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Was machen die Botschafter der Oberlausitz?

Vor fast 15 Jahren wurden die ersten ernannt, 2015 der vorerst letzte. Ihn und einen „alten Hasen“ fragte die SZ.

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© MDR/Marco Prosch

Ein Theaterabend in Berlin. In der Pause kommen im Foyer einige Besucher miteinander ins Gespräch. Sie reden über das, was sie auf der Bühne gesehen haben, und kommen dann auf Persönliches zu sprechen. Die einen sind aus Berlin, die anderen kommen von der Ostsee, zwei aus der Oberlausitz. Aus Berlin, toll. Woher denn von der Ostsee, und woher aus der Oberlausitz? Und was gibt’s dort so zu sehen? Ach – na das ist ja interessant! Im Nu ist aus der zwanglosen Unterhaltung ein Treffen von Botschaftern Berlins, der Ostsee und der Oberlausitz geworden. So gesehen, gibt es überall Hunderttausende Diplomaten.

Tony Jantschke aus Hoyerswerda spielte als Kind in seiner Heimatstadt Fußball, später lief er für Borea Dresden auf. 2006 wechselte er nach Mönchengladbach und gehört dort zu den dienstältesten Borussia-Profis.
Tony Jantschke aus Hoyerswerda spielte als Kind in seiner Heimatstadt Fußball, später lief er für Borea Dresden auf. 2006 wechselte er nach Mönchengladbach und gehört dort zu den dienstältesten Borussia-Profis. © dpa/Jan-Philipp Strobe

Dem Internet-Lexikon Wikipedia zufolge ist ein Botschafter der oberste Beauftragte eines Staates in einem anderen Land oder bei einer internationalen Organisation. Nun ist die Oberlausitz kein Staat. Aber der Marketing-Gesellschaft Oberlausitz-Niederschlesien mbH (MGO) ging es weder um oberste Beauftragte noch um Zehntausende Diplomaten, als sie 2003 erstmals ehrenamtliche Botschafter der Oberlausitz ernannte. Prominente sollten den Namen der Region nach außen tragen und für sie werben – darum ging und geht es. Hinzu kamen diverse Sagengestalten und historisch verbriefte Figuren, die praktisch zum Botschafter der Oberlausitz geboren sind.

Zu den Botschaftern der ersten Stunde gehören beispielsweise das singende Ehepaar Kathrin & Peter, Unternehmer Ernst Lieb, der Glaskalfaktor und Räuberhauptmann Karasek.

Das sind die anderen Botschafter der Oberlausitz

Personen

Kathrin & Peter, Künstler und Hotelbetreiber, Waltersdorf

René Sommerfeld, ehemaliger Wintersporter, Zittau (jetzt Oberwiesenthal)

Gesa Kluth, Wildbiologisches Wolfs-Büro Lupus, Rietschen

Ernst Lieb, Geschäftsführer MBN Maschinenbaubetriebe Neugersdorf GmbH

Karl-Heinz John, Gastwirt, Berggasthof Butterberg Bischofswerda

Maik Petzold, ehemaliger Triathlet, Bautzen

Carla und Michael Nicholson, Künstler, Bautzen

Oberlausitz-Figuren

Bautzener Türmerin (Maria Henke)

Glaskalfaktor Weißwasser (Verona Gröschner)

Wilthener Pumphut (Heiko Harig)

Schwarzer Müller (Dieter Klimek)

Krabat (Wolfgang Kraus)

Räuberhauptmann Karasek (Heiner Haschke)

Schäfer Jonas (Gert Linke)

Radebergs Bierkutscher Ernst (Michael Gregor)

Organisationen

Lausitzer Füchse, Eishockey-Zweitligist

Oppacher Mineralquellen

Sorbisches National-Ensemble

Spielmannszug Oberlichtenau

Verein Zittauer Fastentücher

Ehrenbotschafter

Jurij Brezan, sorbischer Schriftsteller (geboren 1916, gestorben 2006)

Nobuyuki Araki, ehemaliger Geschäftsführer, Toyota-Klimakompressorenwerk Straßgräbchen, nach Japan zurückgekehrt

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Auch MDR-Fernsehmoderator René Kindermann wurde 2003 zum Oberlausitz-Botschafter ernannt. Der Nieskyer war damals schon bekannt und ist es heute noch viel mehr. Als er Botschafter-Ehren erhielt, besuchte das 13-jährige Hoyerswerdaer Fußball-Talent Tony Jantschke ein Sportgymnasium in Dresden. Inzwischen spielt der Verteidiger für Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga und im Europapokal. Seit zwei Jahren gehört auch er zu den Botschaftern der Oberlausitz, er ist damit im doppelten Sinne der jüngste im Bunde.

Die SZ fragte René Kindermann und Tony Jantschke nach ihrem Alltag, ihren Erfolgen und Wünschen als Botschafter der Oberlausitz.

Macht es sich in Ihrem Alltag bemerkbar, Botschafter der Oberlausitz zu sein?

