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Was soll die Synagoge einmal sein?

Bald ist das Gotteshaus in der Otto-Müller-Straße in Görlitz fertig saniert.Wofür es genutzt werden soll, wurde am Dienstag diskutiert.

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© Pawel Sosnowski

Von Daniela Pfeiffer

Kulturforum Görlitzer Synagoge. So könnte die Görlitzer Synagoge einmal genannt werden, wenn sie – fertig saniert – wieder offen steht. Das jedenfalls ist der Vorschlag von Oberbürgermeister Siegfried Deinege. Sie könnte aber auch nur Forum Görlitzer Synagoge heißen. Das seien bislang alles Arbeitstitel, sagte Bürgermeister Michael Wieler am Dienstagabend in der Synagoge. Hierher hatte sich der Aktionskreis für Görlitz drei Gäste eingeladen, die mit der Zukunft der 1911 erbauten Synagoge viel zu tun haben. Rund 60 Zuschauer folgten der Einladung ebenfalls, viele diskutierten mit.

Nah dranbleiben an jüdischer Geschichte, an jüdischem Leben – oder Veranstaltungen auf breiter Themenbasis zulassen? Auch diese Frage diskutierten am Dienstagabend: der Görlitzer Bürgermeister Michael Wieler ...
Nah dranbleiben an jüdischer Geschichte, an jüdischem Leben – oder Veranstaltungen auf breiter Themenbasis zulassen? Auch diese Frage diskutierten am Dienstagabend: der Görlitzer Bürgermeister Michael Wieler ... © Pawel Sosnowski
... Nora Goldenbogen von der Jüdischen Gemeinde in Dresden ...
... Nora Goldenbogen von der Jüdischen Gemeinde in Dresden ... © Pawel Sosnowski
... sowie Markus Bauer, vom Förderkreis Synagoge.
... sowie Markus Bauer, vom Förderkreis Synagoge. © Pawel Sosnowski

Dass das Gotteshaus in der Otto-Müller-Straße nach wie vor ein sehr berührender Ort ist, wurde auch daran deutlich, dass die Worte, die ein älterer Herr sagte, diesen selbst zu Tränen rührten. Er sprach von seiner tiefen Dankbarkeit für die Sanierung – auch in Erinnerung an seine eigene Heimatsynagoge vor vielen Jahren. Von einem Glück, einem Monument von nationaler Bedeutung sprach Rainer Müller vom Aktionskreis. Aber auch davon, dass sich die Stadt schwertue, sich diesem Glück würdig zu erweisen. „Es ist ein schwieriges Erbe, an dem historische Verantwortung hängt“, so Müller.

Doch wie genau muss die nun aussehen, auf wessen Schultern lastet sie? Was ist die Zukunft der Synagoge, wenn sie in einigen Monaten fertig saniert ist? Die Stadtverwaltung hat dazu nun ein Konzept erstellt. Höchste Zeit, wie etwa Markus Bauer findet, Direktor des Schlesischen Museums und gleichzeitig Vorsitzender des Förderkreises Synagoge. Seit Jahren schon nutzt der Verein das Haus für Veranstaltungen, für Führungen. Gern soll es mehr werden, zumal man im Moment durch die Sanierung „nichts zu tun“ habe, wie Bauer sagte. Veranstaltungen von hoher Qualität wünscht sich Bauer für die Zukunft, nichts dürfe da dem Zufall überlassen werden. Beim städtischen Konzept, das ein breites Veranstaltungsspektrum vorschlägt – und für das Organisatorische die Städtische Kulturservice GmbH einsetzen will – sieht Bauer noch Schwachpunkte. Ohnehin sei er verärgert, dass so viele Jahre vergangen sind, ohne dass man vorangekommen sei in der Frage der Nutzung. Und nun sei sein Eindruck von Wielers Konzept: „Es steht vieles darin, was wir mittragen. Aber es gibt offenbar möglichst wenig Hürden, damit möglichst viele zahlungskräftige Kunden kommen.“

Michael Wieler räumte ein, dass es durchaus einen wirtschaftlichen Druck gebe. Als Bürgermeister müsse er natürlich im Interesse der Stadt handeln – unter Berücksichtigung der Haushaltslage. Und da sei der Entscheidungsrahmen begrenzt. Was genau die Stadt für die Betreibung der Synagoge an Kosten einplanen muss, wisse man noch nicht genau. „Die Berechnungen dazu laufen zurzeit“, sagte Michael Wieler. „Ich hoffe, dass wir einen guten Teil erwirtschaften können.“ Er glaube aber definitiv nicht an eine schwarze Null, da werde die Stadt jährlich einen Zuschuss zahlen müssen. Wobei es Stadträte gebe, die sagen, das Haus müsse sich von selbst tragen. Das letzte Wort über das städtische Konzept wird ohnehin der Stadtrat haben.

Das war manchem im Publikum viel zu viel Gerede über Geld. „Es muss ja nicht alles Geld bringen, das ist nicht im Sinne dessen, wofür das Gebäude einmal erbaut wurde“, so ein Gast. Aber was ist dann im Sinne dessen? Auch darüber wurde lange gesprochen. Nora Goldenbogen, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Dresden, sagte: „Dem Geist dieses Ortes soll die Zukunft gerecht werden.“ Das könnte auf vielfältige Weise geschehen. In erster Linie dadurch, dass Juden hier wieder beten können: in der Wochentagssynagoge – dem kleinen Raum hinter dem Kuppelsaal, wo es in Zukunft wieder Thoraschrein, entsprechendes Mobilar, das ewige Licht und Thorarollen geben wird. All dies sind Dinge, die eine Synagoge wieder zu einer Synagoge machen. Die Jüdische Gemeinde Dresden sei bereit, regelmäßig Gottesdienste hier durchzuführen. Ihr Rabbiner werde dazu extra nach Görlitz kommen – vorausgesetzt, es kommen genug jüdische Menschen zum Gebet zusammen. Außerdem gebe es noch „ganz viele andere Möglichkeiten hier“, so Goldenbogen. Ökumenische Gottesdienste etwa, so wie sie auch in der Dresdner Synagoge stattfinden, oder Veranstaltungen zum jüdischen Thema. „Auch über die religiösen Themen hinaus, kann dieses Haus gut gefüllt werden“, sagte sie. Vor allem in politisch aufgeregten Zeiten wie diesen, könnten Veranstaltungen um politische Themen – und zwar genau in der Görlitzer Synagoge – „ein wahnsinnig gutes Symbol sein. Eine Riesenchance für Sachsen.“

Zudem empfahl Goldenbogen unbedingt, einen Beirat zu gründen, der den Kern der Verantwortung trägt – so, wie ihn Museen oder Institutionen haben. Besetzt mit Mitgliedern aus unterschiedlichen Bereichen. Er soll den unabhängigen Blick auf die Breite der Veranstaltungen zu haben, die in der Synagoge stattfinden. Sowohl Markus Bauer als auch Michael Wieler gefiel die Idee, der Bürgermeister sicherte zu, sie in das Konzept aufzunehmen.

Vielen Gästen, die sich zu Wort meldeten, ging es darum, den Geist des Hauses zu bewahren, aber gleichzeitig die öffentlichen Interessen zu berücksichtigen. Ob die Stadtverwaltung das kann, bezweifelte eine Besucherin. Sie schlug vor, die Betreibung an den Förderkreis Synagoge abzugeben, dieser müsse entsprechend mit Mitteln ausgestattet werden, um die Aufgabe stemmen zu können. Ein anderer hieß das städtische Konzept „gut, aber noch nicht ganz ausgereift“.