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Was Zittau gegen den Klimawandel tun kann

Eine Studie sagt, was auf die Stadt, Landwirte und Firmenchefs zukommen könnte. Massen von Schädlingen zum Beispiel.

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Von Thomas Mielke

Der Klimawandel ist keine ferne Zukunft mehr. Wir stecken bereits mittendrin. Darin ist sich die weltweite Klimaforschergemeinde weitestgehend einig. Auch liegen inzwischen regionale Modelle vor, wie sich das Klima in den nächsten 80 Jahren sehr wahrscheinlich entwickeln wird. Nur, was bedeutet das für Städte und Gemeinden? „Eine Beantwortung dieser Frage ist von großer Bedeutung für die Stadtverwaltung, da für eine sich verändernde Umwelt auch veränderte kommunale Dienstleistungen angeboten oder bauliche Planungen angepasst werden müssen“, teilt Rathaussprecher Kai Grebasch mit. Deshalb hat die Stadt laut Mareen Jockusch, Zittauer Energiebeauftragte, eine Studie in Auftrag gegeben und finanziert. Die relevanten Klimadaten zusammengetragen und die Fragen zur Anpassung beantwortet hat Sylvia Gleißner, Diplom-Ingenieurin für Ökologie und Umweltschutz und Inhaberin des in Zittau ansässigen Aktionsbüros Nachhaltigkeit. „Bei der Klimaanpassung geht es darum, sich selbst, hier vor Ort, durch vorausschauendes Planen und Handeln vor kommenden klimatischen Gegebenheiten zu schützen, die wir mittlerweile in den letzten Jahren schon zu spüren bekommen haben“, schreibt sie der SZ. Das sind einige ihrer Erkenntnisse und Empfehlungen:

Sylvia Gleißner
Sylvia Gleißner © PR

Klima: Es wird wärmer,

aber nicht trockener

Die Durchschnittstemperatur wird in den nächsten 100 Jahren um zwei bis drei Grad steigen. Das geht aus einer Berechnung des Sächsischen Umweltministeriums hervor. Dadurch „wird sich der Beginn von Frühjahr, Sommer und Herbst deutlich nach vorne verschieben“, schreibt Gleißner in ihrer Studie. „Während sich der Herbst verlängert, nimmt die Länge der Winter ab.“ Im Winter wird es so warm, dass die Zahl der Tage mit Frost von derzeit reichlich 100 auf etwa ein Viertel sinkt. Im Sommer wird die Zahl der Tage mit Gluthitze deutlich steigen. Im Gegensatz zu anderen Gebieten – wie zum Beispiel der nördlichen Oberlausitz – rechnen die Klimaforscher für Zittau und das Gebirge aber nicht damit, dass es deutlich trockener wird. Dafür verschiebt sich die Verteilung des Niederschlags: Die Sommer werden deutlich trockener. Die Winter sind nasser. Es fällt aber vor allem Regen, kaum Schnee.

Extrem-Wetter: Hitzewellen

und Dürren kommen

Sicher sind sich die Forscher, dass die Zahl der Wetterextreme steigen wird. Uneins sind sie sich, welche das sein und wie sie sich auswirken werden. Viele sagen voraus, dass es häufiger sintflutartige Regenfälle geben wird. Allerdings gibt es dazu noch keine gesicherten Erkenntnisse für die Oberlausitz. Aber: „Aus stadtplanerischer Sicht und zum Schutze der Bevölkerung, des historischen Gutes und der Sachwerte ist es erforderlich, dass ein Auftreten zukünftiger Hochwasserereignisse auf gar keinen Fall ausgeschlossen wird“, warnt Gleißner. Diese können im Gegenteil sogar in der Häufigkeit und Intensität die bisherigen überschreiten. Sicherer ist, dass Dürren und Hitzewellen häufiger auftreten. „Jedoch wird wegen der Nähe zum Gebirge die Intensität und Ausprägung der Tageshöchsttemperaturen für die Stadt Zittau im Vergleich zum Oberlausitzer Flachland gemäßigter ausfallen“, so Gleißner.