René Kindermann: Nicht so sehr. Der Alltag ist ja ziemlich ausgefüllt, da ist einem nicht ständig bewusst, ein ehrenamtlicher Botschafter der Oberlausitz zu sein. Aber wann und wo es sich anbietet, die Oberlausitz ins Gespräch zu bringen, mache ich das gerne.

Tony Jantschke: Im Alltag hält sich das schon in Grenzen, da ich ja den Großteil meiner Zeit in Mönchengladbach verbringe. Aber ich habe es immer im Hinterkopf, schließlich weiß ich, wo ich herkomme.

Ist das Botschafter-Dasein eine Lust oder eine Last?

René Kindermann: Auf jeden Fall eine Lust, wobei ich mir schon mehr Zusammenarbeit mit der regionalen Marketing-Gesellschaft wünschen würde. Ich möchte schon gern Kraft und Zeit in dieses Ehrenamt investieren, aber dazu hätte ich von den Marketing-Leuten gern ein paar Ideen.

Tony Jantschke: Es ist auf gar keinen Fall eine Last, sondern ich empfinde es als große Dankbarkeit gegenüber meiner Heimat. Jeder, der sich mit meiner Personalie beschäftigt, weiß, dass ich viele Projekte in meiner Heimat habe, wie zum Beispiel mein Fußball-Camp, das in jedem Sommer stattfindet. Ich habe aber auch verschiedene Immobilienprojekte und es gibt auch hin und wieder Spendenaktionen für Kindertagesstätten oder die Kooperation mit dem Klinikum in Hoyerswerda. Es gibt also sehr viele Bezugspunkte für mich in meiner Heimat und es ist mir auch eine große Freude, dass ich so ein bisschen was zurückgeben kann.

Haben Sie schon mal Info-Material über die Oberlausitz verteilt oder Kollegen hierher eingeladen?

René Kindermann: Natürlich. Als Kollegen der ARD-Sportschau mal eine Radtour geplant haben, wussten sie erst nicht so recht, wohin sie fahren sollten. Die Auswahl ist ja groß. Da habe ich ihnen die Oberlausitz empfohlen, und das haben sie dann auch gemacht. Anschließend waren sie richtig begeistert, ich glaube, die kommen wieder.

Tony Jantschke: Ich habe natürlich schon das ein oder andere Mal in der Kabine erwähnt, wo ich herkomme. Und wo meine Heimatstadt Hoyerswerda liegt, weiß jeder aus der Mannschaft. Trotzdem ist es natürlich schwer, einen meiner Mitspieler dorthin zu bekommen. Aber ich denke, dass ich Christofer Heimeroth (redaktionelle Anmerkung: Torhüter bei Borussia Mönchengladbach) irgendwann noch mal nach Hoyerswerda „schleifen“ werde. (lacht)

Wie oft schaffen Sie es, selbst nochmal in die Oberlausitz zu kommen?

René Kindermann: Einmal im Monat ist das Minimum.

Tony Jantschke: Ich fahre schon mindestens einmal im Monat in die Heimat. Sobald wir ein, zwei Tage frei haben, setze ich mich ins Auto oder ins Flugzeug. Wie gesagt, ich habe viele Projekte dort und es ist schon so, dass ich sehr heimatverbunden bin.

Haben Sie noch Freunde oder Verwandte in der Oberlausitz?

René Kindermann: Meine Eltern und viele Freunde wohnen nach wie vor in Niesky, dort zieht es mich schon immer wieder hin. Mal einfach so, mal zum Grillen, und ich will ja auch meinen Kindern meine alte Heimat zeigen.

Tony Jantschke: Fast meine gesamte Familie, aber auch nahezu mein kompletter Freundeskreis lebt in Hoyerswerda oder auch in Dresden. Deshalb bin ich der Region sehr verbunden und ich habe auch vor, irgendwann in die Region Dresden/Hoyerswerda, in meine Heimat zurückzukehren.

Aus den Antworten von René Kindermann und Tony Jantschke geht eines hervor: Was die Oberlausitz-Botschafter machen, ist nach ihrer Ernennung weitgehend ihnen selbst überlassen. Eine regelmäßige Abstimmung mit der Marketing-Gesellschaft Oberlausitz-Niederschlesien findet praktisch nicht statt. Das soll sich ändern, versichert MGO-Geschäftsführer Olaf Franke. Er will die Zusammenarbeit mit den Botschaftern auf eine neue Stufe heben. Näheres soll in Bälde feststehen, aber so viel ist schon jetzt klar: Die Botschafter der Oberlausitz sollen konkrete Aufgaben bekommen. Dem besseren Kennenlernen untereinander und mit der MGO dient ein in diesem Jahr geplantes Botschaftertreffen.

Aufmerksamen Lesern wird aufgefallen sein, dass seinerzeit einige Botschafter ernannt wurden, die jetzt nicht mehr auftauchen. Das stimmt. Einige haben von selbst ihre Botschafter-Ehre abgegeben, wie Heidi aus Schlesien wegen gesundheitlicher Probleme, die Radiomoderatoren Böttcher & Fischer wegen Wegzugs oder auch Wetterexperte Jörg Kachelmann, der sein Wetterstudio in Oderwitz geschlossen hat.