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Was Rückkehrer in Libyen erwartet

Rund 13 500 Migranten wurden in diesem Jahr von der Küstenwache zurückgebracht. Sie kommen in staatliche Lager.

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© AFP

Von Almut Siefert, SZ-Korrespondentin in Rom

Die Sorgen von Menschenrechtsgruppen sind unbegründet: Die von der libyschen Küstenwache auf dem Mittelmeer geretteten Menschen werden in Libyen von der internationalen Organisation für Migration (IOM) betreut. Das versicherte Christine Petré, Sprecherin von IOM Libyen, gegenüber der SZ. In den vergangenen Tagen hatten Menschenrechtsorganisationen die neue Strategie von Italien und der Europäischen Union kritisiert. Die EU und die Regierung in Rom unterstützen die libysche Küstenwache technisch und logistisch, um die Menschen innerhalb libyscher Gewässer aufzugreifen und zurück in das nordafrikanische Land zu bringen. Kritiker befürchten, dass den Flüchtlingen bei der Rückkehr unzumutbare Zustände, Gewalt und Folter drohten. Diese Bedenken könnten an Gewicht verlieren, wenn durch die Aufsicht der IOM gewährleistet ist, dass es den Migranten in den Lagern verhältnismäßig gut geht. Bislang war nicht klar, was mit den Rückkehrern geschieht.

Seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi 2011 herrscht Chaos in dem nordafrikanischen Staat. Drei Regierungen kämpfen um die Macht. Als Verhandlungspartner für die EU gilt die international anerkannte Übergangsregierung von Fajis al-Sarradsch. „Die Einhaltung der Menschenrechte in diesem Land ist meine vorrangigste Sorge“, sagte der italienische Innenminister Marco Minniti. Daher sei die Einbeziehung internationaler Organisationen notwendig. „Nach Jahren ist die IOM nach Libyen zurückgekehrt und hat in diesem Jahr bereits bei 5 000 freiwilligen Rückführungen in die Heimatländer geholfen“, so Minniti. Auch das Uno-Hilfswerk UNHCR hat in diesem Jahr erstmals seit 1951 wieder internationale Mitarbeiter nach Libyen entsandt.

„Die Migranten werden von der Anlegestelle direkt in staatlich geführte Aufnahmezentren gebracht“, so Petré vom IOM. Davon gebe es etwa 29 in ganz Libyen. „IOM hat Zugang zu allen staatlich geführten Aufnahmezentren.“ Die Organisation stehe den dort inhaftierten Migranten mit humanitärer, medizinischer und psychologischer Hilfe zur Seite und unterstütze diejenigen, die in ihre Heimatländer zurückkehren wollen. „Wir setzen uns außerdem dafür ein, Alternativen für eine Inhaftierung herbeizuführen und dass die Schwächsten, vor allem Frauen und Kinder, freigelassen werden.“

Am Montag hatten sich in Paris die Staats- und Regierungschefs Frankreichs, Deutschlands, Italiens und Spaniens sowie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini zu einem Migrationsgipfel getroffen. Aus Afrika kamen die Präsidenten von Niger und Tschad sowie der Chef der international anerkannten Übergangsregierung Libyens. Damit weniger Menschen die Überfahrt über das Mittelmeer wagen, will Europa künftig enger mit afrikanischen Staaten zusammenarbeiten.

Seit Anfang des Jahres seien etwa 13 500 Migranten im Mittelmeer aufgegriffen und nach Libyen zurückgebracht worden, so Petré weiter. IOM sei auch bei deren Ankunft an libyschen Anlegestellen präsent und verfolge die meisten der Rettungsaktionen, um die Migranten registrieren zu können. Die Zahl der Migranten, die über das Mittelmeer nach Italien kommen, ist derweil in den vergangenen zwei Monaten drastisch zurückgegangen. Im Juli waren es 11 459 Menschen (Juli 2016: 23 552), im August nur noch 2 932 (August 2016: 21 294). Bis zum 27. August sind in diesem Jahr mit 98 282 etwa sieben Prozent weniger Migranten über das Meer nach Italien gekommen als im Vorjahreszeitraum.

Die Diskrepanz der Zahlen erklären sich Experten damit, dass weniger Boote in Libyen ablegen. Dem Libyen-Experten Mattia Toaldo zufolge soll es in der Stadt Sabratha seit einiger Zeit eine neue bewaffnete Gruppe geben, „die offenbar dafür sorgt, dass die Schmuggler nicht mehr ablegen“. Es gebe Hinweise darauf, dass ein in der Region mächtiger Milizen- und Schmuggelchef die Seiten gewechselt habe, so Toaldo.