Gesundheit: Versiegelung minimieren, um Hitzestress zu vermeiden

Die Hitze wird den Zittauern große Probleme machen. „So wird festgestellt, dass gerade ältere Menschen zunehmend an Hitzestress leiden oder die Allergien aufgrund stärkeren und längeren Pollenflugs zunehmen“, hat Rathaussprecher Grebasch aus der Studie herausgelesen. Auch die Zahl der Herz-Kreislauf-Kranken und die Sterblichkeitsrate alter Menschen steigen bei zunehmender Wärme. Erschwerend kommt hinzu, dass gerade die Zahl der älteren Zittauer einen neuen Höchststand erreicht. Also muss die Stadt handeln. Möglichkeiten, dem Hitzestress entgegenzuwirken, sind zum Beispiel: Wege und Straßen mit Belegen zu versehen, die nicht so viel Wärme aufnehmen, große versiegelte Fläche zu durchbrechen und zu minimieren, Dächer zu begrünen, mehr Bäume an Straßen zu pflanzen, weitere Wasserflächen und Wiesen anzulegen, verbaute Kaltluftschneisen wieder zu öffnen und das Design von Gebäude auf große Wärme umzustellen. Außerdem empfiehlt Gleißner, dass die Stadt ein Hitzewarnsystem, insbesondere für Kindertagesstätten, Senioren-Wohnanlagen und andere Pflegeeinrichtungen installiert. Darüber hinaus hat sie viele Punkte für den Fall von Hochwassern aufgelistet, zum Beispiel, wenn Menschen zu ertrinken oder zu unterkühlen drohen.

Stadtkasse: Enorme Kosten

kommen auf Zittau zu

Neben den Vorsorgekosten für die Gesundheit der Zittauer kommen auf die Stadtkasse auch in anderen Bereichen enorme Ausgaben zu. So werden sich zum Beispiel die Energiekosten vervielfachen. Schließlich sollten Kitas, Schulen, Rathäuser und anderen stadteigene Immobilien baulich oder durch Anlagen klimatisiert werden. „Dem gegenüber stehen zwar Heizkosteneinsparungen durch eine prognostizierte Abnahme von Heiztagen, jedoch sind lang andauernde Winter nicht auszuschließen“, so die Fachfrau. Da sich die zunehmende Temperatur- und Strahlungsbelastung auf Leitungen und Straßen auswirkt, muss die Verwaltung mit höheren Reparaturkosten rechnen; genau wie nach häufiger auftretenden Schäden durch starke Niederschläge, Hochwasser oder Schlammfluten. Das bedeutet auch, dass die Stadt mehr Geld für Versicherungsbeiträge planen muss. Zudem könnten die Personalkosten „aufgrund von hitzebedingten Ausfällen und einem steigenden Bedarf an Einsatzkräften bei Extremwetterereignissen“ durch die Decke gehen. Ganz zu schweigen von Gleißners Vorsorgekatalog, der insgesamt über 60 Maßnahmen zur Abwehr der Folgen des Klimawandels enthält.

Industrie/Gewerbe: Firmenstandorte genau aussuchen

Viele Firmen in und um Zittau kennen das Horrorszenario noch von 2010: Die Arbeitsräume und Lagerhallen sind überflutet, Anlagen, Technik und Produkte zerstört, die Straßen, auf denen die Mitarbeiter kommen und die Erzeugnisse wegtransportiert werden, kaputt ... Deshalb wird es für die Unternehmer immer wichtiger, sich den Standort ihrer Firma anzusehen.

Landwirtschaft: Schädlingsbekämpfung erreicht neue Dimensionen

Die große Trockenheit wird zu Ernteausfällen in der Landwirtschaft führen. Durch die milden Winter können sich Schädlinge massenhaft vermehren. Selbst solche, die heute noch gar keine Rolle spielen. Zumal die Pflanzen in manchen Zeiträumen besonders geschwächt sind. Extremer Regen und Hagel werden den Mutterboden wegspülen und manche Ernte vernichten.

Tourismus: Klima rückt stärker in den Fokus der Denkmalschützer

Hitze und starke Niederschläge werden wohl zunehmend die historische Altstadt Zittaus zerstören. „Durch die Schäden an Gebäuden und Denkmälern leidet die Attraktivität für den Tourismus und steigen die Kosten für die Instandhaltung“, schreibt Gleißner. „Der Einfluss durch Hitze und Strahlung auf die Bausubstanz von Denkmälern rückt zunehmend in den Fokus des Denkmalschutzes, ist aber noch nicht hinreichend untersucht.“ Im Auge behalten müssen Anbieter und die Stadt auch die touristische Infrastruktur an Mandau und Neiße. Was 2010 mit dem Tierpark passiert ist, weiß jeder Zittauer.

Chancen: Vegetationszeit wird länger, neue Tourismusangebote sind möglich

Der Klimawandel und die Anpassung daran bergen nicht nur Risiken. Das betont Gleißner in ihrer Studien und gegenüber der SZ auch. So verlängert sich durch die steigende Temperatur zum Beispiel die Vegetationsperiode, sodass Landwirte profitieren können. Durch das Fachwissen der Hochschule mit ihrer Energie-Spezialisierung könnte Zittau zum Vorreiter bei der Entwicklung von Klima-Technologien werden und neue Arbeitsplätze schaffen. Von überflüssigem Beton befreite und begrünte Stadtteile erhöhen die Lebensqualität. Und durch die Mischung aus Kultur-, Architekturangeboten und der Nähe von Gebirge und vielen Bademöglichkeiten lassen sich neue Touristenströme erschließen. Auf ein Wort