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Waschbären holen sich Kraniche und Rehkitze

Den Winzern klauen sie die Trauben, Enten den Nachwuchs. Ein Experte sagt: Waschbären werden wir nicht mehr los.

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© Norbert Millauer

Von Peggy Zill

Sie schlüpfen durch Katzenklappen und randalieren im Haus, fressen die Eier der Stockenten und die brütende Mutter gleich mit oder plündern Weinberge und Obstgärten. Doch der Waschbär hat einen großen Trumpf: Er ist niedlich. So niedlich, dass er von vielen nicht als Dieb und Kindsmörder erkannt wird. Dabei wird er immer mehr zum Problem.

Die Tiere vermehren sich fleißig und gefährden die heimische Tierwelt.
Die Tiere vermehren sich fleißig und gefährden die heimische Tierwelt. © Steffen Unger

Die heimische Tierwelt leidet stark darunter, dass sich die Waschbären explosionsartig vermehren. „Er bedroht die Artenvielfalt“, sagt Jäger Markus Handschuh, der beobachtet hat, dass es an der Elbe kaum noch Möwen gibt. Im Teichgebiet von Moritzburg holt sich der Waschbär auch Kraniche und Eulen. „Bei den Stockenten gibt es mehr männliche als weibliche, weil der Waschbär das Nest leer räumt und die brütende Entenmutter gleich mitnimmt.“ Der Räuber klettert auf Bäume und holt sich den Nachwuchs der Singvögel. Er kann sogar in Nistkästen greifen, ein Rehkitz töten und Fische aus dem Moritzburger Teich angeln. „Nach dem Abfischen in Moritzburg kommen sie im Dunkeln und holen sich die Reste, Krabben und Flusskrebse“, so Handschuh. Weil der Waschbär seine Pfoten wie Hände nutzen kann, hebt er Steine genauso wie Dachziegel hoch. Er kann sogar Hasenställe öffnen und plündert Hühnerställe. „Früher waren Waschbären Einzelgänger. Jetzt ziehen die Männchen in Gruppen los.“ Drei lenken ab, einer klaut, so die Taktik, sagt Markus Handschuh.

Fünf Junge bekommen die Weibchen jedes Jahr. Diese sind nach einem Jahr geschlechtsreif. Macht im ungünstigsten Fall 25 neue Waschbären. Natürlich Feinde haben sie hier keine. „In Amerika holen sie die Pumas von den Bäumen“, erklärt Handschuh. Hier gibt es keinen Räuber, der so gut klettern kann. Ein- bis zweimal pro Woche wird er wegen eines Waschbären gerufen.

In den vergangenen acht Jahren hat der 39-Jährige, der Inhaber eines Forstbetriebs ist, etwa 1 000 Tiere erlegt. Zur Hubertusjagd in Moritzburg werden jedes Mal im Schnitt auch 20 Waschbären geschossen. Sie verstecken sich oft in den Schilfflächen, wo die Hunde sie herausjagen. Nicht ganz ungefährlich. Im Wasser sind die Waschbären den Jagdhunden völlig überlegen. Handschuh musste seine Tiere schon retten, weil sie sonst ertrunken werden.

Dass die pelzigen Allesfresser niedlich sind, findet auch der Jäger. „Aber das, was sie fressen, ist es oft auch.“

Was außer Kontrolle gerät, muss man regulieren, meint der Coswiger Jäger. Er fände es gut, wenn eine Abschussprämie für den Waschbären eingeführt werden würde. Für Füchse gab es bis vor ein paar Jahren zehn Euro. „Das hat den Bestand ganz gut reguliert.“ Aber auch die Bevölkerung müsste besser aufgeklärt werden.

Das findet auch Bodo Pietsch, Jagdpächter in Radebeul. „Manche füttern die Waschbären sogar noch mit Katzenfutter.“ Wenn Pietsch sagt, dass er kommt und das Tier erlegt, würden ihn die meisten wieder abbestellen. Etwa 75 Tiere erlegen Bodo Pietsch und seine Jagdkollegen in Radebeul jedes Jahr. Von einer Prämie hält er jedoch wenig. „Wer soll die bezahlen?“ Beim Fuchs übernahm das Veterinäramt aus Gründen der Seuchenverhütung die Rechnung. „Aus welcher Kasse soll das Geld für den Waschbären kommen“, fragt Pietsch.

Wobei viele unter den maskierten Plagegeistern leiden.

Auch Bodo Pietsch hat extreme Veränderungen in der Tierwelt festgestellt. „Die Stockentenpopulation auf der Elbe ist stark zurückgegangen.“ Sogar in den Weinbergen richten die Waschbären Schaden an, indem sie den Winzern die Trauben wegfressen. Manche packen diese jetzt ein. Wo der Waschbär Schaden anrichtet, müssen die Winzer und Hausbesitzer laut Pietsch schneller reagieren. Er rät, dass sich die Betroffenen eine Falle kaufen und sich vom Jäger erklären lassen, wie sie am besten aufgestellt wird. Prinzipiell frisst der Waschbär alles von Wurst bis Gummibärchen und lässt sich damit in die Falle locken. Markus Handschuh bringt gegen Pfand auch eine Falle mit. Das Erlegen und Entsorgen der Tiere übernehmen die Jäger. 20 Euro Aufwandsentschädigung verlangt Markus Handschuh dafür. Welcher Jagdpächter zuständig ist, weiß das Ordnungsamt.

Die ersten Waschbären wurden in Kassel ausgesetzt. Die Jagd- und Artenvielfalt sollte durch sie bereichert werden. Dort blieben sie eine Weile. Unterdessen sind sie im gesamten Land zu finden. Wir werden lernen müssen, mit den Tieren zu leben, sagt Bodo Pietsch. In Kassel habe man das Problem auch nicht lösen können. „Man muss sich arrangieren.“ Denn die Waschbären werden wir nicht mehr los.