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Waschbären auf Beutezug

Sie klauen den Enten den Nachwuchs und legen sich mit Katzen an. Nun soll die Ausbreitung der Tiere gestoppt werden.

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© Patrick Pleul/dpa

Von Peggy Zill

Region Döbeln. Sie schlüpfen durch Katzenklappen und randalieren im Haus, fressen die Eier der Enten und die brütende Mutter gleich mit oder plündern Obstgärten. Doch der Waschbär hat einen großen Trumpf: Er ist niedlich. So niedlich, dass er von vielen nicht als Dieb und Kindsmörder erkannt wird. Dabei wird er immer mehr zum Problem.

Die heimische Tierwelt leidet stark darunter, dass sich die Waschbären explosionsartig vermehren. „Die einheimischen Arten gehen zurück“, sagt Mario Tröger vom Kreisjagdverband Döbeln und nennt die Stockente als besonders betroffen, aber auch geschützte Tierarten wie die Seeschwalbe seien in Gefahr. Und der Waschbär breitet sich immer weiter aus. Die Zahl der Tiere, die erlegt werden, steigt seit Jahren. Waren es 2008/2009 noch 28 erschossene oder überfahrene Tiere, zählte man im vergangenen Jagdjahr 969 tote Waschbären im Landkreis. In den vergangenen drei Jahren wurden alleine im Jagdbezirk Beicha 103 Waschbären erlegt. In Bockelwitz waren es 96, in Döbeln 80 und in Hartha 97. Die Jagdstrecke sei zwar nur ein Indiz für das Vorkommen der Waschbärpopulation und deren Schadwirkungen, es zeige sich jedoch die Tendenz, dass die Bedeutung im Landkreis von Südost nach Nordwest zunimmt, heißt es aus der Pressestelle der Kreisverwaltung. „Der Altkreis Döbeln ist mehr betroffen als Mittweida und Freiberg“, so Pressereferentin Lisa-Maria Schöne. In Freiberg gab es laut Jagdstrecke nur fünf tote Waschbären zwischen 2013 und 2016, in Mittweida elf. Von einem weiteren Vordringen in Richtung Erzgebirge werde jedoch ausgegangen.

Auch der Europäischen Union ist die Ausbreitung ein Dorn im Auge. Sie hat den Waschbären nun zur „invasiven gebietsfremden Art“ und ihm damit den Kampf erklärt. Ziel dabei ist die Eindämmung dieser Art. Gelistet sind insgesamt 37 Tier- und Pflanzenarten, die mit ihrer Ausbreitung in Europa andere Arten und Ökosysteme gefährden und deshalb nicht mehr gehalten, gezüchtet, importiert und verkauft werden dürfen. Die EU-Staaten sollen frühzeitig gegen fremde Arten vorgehen und diese rasch ausrotten oder, wenn sich die Tiere oder Pflanzen schon weiter ausgebreitet haben, zumindest ihr Vorkommen eindämmen. Dem Nabu geht die Liste nicht weit genug. Denn der Mink findet sich beispielsweise nicht auf der Liste – obwohl dieser lokal, ähnlich wie der Waschbär, als Nesträuber erheblichen Einfluss auf die Bestände bedrohter Vogelarten nehmen kann.

Ob die EU-Verordnung etwas bringt, weiß Mario Tröger nicht. Er findet aber auch, dass das Raubtier nicht in die Region gehört. Am Ende kommt es auf die Jäger an. Waschbären sind in Sachsen zwar das ganze Jahr jagbar, allerdings müssen die Setz- und Brutzeiten vom 1. März bis 15. Juni beachtet werden. Die Muttertiere sind zu schonen. Damit sich das Erlegen der Tiere für die Jäger lohnt, könnte eine Abschussprämie eingeführt werden. Für Füchse gab es bis vor ein paar Jahren zehn Euro. Das hat den Bestand reguliert. Aber selbst mit der Prämie wird es nicht zur Ausrottung kommen, meint Tröger. Sie könnte manchen Jäger aber vielleicht dazu bringen, eine Falle mehr zu kaufen. Tröger findet es außerdem bedauerlich, dass mit den toten Waschbären im Grunde wertvolle Rohstoffe weggeworfen werden, weil es für die Felle keine Abnehmer gibt. Zu DDR-Zeiten habe es flächendeckend Sammelstellen gegeben. „Aber heutzutage sollte man ja keinen Pelz mehr tragen“, so Tröger

Wichtig sei zudem ein Umdenken in der Bevölkerung, meint der Jäger. Die Bärchen mit Panzerknacker-Gesichtsmaske halten viele noch für harmlos. „Spätestens, wenn die eigene Hauskatze von ihnen verletzt wird, ändert sich das“, so Tröger. Das sei schon oft vorgekommen, wenn sich die Tiere am Futternapf treffen und die Katzen ihr Revier verteidigen wollen. Im Moment sei es eher ruhig an der Waschbär-Front, sagt Tröger. Lokal komme es immer mal wieder zu Problemen, wenn sich die Tiere irgendwo eingenistet haben, wo sie nicht hingehören, wie beispielsweise in Abrisshäusern. Auch den Landwirten machen sie Schaden. „In Mais- und Rapsfeldern fühlen sie sich wohl. Das sind ideale Lebensräume, wo sie schwer beherrschbar sind.“

Der Waschbär ist ein Allesfresser. Weil er seine Pfoten wie Hände nutzen kann, hebt er Steine genauso wie Dachziegel hoch. Er öffnet Hasen- und plündert Hühnerställe. Am liebsten klettert er aber auf Bäume und holt sich den Nachwuchs der Singvögel oder räumt die Nistkästen aus.

Auf der Elbinsel Gauernitz bei Coswig haben die Problembären die Graureiher ausgerottet. An der Elbe gibt es kaum noch Möwen. Solche dramatischen Veränderungen in der Tierwelt hat der Döbelner Naturschützer Siegfried Reimer noch nicht beobachtet. „Eine solche Artenvielfalt haben wir nicht“, sagt der Döbelner. „Dass ganze Vogelkolonien verschwunden sind, habe ich noch nicht gehört.“ Der Altkreis sei mit 70 bis 80 Brutvogelarten eher artenarm. „Uns fehlen Teich- und Feuchtgebiete“, erklärt Reimer. Von den Problemen mit den Waschbären hat er nur gehört, weiß aber: „Wenn die sich einmal was ausgeguckt haben, räubern sie, bis nichts mehr da ist.“