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Was für ein Theater!

Hannelore Umlauft und Moutlak Osman belebten die Freitaler Bühnen. Jetzt bekommen sie den Kultur- und Kunstpreis.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Thomas Morgenroth

Freital. Hätten Sie nicht Lust, in Freital die künstlerische Leitung eines Laientheaters zu übernehmen?“ So oder ähnlich lautete die Frage, die eine junge Lehrerin aus Tharandt im Frühjahr 1973 dem Regieassistenten bei einer Probe zu Brechts „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ im Staatsschauspiel Dresden stellte. Moutlak Osman schaute Hannelore Umlauft, die dort mit der Interessengemeinschaft Schauspiel zu Besuch war, verblüfft an. „Ich hatte nie zuvor von Freital gehört“, erinnert er sich, „ich war ja erst ein paar Wochen vorher in Dresden angekommen.“

Das war vor 40 Jahren: Hannelore Umlauft und Moutlak Osman gemeinsam auf der Bühne.
Das war vor 40 Jahren: Hannelore Umlauft und Moutlak Osman gemeinsam auf der Bühne. © Spielbühne Freital

Für die Idee aber, ein Amateurtheater zu gründen, war Osman, der aus Haifa in Palästina stammt und später in Israels Hauptstadt Tel Aviv Schauspiel studierte, sofort zu haben. „Meine Wurzeln liegen im Amateurbereich, so habe ich selbst angefangen, sonst wäre ich jetzt vielleicht Jurist“, sagt Osman. So kam es im Herbst 1973 im Freitaler Kulturhaus mit elf Interessenten zur Gründung des Zentralen Laientheaters, das es als Spielbühne Freital bis heute gibt, seit 1990 als Verein.

Moutlak Osman, der 1994 aus der Spielbühne heraus das Dachtheater Freital gründete, und Hannelore Umlauft als Intendantin und Prinzipalin der Spielbühne, haben das Amateurtheater in Freital mehr als vierzig Jahre lang entscheidend geprägt. Und das auf einem hohen Niveau: Über einhundert Premieren erlebte die Stadt an der Weißeritz, mehrere Inszenierungen wurden ausgezeichnet. Etliche Profis begannen ihre Karrieren als Schauspieler, Regisseure oder Musiker in Freitals Amateurtheatern wie Uwe Steimle, Tom Quaas, Jörg Nassler, Till Wonka und Andreas Kuznick.

Auch der Regisseur Arne Retzlaff, der lange Jahre Schauspieldirektor bei den Landesbühnen Sachsen war, gehört dazu. Seine erste Rolle hatte er 1976 als 15-Jähriger in Moutlak Osmans Stück „Das Apfelsinenbäumchen“, engagiert wurde er von Hannelore Umlauft, seiner Lehrerin. Ein Ereignis, das sein berufliches Leben prägte.

Daran erinnerte Retzlaff am Freitagabend beim Neujahrsempfang der Stadt Freital im großen Saal des Stadtkulturhauses. Dort, wo er mit dem Laientheater Freital einst den Grundstein für seine berufliche Laufbahn legte, stand der 57-Jährige erneut auf dem Podium. Retzlaff hielt die Laudatio auf die diesjährigen Preisträger des Kunst- und Kulturpreises der Stadt Freital: Hannelore Umlauft und Moutlak Osman. Es ist, wenn man so will, eine Auszeichnung für ihr Lebenswerk, dem sie freilich noch einiges hinzufügen wollen.

Obwohl beide in diesem Jahr achtzig Jahre alt werden, sind sie weiterhin aktiv. Während Hannelore Umlauft mit „König Drosselbart“ in der Spielbühne gerade eine gefeierte Inszenierung auf die Bühne gebracht hat, arbeitet Moutlak Osman mit der Jugendtheatergruppe Meißen an „Romeo und Julia – Reloaded“, einem Shakespeare-Klassiker, in der Fassung von Norbert Franck, im Mai ist die Premiere.

Von Freital allerdings hat sich Osman, der im Weißeritzgymnasium auch die Ganztagsangebote betreute, im vergangenen September verabschiedet. Das Dachtheater wird mangels Personal gerade aufgelöst. „Aus gesundheitlichen Gründen kann ich nicht mehr alles machen“, sagt Osman. Rückblickend aber bezeichnet er Freital als den „wichtigsten Punkt“ seines Lebens. Nicht nur, weil er in der Stadt um die sechzig Stücke erfolgreich inszeniert hat, darunter exakt 39 Märchen, sondern auch, weil er über das Laientheater die Liebe seines Lebens kennenlernte: Anne-Katrin, die Schwester Arne Retzlaffs. Mit ihr ist Osman seit 33 Jahren verheiratet.

Von Palästina nach Dresden



Moutlak Osman kam über Hamburg, Braunschweig. West- und Ostberlin sowie Zwickau 1973 nach Dresden. Bis 1992 war er beim Staatsschauspiel angestellt, seitdem arbeitet er freischaffend vor allem am Theater. Aber auch im Fernsehen und Kino war Osman zu sehen, in mehreren Folgen des Tatorts zum Beispiel oder an der Seite von Götz George in „Nichts als die Wahrheit“. Als Regisseur aber, betont Osman, arbeite er am liebsten mit Amateuren: „Mit denen kann ich mich ganz normal unterhalten, die spielen, weil es ihnen Spaß macht und nicht, um sich zu profilieren.“

Das kann Hannelore Umlauft, die 1945 als sudetendeutsche Umsiedlerin von Teplitz nach Freital kam, ganz dick unterstreichen. Ihre erste Rolle hatte sie in der ersten Klasse an der Pestalozzi-Schule als jüngste Tochter des Geigers Rotkopf Görg im gleichnamigen Stück von Otto Roth. 1991 spielte Hannelore Umlauft mit der Spielbühne noch einmal in einem Roth’schen Stück mit: In der „Glücksuhr“ gab sie im Stadtkulturhaus Freital die Winselmutter, es ist eine ihrer liebsten Rollen bis heute. Regie führte Moutlak Osman.

Beinahe wäre das Theater auch Hannelore Umlaufts Beruf geworden. Weil sie es sich aber nicht vorstellen konnte, auf der Bühne einen fremden Mann zu küssen, wurde sie Lehrerin. Sie studierte in Leipzig, unterrichtete dann in Tharandt und Freital Russisch, Deutsch, Geschichte, Spanisch und Ethik. Bereut hat sie das nie. Im Gegenteil: „Ich war sehr gerne Lehrerin und konnte nebenher ganz ohne Zwang Theater spielen.“ Und selbst inszenieren: Mit der „Geschichte von der wundersamen Schustersfrau“, die Premiere war auf der Burgruine Tharandt, gab Hannelore Umlauft 1999 ihr Debüt als Regisseurin.

„Ohne sie würde es in Freital kein Amateurtheater geben“, sagt Moutlak Osman. Vielleicht ist es so, jedenfalls aber hatte Hannelore Umlauft ein gutes Gespür, als sie 1973 ausgerechnet den „Neuen“ im Staatsschauspiel fragte, ob er nicht eine Theatergruppe betreuen würde. 1974 brachte Moutlak Osman mit dem Laientheater das erste Stück auf die Bühne, ein Märchen von den Brüdern Grimm: „Die Bremer Stadtmusikanten“. Auch Brecht machte er später, allerdings nicht den „Puntila“ wie einst in Dresden, sondern „Furcht und Elend des Dritten Reiches“.