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Was Asylbewerbern zusteht

Beim Thema Geld für Flüchtlinge kursieren viele Behauptungen und Fehlinformationen. Dabei ist alles klar geregelt.

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© Reuters

Von Tobias Hoeflich

Kleidergeld, Taschengeld, Begrüßungsgeld. Glaubt man all das, was an Gerüchten im Internet und anderswo erzählt wird, werden Asylsuchende in Deutschland geradezu mit Euroscheinen überschüttet. Dabei ist zum Teil sogar von vierstelligen Beträgen die Rede: So kursierte etwa in Ostsachsen lange die Behauptung, jeder Flüchtling würde 4 000 Euro Begrüßungsgeld erhalten. Über soziale Netzwerke wie Facebook verbreiten sich solche absurden Zahlen oft rasant.

Auch Politiker befeuern die Diskussion ums Asylgeld regelmäßig: Der neue Gesetzentwurf von Thomas de Maiziere (CDU), den der Bundesinnenminister vergangene Woche im Bundestag vorstellte, sieht etwa vor, das Taschengeld für Flüchtlinge möglichst durch Sachleistungen zu ersetzen – um „Fehlanreize“ zu vermeiden. Doch was steht einem Flüchtling derzeit rechtlich überhaupt zu? Und was ist dran an den vielen Behauptungen, die in diesem Zusammenhang kursieren?

Fakten zu Geldleistungen für Flüchtlinge

Gerücht 1: „Die bekommen sogar mehr als Arbeitslose!“

Wer nach einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung arbeitslos wird, hat zunächst bis zu 24 Monate Anspruch auf Arbeitslosengeld. Das beträgt bis zu 67 Prozent des bisherigen Einkommens. Danach erhält ein Arbeitssuchender 399 Euro Arbeitslosengeld-II („Hartz IV“). Dieser monatliche Regelsatz umfasst grundsätzliche Bereiche des Lebensunterhalts wie Ernährung, Kleidung und Körperpflege. Die Kosten für Unterkunft und Heizung werden extra übernommen, so Christian Westhoff, Sprecher des Bundessozialministeriums.

Bei Asylbewerbern, die nicht mehr in einer Aufnahmeeinrichtung leben, ist der Betrag laut Katja Mäder vom Sächsischen Integrationsministerium 40 Euro geringer. Die monatlich festgelegten 359 Euro setzen sich zusammen aus 216 Euro für den notwendigen Grundbedarf und zusätzlich bis zu 143 Euro („Taschengeld“), laut Gesetzeswortlaut für „Bedürfnisse des täglichen Lebens“.

Dazu zählen zum Beispiel Freizeitaktivitäten, Kultur und Telekommunikation. Die Abweichungen zum Arbeitslosengeld-II ergeben sich laut Christian Westhoff zum Beispiel daraus, dass bestimmte Kosten nicht anfallen, etwa für einen Personalausweis. Zusammen mit den Kosten für die Unterkunft fällt nach Zahlen des Statistischen Bundesamts im Schnitt eine Summe von 670 Euro je Flüchtling im Monat an. Diese Summe wird der Bund ab 2016 an Länder und Kommunen pro Asylbewerber zahlen, wie kürzlich beim Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt beschlossen wurde.

Gerücht 2: „Manche Rentner müssen mit weniger leben!“

Bei Kritikern von Asylleistungen müssen auch Senioren oftmals herhalten. Mancher bekäme weniger als ein Flüchtling, heißt es immer wieder. Tatsächlich muss aber kein Rentner mit weniger als 399 Euro monatlich auskommen.

Dieser Satz steht Senioren ebenso zu wie jenen, die nicht mehr voll erwerbsfähig sind und somit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, erklärt Torsten König vom Dresdner Sozialamt.

