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Waschbären fressen sich durch Königshain

Früher gab es keine, heute sind sie immer öfter in Königshain zu sehen: Waschbären entdecken den Ort als Tummelplatz. Doch sie richten großen Schaden an.

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© Rafael Sampedro

Von Constanze Junghanß

Ein Poltergeist auf dem Dachboden. Oder gleich mehrere sogar? Bei Familie Pietschmann in Königshain klang es, als würden Gegenstände hin- und hergeschoben. Ab und an krachte und schepperte es. Vor allem nachts ging das Gerumpel los. Dass da kein Geist sein Unwesen trieb, war Elke und Armin Pietschmann selbstverständlich klar. Doch wer verursachte die Geräusche? Die Familie fand schnell den Grund.

Der ist eigentlich ganz hübsch anzusehen, hat mit seinem buschigen Fell, den runden Ohren und der schwarzen Gesichtsmaske à la Zorro einen Niedlichkeitsbonus. Waschbären hatten den Dachboden von Pietschmanns als Spielplatz auserkoren. Die Königshainer sind nicht die einzigen im Dorf, die mit dem possierlich wirkenden Tier Bekanntschaft machten. Im Gemeinderat sprach auch Rätin Gudrun Schubert das Waschbärthema an. Die Vierbeiner wären in letzter Zeit oft aufgefallen. So manche Mülltonne sei schon umgeworfen oder ausgeräumt worden.

Eine starke Zunahme von Waschbären in der Region bestätigt Ingo Weber. Er ist der Leiter vom Hegering Königshain. Zu dem Gebiet gehört auch die Umgebung von Reichenbach/Mengelsdorf und Arnsdorf/Thiemendorf. „In den vergangenen Jahren ist der Bestand auf jeden Fall gestiegen“, sagt er. Waschbären würden immer öfter in den Dörfern auftauchen. Fast jedem Garten statteten sie einen Besuch ab. „Mit der Nähe zum Menschen kommen die Tiere gut zurecht“, weiß Ingo Weber.

Sie bedienen sich gern an den Obstbäumen, naschen Pflaumen, Äpfel oder Birnen. Und die Komposthaufen, auf denen Obst-, Gemüse- oder Essensreste landen, bereichern den Speisezettel der im Schnitt zwischen etwa vier bis neun Kilogramm schweren Raubtiere. Diese Erfahrung machte auch Familie Pietschmann. Und kompostiert nun nur noch Grünschnitt. Für das lautstarke Problem auf dem Dachboden fand sich ebenfalls eine Lösung: „Wir haben alles komplett abgedichtet und keine Ritze freigelassen“, erzählt Armin Pietschmann.

Auch deshalb, weil die frechen Gesellen Dachböden gern als Latrine benutzen. Und der Urin kann, wenn er durch die Decken sickert, viel Schaden im Gebäude anrichten. Bei der Gemeindeverwaltung klingelt immer wieder mal das Telefon, weil Einwohner von Waschbären in Haus, Hof und Garten berichten. „Machen können wir da allerdings nichts. Da sind uns die Hände gebunden“, sagt Mitarbeiterin Ursula Petersen. In jedem Fall wichtig jedoch sei, die Tiere nicht anzufüttern.

Das lässt sich auf dem Dorf allerdings schlecht vermeiden, wenn auch völlig unabsichtlich: „Gerade in den Hausgärten stehen oft Obstbäume“, erklärt Ingo Weber. Ein gefundenes Fressen auf dem Silbertablett also. Ingo Weber hat auch die neuesten Zahlen vom Jagdjahr 2015/2016 vorliegen: In Sachsen wurden in der letzten Jagdsaison 9 889 Waschbären erlegt. Das sind gegenüber der Vorsaison 2 569 Tiere mehr. Bundesweit wurden 128 103 Waschbären getötet. Insgesamt hat sich damit innerhalb von zehn Jahren die Jagdstrecke bei den Waschbären vervierfacht.

Doch was tun, wenn die ungebetenen Gäste auf den Dörfern überhandnehmen? So einen richtigen Expertentipp kann auch Ingo Weber nicht geben. Manche holen sich Fallen oder ziehen einen Jäger zurate. Andere wiederum stören sich an den Waschbären weniger und machen ihr Haus waschbärensicher. Andere verschließen Mülltonnen mit Spanngurten oder beschweren die Behälter mit Steinen, damit die Allesfresser nicht mehr im Müll herumwühlen.

Bei Familie Bräuer half letzterer Trick allerdings nicht sofort. „Trotz Ziegelstein schaffte es der Waschbär, in die Tonne zu kommen“, erzählt Helga Bräuer. Ein zweiter Stein war notwendig, um den „Mülldieb“ von dieser Stelle zu vergrämen. Im Vorjahr spazierte eine ganze Familie von Procyon lotor – so der lateinische Name – durch den Vorgarten. Bei Sohn und Schwiegertochter fraß sie die zum Abkühlen auf die Terrasse gestellten Nudeln weg. „Jetzt im Winter sehen wir nur ihre Spuren im Schnee“, ergänzt Ehemann Dietmar.

Bei der rasanten Vermehrung im Laufe der Zeit würden die Tiere langsam zu einer Plage. „Früher gab es hier keine Waschbären. Nur im Zoo konnte man sie beobachten“, erinnert sich Frau Bräuer. Das hat sich geändert. Königshainer erzählen von der ehemaligen BHG beim Schlossgelände. In der Ruine nistete sich im Herbst eine Waschbärenfamilie samt zweifachem Nachwuchs ein und soll eine Weile eine kleine Attraktion gewesen sein.

Der Görlitzer Zoo-Direktor Sven Hammer, der in seiner Wildtierauffangstation sechs Waschbären hat, plädierte bereits im Herbst gegenüber der SZ für ein hartes Durchgreifen. Die Tiere müssten in der freien Wildbahn gejagt werden, sagte er. „Es geht nicht, dass die Waschbären sogar gefüttert werden. Wenn ein Waschbär mal gefüttert wird, kommen im nächsten Jahr gleich zwei Tiere mehr“, warnt Sven Hammer. „Dann entwickelt es sich bald zu einer ähnlichen Plage wie mit den Wildschweinen.“

Tipps zum Umgang mit Waschbären gibt es hier auf den Seiten des Naturschutzbundes.