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Waschbärenplage in Dresden

Die Tiere vermehren sich sehr schnell. Sie plündern Gärten und zerstören Hausdächer.

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© Sven Ellger

Von Julia Vollmer

Wenn es dunkel wird, klettern sie durch die Katzenklappe ins Haus und naschen Wurst aus dem Kühlschrank. Sie wühlen in Mülleimern nach Essensresten und lecken Joghurtbecher aus – Waschbären breiten sich immer mehr im Stadtgebiet aus. In diesem Sommer gingen City-Trapper Thomas Schröder schon 40 Tiere ins Netz – und das allein von Juli bis September. Im ganzen letzten Jahr fing er nur vier Tiere. „Die Population hat extrem zugenommen“, sagt Schröder. Die anderen Jäger in der Stadt erschossen 2016 schon 69 Tiere, 2011 waren es nur 20.

Niedlich sind sie, doch die Waschbären können viel Schaden anrichten und im schlimmsten Fall auch Krankheiten übertragen.
Niedlich sind sie, doch die Waschbären können viel Schaden anrichten und im schlimmsten Fall auch Krankheiten übertragen. © dpa

Das ist nicht nur ein Dresdner Problem, sondern auch ein sachsenweites, sagt Jan-Walter Heikes, Geschäftsführer des Landesjagdverbandes. Erschossen die Jäger im letzten Jahr rund 7 230 Waschbären in ganz Sachsen, waren es 1997 gerade einmal fünf.

Die niedlichen Tiere sind derzeit in der ganzen Stadt unterwegs. City-Jäger Thomas Schröder verteilt seine Fallen überall. Auf der Louisenstraße hat er genauso schon Bären gefangen wie am Elbepark und der Hauptstraße. Genervte Anwohner rufen ihn, wenn die Tiere ihre Gärten umgraben und das Obst von den Bäumen klauen. „Bei einem meiner Kunden riss der Waschbär die Dachziegel herunter. Es entstand so ein riesiges Loch, dass ein Kind durchgepasst hätte“, erzählt der Trapper. Der Innenstadt-Jäger fängt die Tiere in speziellen Fallen lebendig. Danach erschießt er sie. „Ich will die Tiere nicht länger als nötig quälen. Sitzt ein Waschbär in der Falle, komme ich so schnell wie möglich.“

Doch warum gibt es plötzlich so viele Waschbären in der Stadt? Dazu forscht Sven Herzog, Professor für Wildtierökologie an der TU Dresden. Seit etwa fünf bis zehn Jahren beobachtet er extrem schnell wachsende Bestände in Sachsen. Mögliche Ursachen sieht er in den zurzeit günstigen Bedingungen für die Waschbären. Sie haben in Deutschland keine natürlichen Feinde. In den USA werden sie zum Beispiel von Krokodilen und Schlangen gefressen, die gibt es aber in Deutschland nicht in freier Wildbahn. Sie finden außerdem überall Nahrung, ernähren sich beispielsweise von Obst, Regenwürmern und Vogeleiern sowie von Essensresten aus Mülltonnen. Eine mögliche Ursache könnte auch die Zunahme von Hauskatzen sein. Für diese possierlichen Haustiere stellen deren Besitzer Milch und Leckerlis vor die Tür. Das lockt Waschbären an.

Die Jagd auf die Vierbeiner sei aber nicht die Lösung. Sie bringe nicht viel. Besser sei es, die Bären nicht mehr mit Milch und Essensresten in die Nähe der Wohnungen zu locken.

Die Stadtverwaltung sieht das völlig anders. Sie bläst zur Jagd auf die Tiere. Denn die Ausbreitung des Waschbären sei ein echtes Problem. In Sachsen dürfen die Tiere außerhalb der Schonzeit von März bis Juni gejagt werden. In den Frühlingsmonaten bekommen sie ihren Nachwuchs und sind in der Zeit geschützt. Die Jäger in Dresden sind für die Jagd der Waschbären sensibilisiert, bestätigt Stadtsprecher Karl Schuricht. Die Stadt unternehme also alles gegen die Plage, was rechtlich derzeit möglich ist. Aber hier fehlt es an Personal. Es gibt über 600 registrierte Jäger, doch nur ganz wenige davon jagen auch wirklich in Dresden, heißt es aus dem Rathaus.

Es lauert eine weitere Gefahr. Neben den Problemen für die Menschen durch ausgeleerte Mülltonnen, kaputte Dächer und ausgeplünderte Vogelnester kann der Waschbär auch Überträger von Krankheiten sein. Die Tiere tragen Parasiten in sich. Diese Würmer können sie auch auf den Menschen übertragen. Das geschieht nicht direkt, sondern über die Haustiere wie Hunde und Katzen. Der Waschbär überträgt die Parasiten auf die Tiere und diese dann auf ihre Besitzer.

Trotz dieser Gefahr geht City-Trapper Thomas Schröder weiter auf die Pirsch. Auf eines passt er aber auf: Um sich nicht anzustecken, entsorgt er die toten Bären in der Kadavertonne einer befreundeten Tierärztin. Zusammen mit den verstorbenen Hunden, Meerschweinchen und Katzen aus deren Praxis werden die toten kleinen Bären in einer zentralen Abfallentsorgungsanlage verbrannt.