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Was Sarahs Traumjob entgegensteht

Im Tierheim Bretnig-Hauswalde gibt es für Azubis nach der Lehre viel zu tun. Leider nicht in Vollbeschäftigung.

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© René Plaul

Von Constanze Knappe

Bretnig-Hauswalde. Streicheleinheiten. Mischlingsrüde Filip aus Polen, schon ein älteres Semester, und Sarah Wechler genießen die Momente. Der 21-Jährigen steht in diesen Tagen die Abschlussprüfung bevor. Seit 2012 erlernte sie im Tierheim Bretnig-Hauswalde den Beruf einer Tierpflegerin, mit der Spezialisierung Tierheim/Tierpension. In der Prüfung wird sie zum Beispiel Wissen und Können in der allgemeinen Tierhaltung, in der Rassenkunde, im Wesensverhalten und im Gesundheitsschutz für Tiere nachweisen müssen. Sie sei schon ein bisschen aufgeregt, sagt die Bautznerin. Und das, obwohl sie weiß, dass sie nach bestandener Prüfung übernommen wird.

Mit beinahe allem, was man als Haustier kennt, ist Sarah aufgewachsen. Als kleines Mädchen habe sie sogar mal Gänse von der Straße nach Hause getragen, erzählt sie lachend. Im Praktikum in einem anderen Tierheim festigte sich ihr Wunsch, Tierpflegerin zu werden. Dass es mit der Ausbildung in der Einrichtung des Tierschutzvereins Hoffnung für Tiere in Bretnig-Hauswalde klappte, sieht sie als Glücksfall. „Tolle Arbeit und tolles Team“, begründet sie kurzerhand. In der etwas längeren Version erzählt sie von der Rudelhaltung, die sie ausgesprochen spannend findet, und davon, wie in dem Tierheim um das Wohlergehen jedes einzelnen Tieres gekämpft werde. Auch um Hunde wie Kira, die aus Rumänien stammt. Per Gesetz ist dort seit 2013 die Tötung von Straßenhunden erlaubt. Deutsche Tierschutzvereine helfen so gut sie können. Für den in Bretnig-Hauswalde hat das oberste Priorität. Auch das hat Sarah Wechler schon anders erlebt.

Traurige Schicksale, die berühren

Sie freut sich über die Zusage für einen festen Job in ihrem Traumberuf. 32 Stunden pro Woche. Um über die Runden zu kommen, wird sie einen Nebenjob brauchen. Und dennoch möchte sie nirgendwo anders hin. Fünf weitere Tierpfleger, einen Hausmeister und Bürokauffrau Angela Rogalli beschäftigt der Verein. Zwischen jeweils 15 und 37 Stunden pro Woche. „Der Mindestlohn war für uns ein Genickbruch“, sagt sie. Ein Defizit von 1 500 Euro stand jeden Monat zu Buche. Daraufhin startete der Verein auf seiner Homepage die „Aktion Mindestlohn“, um zusätzliche Spenden zu sammeln. Doch immer noch fehlen 800 Euro pro Monat. Für alle Mitarbeiter wurde die Stundenzahl reduziert. Auch deshalb kann Sarah nicht voll beschäftigt werden. Dass sie überhaupt bleiben darf, ist dem Umstand zu verdanken, dass eine andere Mitarbeiterin weggezogen ist. Die fleißige Noch-Azubine ist der letzte Lehrling im Tierheim. Aus gesundheitlichen Gründen steht die Ausbilderin nicht mehr zur Verfügung. Wegen der katastrophalen Personalsituation, wie es Angela Rogalli als Schatzmeisterin des Vereins nennt, und der verkürzten Arbeitszeit musste das Schichtsystem komplett umgebaut werden. Deshalb kommt der Tierschutzverein nicht umhin, den Bestand an Hunden dauerhaft von 40 auf 25 zu reduzieren. Ob das Tierheim auch weiterhin vier Katzenhäuser verkraftet, sprich die Mitarbeiter die Arbeit schaffen, ist noch nicht entschieden. Deshalb hoffen sie, dass Sorgenkind Dolly bestmöglich vermittelt wird. Deren Besitzerin konnte die Katze nicht mit ins Pflegeheim nehmen. Seither leidet das Tier an Trennungsschmerz, frisst kaum noch und muss mühsam aufgepäppelt werden.

„Schicksale wie dieses berühren“, sagt Sarah Wechler. Oder jenes, als beim Röntgen zufällig mehrere Schrotkugeln im Körper eines Hundes entdeckt werden. Wen so etwas kalt lässt, der sei fehl in dem Beruf, so die angehende Tierpflegerin. Man lerne aber, damit umzugehen. Sehr gute Erfahrungen hat der Tierschutzverein in seiner Kooperation mit der Smeura, dem weltgrößten Tierheim, gemacht. Die Hunde von dort sind rudelverträglich, dankbar – und vermittelbar. Ein persönlicher Kontakt besteht seit Längerem zu einem Tierheim im polnischen Dluzyna Gorna. Auch von dort wurden schon Hunde geholt.

Fremde bringen Unruhe in die Rudel

Bei Katzen sind die Aufnahmewünsche viel größer als es das Tierheim bewältigen kann. Normalerweise sind die Kommunen für die Kosten der Unterbringung herrenloser Tiere zuständig. Sie geben zwar die Aufgabe an die Tierheime ab, doch was die Übernahme der Kosten angeht, „da halten sich die meisten einfach raus“. Als gute Beispiele nennt Angela Rogalli die Städte Pulsnitz und Königsbrück. Immer wieder mal gibt es Probleme mit der Abgabe von Fundtieren aus privater Hand. Trotz der gegenteiligen Auffassung vieler Menschen ist das nicht kostenlos möglich. Die Gebühr von 60 Euro für die Abgabe einer Katze reiche nicht einmal für Kastration, Impfung und Futter, geschweige denn für eine längere Unterbringung.

Trotz der angespannten Personalsituation verzichtet das Tierheim auf die Mitarbeit ehrenamtlicher Helfer. Das habe sich einfach nicht bewährt, sagt Angela Rogalli. Fremde bringen eine gewisse Unruhe in die Rudel, die an sich sehr sensible Gebilde sind. Das führt zu Stress bei den Hunden, was mit Rücksicht auf die Tiere und die strengen Lärmschutzauflagen unbedingt vermieden werden soll.

Für eine gewisse Entlastung sorgte bislang der Bundesfreiwilligendienst. Für Marion Mihan endete am Montag die Zeit im Tierheim. Gern würde der Verein jemand Neues beschäftigen. Es gab einige Bewerber, doch die waren allesamt nicht geeignet. Viel Geld verdienen kann man bei einem monatlichen Taschengeld von 175 Euro bei 30 Wochenstunden nicht. Vielmehr ist Idealismus gefragt. Das Taschengeld wird nicht auf Hartz IV angerechnet. Es gibt auch keine Altersbegrenzung. Träger des Freiwilligendienstes für das Tierheim ist der Naturschutzbund NABU. Deshalb können Bufdis für die Grundstückspflege eingesetzt werden, sich zum Beispiel um Bäume, Sträucher und Vogelkästen kümmern. Um all das, wofür den Mitarbeitern im Alltagsgeschäft keine Zeit bleibt. Sandra Kroll hat diese Aufgabe 2012 sehr ernst genommen. Auch sie durfte dank eines glücklichen Umstandes bleiben.

Wer sich für den Freiwilligendienst im Tierheim interessiert, melde sich per Mail unter [email protected]