Merken

Was sich junge Deutsche und Russen zu sagen haben

Auf der Young Leaders Konferenz in Dresden wird über Vorurteile, Sanktionen und alte Rollenbilder diskutiert.

Teilen
Folgen
NEU!

Nora Miethke

Viele junge Westdeutsche wie der Hamburger Christoph von Oldenburg sind aufgewachsen mit der Nähe zu Amerika. Die Bundesrepublik Deutschland und die USA sind Verbündete, mit den Eltern flog man dorthin in Urlaub, es gibt zahlreiche Austauschprogramme für Schüler und Studenten. Zu Russland gab es das nicht. In der Georgienkrise im Sommer 2008 wurde dem studierten Chemiker bewusst, wie wenig er über die andere Weltmacht wusste, das er keine Ahnung hatte, wie junge Russen in seinem Alter lebten. Das wollte er ändern. Mit Nico Raabe, einem jungen Unternehmensberater von McKinsey, gründete von Oldenburg 2009 den Verein „Deutschland-Russland – die neue Generation“. Der Verein organisiert seitdem ehrenamtlich jedes Jahr die „Deutsch-russische Young Leaders Konferenz“. Ziel ist es, künftige Entscheidungsträger beider Länder zusammenzubringen, die noch keinen Bezug und Erfahrungen zur anderen Seite haben. Die 8. Konferenz findet seit Donnerstagabend in Dresden statt unter Schirmherrschaft von Sachsens Ministerpräsident Tillich.

„Uns war es wichtig, dass die Konferenz dieses Jahr in den neuen Bundesländern stattfindet. Dresden wurde von früheren Teilnehmern vorgeschlagen“, sagt von Oldenburg. Jeweils 100 Deutsche und Russen im Alter zwischen 25 und 40 Jahren aus den unterschiedlichsten Bereichen – Firmengründer sind dabei wie Beamte in Ministerien oder eine Mitarbeiterin der Tretjakow-Galerie – diskutieren bis Sonntag in Workshops und Plenardebatten.

Die Themenpalette ist breit gefächert. Sie reicht vom vernetzten Fahren, über Geschlechter- und Rollenbilder bis hin zu kritischen Fragen wie dem Syrienkrieg, den Auswirkungen der Sanktionspolitik und dem Umgang mit Medien und Propaganda. Es gelten die Chatham House Rules, das heißt, Teilnehmer dürfen nicht zitiert werden. Damit soll die Atmosphäre für eine offene und ehrliche Diskussion geschaffen werden, die manchmal auch hitzig werden kann. „Wie etwa 2012 nach dem Urteil gegen die Punkband Pussy Riot. Da ist es sehr laut geworden. Aber Leidenschaft und lebhafter Austausch gehören dazu“, sagt Ivonne Bollow, mitverantwortlich für das Programm der Konferenz und hauptberuflich Leiterin für Osteuropa und internationale Angelegenheiten im Bereich Public Policy bei der Metro AG. Die Vielfalt der Themen helfe dabei, dass man sich nach einem harten Schlagabtausch wieder versöhnlich begegnen kann.

Von Oldenburg hat den Workshop „Triumph der politischen Korrektheit – können wir überhaupt noch reden?“ vorbereitet. „Mich interessiert, wie politische Korrektheit bei uns und in Russland wahrgenommen wird und wie sie den Wandel der der öffentlichen Meinung zu Nationalismus und Rassismus, Religion und Familienwerten beeinflusst“, betont der 30-Jährige.

Ziel der Konferenz ist es, vor allem Vertrauen aufzubauen. „Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sollen nicht einfach mit einer Handvoll Visitenkarten nach Hause fahren. Sie sollen nachhaltige Eindrücke und neue Einsichten in das jeweils andere Land gewonnen haben – verbunden mit Gesichtern, mit denen sie eine gute Zeit und spannende Gespräche erlebten“, so von Oldenburg. Es gehe um besseres Verständnis, nicht darum, neue Russland- oder Deutschlandexperten auszubilden.

In der Politik und in der Wirtschaft rennt von Oldenburg mit seinen Konferenzen offene Türen ein. Auf der Sponsorenliste stehen unter anderem Porsche, Verbundnetz Gas AG und Gazprom. Und im Dialog mit Ministerien und politischen Stiftungen bekommen die Organisatoren immer wieder zu hören: „Unabhängig davon, wie man zur jetzigen politischen Situation steht. Dass, was ihr macht, muss weiter stattfinden – und zwar Austausch“. Dieser Aufforderung kommen Christoph von Oldenburg und Ivonne Bollow mit Enthusiasmus nach.