dreimal am Tag fährt eine Schneefräse, hinter der man herfährt.“ Die meisten der Teams kamen dafür an Tag 7, also am 3. März, mit ihren Wagen zusammen. Im Tross fuhren sie zum Kap. Für ein Auto, das das geschafft hat, gibt es übrigens schon Interessenten. Paar Steinschläge hin oder her.