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Waschen, Schneiden, Föhnen im Pioniertheater

Vor 20 Jahren eröffnete Anett Englowski ihr Haarstudio im Großenhainer Kupferberg-Kietz.

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© Anne Hübschmann

Von Manfred Müller

Großenhain. Der prominenteste Gast im Haarstudio No. 1 hatte leider keine Zeit, im Frisiersessel Platz zu nehmen. Corinna Harfouch wollte sich einfach mal an dem Ort umsehen, wo ihre Schauspiel-Karriere begann. „Hier war zu DDR-Zeiten die Spielstätte des Pioniertheaters ‚Natalia Saz‘“ erklärt Friseurmeisterin Anett Englowski. Die deutschlandweit bekannte und geschätzte Mimin sei gleich in der Nachbarschaft aufgewachsen und habe ein wenig in Erinnerungen geschwelgt. Eine sehr sympathische, unkomplizierte Frau, kein bisschen abgehoben.

Mitte der 1990er Jahre stand das Gebäude an der Theodor-Neubauer-Straße zum Verkauf. Anett Englowski erwarb es, ließ es umbauen und eröffnete im Herbst 1996 ihren Friseursalon. „Es war einfach sehr günstig gelegen zwischen zwei großen Wohnvierteln, gleich gegenüber die Schule und der Einkaufsmarkt“, sagt sie.

Die heute 45-jährige Friseurin hatte noch vor der Wende bei der PGH „Elegant“ ihr Handwerk erlernt. Gerade 18 Jahre alt, folgte sie ihrem Freund in den Westen, arbeitete in Hessen und Baden-Württemberg. Die Beziehung hatte keinen Bestand, und es gefiel ihr dort auch nicht wirklich. 1993 zog es Anett Englowski zurück in ihre Heimatstadt. Sie ging noch einmal zurück in die alten Bundesländer, um ihren Meisterabschluss zu machen. „In Oldenburg konnte man ein halbes Jahr lang Tag für Tag durchpowern“, erinnert sie sich. „In Dresden wäre damals nur die Abendschule möglich gewesen – das hätte ewig gedauert.“ Aber ihr Entschluss, sich in Großenhain selbstständig zu machen, stand fest, und so nahm sie die Reise noch einmal auf sich.

Seit nunmehr über 20 Jahren betreibt Anett Englowski am Kupferberg ihr Haarstudio No. 1 sowie zwei kleinere Zweigstellen in Geißlitz und in der Zabeltitzer „Großen Emma“. Neun Beschäftige arbeiten mittlerweile in ihrem Handwerksbetrieb acht Frauen, von denen zwei einen Meisterabschluss haben und seit 2008 mit Friseur „Alex“ auch ein Mann. Zum erweiterten Team gehört überdies eine selbstständige Kosmetikerin.

Zum Friseur müsse man geboren sein, findet die Großenhainerin. Besonders hier im Osten und in einer ländlichen Region, wo das soziale Umfeld den Erlösen Grenzen setzt. Als sie im in Mainz und in Ludwigsburg arbeitete, kostete die gleiche Frisur locker das Doppelte wie in Großenhain.

Und sehr viel habe sich bis heute daran nicht geändert. Dazu das lange Stehen während der Arbeit, und dabei immer freundlich und lustig sein – das schlauche schon manchmal. „Eigentlich sind wir nicht nur Dienstleister, sondern auch Psychologen“, lächelt Anett Englowski. Entschädigt werden die Friseure durch die treue, aufgeschlossene Kundschaft und die oft geradezu familiäre Atmosphäre in ihrem Salon. In Zabeltitz zum Beispiel kenne jeder jeden, und alle hätten irgendwie mit dem Spielmannszug zu tun. Da gehe schon manchmal zu wie am Frühstückstisch einer Großfamilie. Ob sie selbst Lieblingsfrisuren hat, die sie ihren Kunden gern empfiehlt? „Nein“, sagt Anett Englowski, „wir machen, was gewünscht wird.“ Junge Leute kämen oft mit dem Bild eines von ihnen verehrten Stars – das sei dann schon eine Herausforderung. Zumal sich nicht jedes Haar für jede Frisur eignet. Und niemand solle glauben, dass sich die Jungs heutzutage noch mit einem 9,50-Euro-Schnitt zufrieden gäben. „Die sind manchmal eitler als die Mädchen“, weiß die Großenhainer Kiez-Friseurin. Ihr selbst fällt auf Anhieb kein Prominenter oder Künstler ein, den sie wegen seiner Frisur bewundern würde. „Ich bin ein großer Fan von Udo Lindenberg“, sagt sie. „Aber frisurtechnisch, na ja, da ist er wohl nicht der Schönste.“