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Waschbären auf dem Vormarsch

Schon Tausend Tiere wurden in dieser Saison im Landkreis Bautzen abgeschossen. Auch im Raum Kamenz gehen sie in die Falle.

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© Regina Berger

Von Frances Scholz & Frank Oehl

Schwarze Knopfaugen, weiße Barthaare und ein scheinbar kuschliges Fell – der Waschbär sieht niedlich aus. Früher konnte man die Tiere eher im Zoo anschauen. Heute finden sie sich mitten in den Städten – in Bautzen, Bischofswerda, Kamenz ...

Dass sich die Tiere in der Oberlausitz wohlfühlen, zeigen aktuelle Zahlen. Insgesamt 1.079 Waschbären wurden in dieser Jagdsaison im Landkreis Bautzen erlegt. Fast doppelt so viele wie noch vor zwei Jahren. „Die Waschbären gehören zu den sogenannten Neozoen. Sie wurden vom Menschen eingeschleppt“, sagt Gernot Schweitzer, Sprecher des Landratsamtes. Im Landkreis hätten sich die Tiere in den vergangenen Jahren flächendeckend verbreitet.

In Städten und Kleingartenanlagen

Dass dies auch in Städten passiert, überrascht Jagdpächter Werner Winde nicht. „Bautzen zum Beispiel ist ideal. An der Spree können sie ihr Futter waschen. Und die alten Bäume im Humboldthain bieten ihnen gute Verstecke.“ Darüber hinaus sind sie auch in Kleingartenanlagen zu finden. Bei der Suche nach Nahrung werden die Tiere in Siedlungen schnell fündig. Beeren, Früchte und kleine Tiere oder Katzenfutter und Abfälle aus der Biomülltonne – der Waschbär ist ein Allesfresser. „Sein Leibgericht ist Nutella“, weiß Werner Winde. Die Raubtiere sind Einzelgänger und suchen in der Dämmerung nach Nahrung. „Waschbären sind sehr intelligent und wissen noch nach Jahren, wo sie einmal Futter gefunden haben.“

Dabei richten sie auch oft Schaden an. „Sie räumen zum Beispiel Nester aus, töten geschützte Tiere oder sie beschädigen Gebäude und Grundstücke“, sagt Winde. Eigentlich sind die Waschbären in Nordamerika heimisch. Mitte des 20. Jahrhunderts kamen sie nach Europa und breiten sich seitdem rasant aus. Ein Waschbärweibchen kann fünf Junge im Jahr zur Welt bringen. „Wenn sie Junge haben, dürfen wir die Tiere aber nicht jagen“, so Winde. Mindestens zweimal in der Woche klingelt sein Telefon wegen eines Waschbären. „Die Leute ködern sie auf ihrem Grundstück zum Beispiel mit Nutella und locken sie in eine Falle“, sagt er. Dann soll er kommen und das Tier töten.

„Das dürfen nur Personen, die die erforderliche Sachkunde haben und mit dem Töten eines Tieres vertraut sind“, sagt Landratsamtssprecher Gernot Schweitzer. Wenn die Tiere auf dem eigenen Grundstück gefangen wurden, muss auch der Besitzer für die Entsorgung aufkommen. In Pulsnitz zum Beispiel hat sich das Problem in der Schlossklinik und am Polzenberg (die SZ berichtete) gelöst, indem die Tiere in Lebendfallen – die kriegt man über Amazon – gelockt und weggebracht wurden.

So lange rütteln, bis die Mülltonne umfällt

Jäger Werner Winde tötet jeden Monat mindestens sechs Waschbären. Manchmal sind es aber sogar doppelt so viele. Doch die Tiere zu töten, ist nicht immer die beste Lösung. „Wenn ich einen wegnehme, kommt sofort der Nächste“, sagt Winde. Wichtiger sei, den Räubern die Nahrungsquellen zu nehmen, zum Beispiel nach 21 Uhr kein Katzenfutter rauszustellen. Gartenbesitzer sollten auf den Kompost keine Küchenabfälle wie Kartoffelschalen werfen. Und Mieter müssen ihre Mülltonnen richtig verschließen. Waschbären sind sehr gute Kletterer und bekommen den Deckel schnell auf. „Oder sie rütteln so lange, bis die Tonne umfällt“, sagt der Jäger.

Doch die Räuber sind nicht die einzigen Wildtiere, die sich in Städten wie Bautzen oder Kamenz ausbreiten. Auch Marderhunde, Wildschweine und Rehe kommen immer häufiger vor. „Den Fuchs hat der Waschbär aber weitestgehend zurückgedrängt“, so Winde. Seit einiger Zeit zählt er mehr überfahrene Waschbären als Füchse. Als weitere Bedrohung sieht er den Mink, ebenfalls eine vom Menschen eingeschleppte Tierart. „Es handelt sich um einen amerikanischen Nerz. Der Mink ist eine große Gefahr für alle Vogelarten dort“, sagt der Jäger. Doch ausrotten lassen sich weder der Mink noch der Waschbär. Das weiß man auch im Landratsamt. „Obwohl in der Jägerschaft immer wieder mal eine ,scharfe Bejagung‘ des Waschbären empfohlen wird, bringt das offensichtlich nicht viel“, sagt Gernot Schweitzer. Man müsse sich wohl auf Dauer mit dem Waschbären arrangieren.