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Was wird aus den DDR-Garagen?

In Pulsnitz gibt‘s Knatsch um die Pacht. Neue Verträge sollen Klarheit bringen.

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© René Plaul

Von Reiner Hanke

Pulsnitz. Zu DDR-Zeiten war eine Garage goldwert. In der Gemeinschaft schufteten und schwitzten die künftigen Besitzer vielmals beim Bau der begehrten Herbergen für den Trabi oder Wartburg. Denn die sollten ja möglichst lange rollen ohne wegzurosten. In Pulsnitz gibt es über 600 solcher Garagen. Das ist vergleichsweise viel. In Großröhrsdorf sind es unter 200. Die größten Pulsnitzer Standorte befinden sich an der Straße des Friedens, Mittelbacher Straße und an der Mittelmühle. Begehrt sind die Garagen nach wie vor, obgleich nicht mehr unbedingt für den fahrbaren Untersatz. Mancher nutzt sie als Lager oder wie Harry Mende als Werkstatt, denn das Auto passe nicht mehr rein. Für 4 000 Ostmark habe er die Garage damals gekauft. Gegenüber hat die Polizei das Tor versiegelt. Dort wurde wohl Diebesgut sichergestellt, erzählt er. Vor manchen Toren wächst das Unkraut kniehoch. Dort drüben zum Beispiel, sagt Mende, da habe ich noch nie jemanden gesehen.

Ein paar Tore weiter wuchtet ein älterer Herr das Garagentor nach oben. Seinen Opel hat er hier untergestellt und kann sich noch genau erinnern, wie er damals selbst mit an den Garagen gebaut hat: „200 Stunden mussten wir leisten.“ Dazu noch 2000 Mark fürs Material. „Die Garagen wurden am Ende verlost.“ Ist nun alles futsch? Der Umgang mit den DDR-Garagen sorgt auch immer wieder für Knatsch. In Erinnerung ist noch die Debatte in Großröhrsdorf, als 19 Garagen für ein Bauprojekt abgerissen wurden.

Zahlungsmoral bei Garagenmieter sinkt

Zu DDR-Zeiten war der Grund- und Boden Eigentum des Volkes, die Garage in der Regel Eigentum des Nutzers. Mit der politischen Wende „habe sich das verändert“, so Frank Heiduschka, der Pulsnitzer Fachbereichsleiter für Bau. Grundlage ist das sogenannte Schuldenrechtanpassungsgesetz. 2007 wurde es noch einmal verschärft. In Pulsnitz habe die Stadt aber gleich nach 1990 begonnen, neue Verträge abzuschließen. Die Standorte fielen quasi in kommunale Hand und alles, was wie die Garagen fest mit dem Boden verbunden ist, gleich mit. Dennoch bahnt sich jetzt Ärger an. So würden aus den vergangenen 25 Jahren zig verschiedene Vertragsfassungen herumschwirren. Außerdem lässt offenbar die Zahlungsmoral nach. Immer mehr Garagenmieter weigern sich bestimmte Posten zu begleichen. Dabei geht es um die Grundsteuer, die getrennt von der Pacht erhoben werde. Die liegt fürs Jahr bei durchschnittlich 70 Euro. Die schlichte Begründung lautet: Für etwas, dass nicht mein Eigentum ist, könne die Steuer auch nicht eingetrieben werden. Es gebe auch Pächter, die gar nicht zahlen. Frank Heiduschka versichert: „Ich habe Verständnis für die Leute, die ihre Garage selbst gebaut und sich nun enteignet fühlen.“ Er sehe das persönlich auch kritisch. Aber es sei das Gesetz.

Stadt hat Probleme, die wirklichen Nutzer zu ermitteln

Und so wolle die Stadt nun Ordnung in das Garagen-Wirrwarr bringen und neue Verträge abschließen. In denen sollen auch solche Nebenkosten wie Grundsteuer und Versicherung berücksichtigt werden. Doch das ist gar nicht so leicht. Weil Garagen über die Jahre weiterverkauft wurden, sei es für die Stadt momentan in etlichen Fällen schwierig gewesen, den wirklichen Nutzer zu ermitteln. In einem ersten Schritt sollen nun alle Garagenmieter angeschrieben und über die rechtliche Situation informiert werden. Damit alles wasserdicht ist, wurde sogar ein Gutachten in Auftrag gegeben. So mancher Pächter befürchtet nun, dass die Preise steigen könnten. Das sei nicht beabsichtigt, so Heiduschka. Er schließt es aber auch nicht völlig aus. Doch in erster Linie wolle die Stadt klare Verhältnisse.

Außerdem prüfe die Stadt, welche Standorte sie eventuell abgeben könnte. So habe die Stadt zwar Einnahmen, müsse die Stadtorte dann aber auch pflegen und investieren, wenn Dächer und Tore defekt sind oder der Beton bröckelt. Baufachmann Heiduschka rechnet mit einem Sanierungsstau. So sei jetzt auch zu prüfen, welche Werte überhaupt vorhanden sind, bevor verkauft werden könne. Letztlich laufe es auf eine Wirtschaftlichkeitsrechnung hinaus: „Wir erzielen ja auch Einnahmen.“ Es kommt noch eine weitere Frage hinzu. Werden überhaupt alle Standorte erhalten? Im Stadtentwicklungskonzept hatten externe Planer den Standort Mittelmühle perspektivisch als Wohnbaufläche empfohlen. Dazu sagt der Amtschef: „Wir werden natürlich beobachten, wie sich der Wohnungsmarkt entwickelt.“ Es gebe aber derzeit keine solchen Pläne. Gerade an der Mittelmühle sei zudem der Untergrund schwierig.

Das weiß auch der Rentner und zeigt Risse in der Garagenwand: „Hier war ein Teich.“ Die Gebäude senken sich. Er glaube nicht an einen Wohnungsbau hier, sagt er und düst mit seinem Opel davon.