Reicht die Rente nicht aus, können die Betroffenen Grundsicherung beantragen, um ihr Einkommen auf diese Mindestsumme aufzustocken. Auch hier gilt: Kosten für Unterkunft und Heizung werden bei Bedarf zusätzlich übernommen.

Gerücht 3: „Die kriegen sogar ein üppiges Begrüßungsgeld!“

Immer wieder macht die Behauptung die Runde, jeder Flüchtling bekomme ein Begrüßungsgeld. „Das gibt es nicht und gab es nie“, stellt Friedrich Schilling, Präsident des Dresdner Sozialgericht klar und spricht von einem üblen Gerücht, das in die Welt gesetzt wurde.

Auch von anderen Zahlungen, etwa einem großzügigen Kleidergeld, ist immer wieder die Rede. Dabei sind die Kosten dafür bereits im Regelsatz inbegriffen. Eine Erstausstattung erfolgt durch Kleiderspenden in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Einmalige Zahlungen gibt es nur auf Antrag und müssen begründet werden – egal ob Arbeitsloser, Flüchtling oder Grundsicherungsempfänger. Solche zusätzlichen Kosten, die nicht vom Regelsatz bezahlt werden müssen, sind zum Beispiel Ausgaben zur Bekämpfung von Krankheiten oder die ärztliche Betreuung von werdenden Müttern.

Gerücht 4: „Die wollen nur viel Taschengeld, aber keine Gutscheine!“

Längst nicht nur bei Asylkritikern populär ist die Forderung, die Geldleistungen einfach zu kürzen, oder zumindest nicht in bar auszuzahlen. Neben Thomas de Maiziere sprach sich unter anderem auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kürzlich dafür aus, das Taschengeld für Flüchtlinge auf den Prüfstand zu stellen.

Dabei erhielten Asylbewerber einst deutlich weniger Geld – was aber 2012 vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde. Darauf verweist Erich Künzler, Richter am Oberverwaltungsgericht Bautzen. Schließlich orientieren sich die Hartz-IV-Sätze für Arbeitssuchende an einem menschenwürdigen Dasein. Dieses Minimum müsse man auch Ausländern zugestehen.

Problematisch ist auch de Maizieres Ansinnen innerhalb seines neuen Gesetzentwurfs, das Taschengeld möglichst durch Sachleistungen und Gutscheine zu ersetzen. Das soll zumindest für Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen gelten, um Fehlanreize zu vermeiden. Richter Erich Künzler hat aber mit Blick auf die Menschenwürde Bedenken: Schließlich würde es die Selbstbestimmung der Betroffenen stark einschränken, wenn sie kein oder kaum Bargeld bekämen, über das sie frei entscheiden können. „Aber auch eine gewisse Selbstbestimmung gehört zum Grundrecht auf Menschenwürde.“

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Von der Ankunft bis zur Anerkennung

Sobald ein Flüchtling in Deutschland einen Antrag auf Asyl stellt, hat er Anspruch auf eine Grundversorgung. Essen, Unterkunft, Heizung oder Körperpflegeartikel gehören unter anderem dazu.

In den ersten drei Monaten leben Asylbewerber in einer Erstaufnahmeeinrichtung. Der Grundbedarf wird ihnen dort in der Regel durch Sachleistungen wie Kleiderspenden und Gutscheine gestellt. Zusätzlich erhalten sie monatlich bis zu 143 Euro bar für Dinge des täglichen Bedarfs.

Verlässt ein Flüchtling die Erstaufnahme, erhält er für den Grundbedarf weitere 216 Euro. Denn: In den Asylbewerberheimen der Kommunen fallen Essen und andere Sachleistungen üblicherweise weg. Allerdings sind statt Bargeld auch Gutscheine oder Sachleistungen möglich.

Nach der Anerkennung steht einem Flüchtling Leistung auf Sozialhilfe-Niveau zu. 15 Monate nach Ankunft steht ihm zudem der Arbeitsmarkt offen – und er kann unabhängig von den Leistungen werden.

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