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Was die Straßenmusiker jetzt fordern

Ab heute gelten die neuen Regelungen für Straßenkunst. Die Künstler stellen in der SZ erstmals ihren Gegenentwurf vor.

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© Patrick Johannsen

Von Jana Mundus

Die drei Musiker sind auf der Flucht. Gestern machte sich die Band Stilbruch auf den Weg nach Italien. Es ist der Beginn einer kleinen, aber unfreiwilligen Europatournee, die sie auch nach Österreich und in einige deutsche Städte wie Regensburg, Leipzig, Rostock oder Frankfurt am Main führen wird. Um Dresden, ihre Studien- und Heimatstadt, werden sie aber einen Bogen machen. Denn mit Inkrafttreten der neuen Regelungen für Straßenmusiker am heutigen Tag, kann die bekannte Band in der Innenstadt nicht mehr auftreten. Ein Schlagzeug, wie sie es brauchen, ist jetzt verboten. Bei der heutigen Demonstration für ein Abschaffen der Neuregelung sind sie zwar nicht dabei. Den Alternativvorschlag für den Umgang mit Straßenkunst, den die Künstler heute der Stadt vorlegen wollen, unterstützten die drei Musiker von Stilbruch aber trotzdem.

Die Demonstranten ziehen am Freitagnachnachmittag die Alaunstraße in der Äußeren Neustadt herunter.
Die Demonstranten ziehen am Freitagnachnachmittag die Alaunstraße in der Äußeren Neustadt herunter. © Jana Mundus

Mindestabstand und Rotation

Mehrere Dresdner Künstler haben sich in den vergangenen Tagen zusammengesetzt und einen eigenen Vorschlag für die Zukunft der Straßenkunst in der Stadt erarbeitet. Schon vor einiger Zeit hatten sie sich gewünscht, dass die Stadtverwaltung auf sie zukommt und ihre Vorschläge bei der Ausarbeitung einer Verordnung anhört. Weil das nicht passiert ist, wurden sie nun selbst aktiv. Denn gerade die Punkte, dass sie nur zweimal wöchentlich eine Genehmigung von der Stadt bekommen können und sonn- und feiertags gar nicht auftreten dürfen, stört sie massiv. „Wir haben eine Befragung unter den Künstlern durchgeführt, wie ihre Vorstellungen dazu sind“, erklärt Georg Gräßler, der regelmäßig als Jongleur und Seifenblasenkünstler in der Stadt auftritt. Zehn Personen arbeiteten dann den Entwurf aus, den sie heute erstmals vorstellen wollen.

So setzen sie sich beispielsweise für die Festlegung einer Lautstärke-Obergrenze ein, die Straßenmusik künftig haben soll. Damit soll Lärmbelästigung ausgeschlossen werden. „Wir sind außerdem dafür, dass zwischen den Künstlern ein Mindestabstand von 100 Metern eingehalten werden muss“, erklärt Gräßler weiter. Das von der Stadt vorgeschlagene Rotationsprinzip, also die Festlegung, dass die Künstler zur vollen Stunde den Standort wechseln müssen, unterstützen sie. Eine Überlastung von angrenzenden Geschäften oder Menschen in der Nachbarschaft könnte so minimiert werden. „Für Bettler wäre es bei solchen Festlegungen schwer, mit Nachdruck bei Passanten Geld einzufordern.“ Die Straßenkünstler sehen sich und ihren Entwurf aber nicht als Instanz, um Bettler aus der Innenstadt zu entfernen. „Das müssen die Stadt und ihr Ordnungsamt in den Griff bekommen.“

Überhaupt hätte es im vergangenen Jahr keine Kontrollen mehr gegeben. Die daraus resultierende Anarchie hätte jetzt zu schlimmen Konsequenzen für alle Künstler gesorgt. „Letztlich braucht das Ordnungsamt eine Handhabe, wie es bei Beschwerdefällen vorgeht.“ Wenn Straßenmusiker zu aggressiv sind, müsste ihnen eben ein Platzverweis ausgesprochen werden. Vom Vorschlag eines Castings für Straßenmusiker ist Gräßler nicht ganz überzeugt. „Leute, die sich musikalisch ausprobieren wollen oder qualitativ nicht so gut sind, wären bei solch einem Vorspielen wahrscheinlich außen vor.“

Stilbruch sind musikalisch auf den Dresdner Straßen groß geworden. Sebastian Maul, Friedemann Hasse und Gunnar Nilsson lernten sich beim Musikstudium kennen und musizierten bald zusammen in der Öffentlichkeit. Berühmt wurden sie 2009 durch einen Auftritt in der Show „Germany’s Next Showstars“, bei der sie es bis ins Finale schafften. Seitdem gehören sie zu den besten Straßenmusikern des Landes.

Europa soll Künstler unterstützen

„Wir hatten erst vor zwei Wochen unseren letzten Auftritt als Straßenmusiker in in Dresden“, erzählt gestern Sebastian Maul am Telefon auf dem Weg ins italienische Montefredane. Vor allem der Punkt, dass Straßenmusiker künftig kein Schlagzeug mehr benutzen dürfen, bedeutet jetzt aber das Aus für solche Auftritte. „Wir haben nun mal ein Schlagzeug, wenn es auch leise gespielt wird. Aber ohne geht es nicht.“ In Europa wollen sie Unterschriften für eine Petition gegen die neuen Regeln der Stadt Dresden sammeln. „Wir sind nicht gegen Festlegungen, aber sie sollten weiterhin Kunst ermöglichen.“ In Köln würde es beispielsweise die einfache Regel geben, dass Straßenkünstler nur eine halbe Stunde an einem Ort auftreten dürfen und dann weiterziehen müssen. Das wird vom Ordnungsamt genauestens überprüft. „Es funktioniert einwandfrei.“