Gerücht 1: „Die bekommen sogar mehr als Arbeitslose!“
Wer nach einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung arbeitslos wird, hat zunächst bis zu 24 Monate Anspruch auf Arbeitslosengeld. Das beträgt bis zu 67 Prozent des bisherigen Einkommens. Danach erhält ein Arbeitssuchender 399 Euro Arbeitslosengeld-II („Hartz IV“). Dieser monatliche Regelsatz umfasst grundsätzliche Bereiche des Lebensunterhalts wie Ernährung, Kleidung und Körperpflege. Die Kosten für Unterkunft und Heizung werden extra übernommen, so Christian Westhoff, Sprecher des Bundessozialministeriums.
Bei Asylbewerbern, die nicht mehr in einer Aufnahmeeinrichtung leben, ist der Betrag laut Katja Mäder vom Sächsischen Integrationsministerium 40 Euro geringer. Die monatlich festgelegten 359 Euro setzen sich zusammen aus 216 Euro für den notwendigen Grundbedarf und zusätzlich bis zu 143 Euro („Taschengeld“), laut Gesetzeswortlaut für „Bedürfnisse des täglichen Lebens“.
Dazu zählen zum Beispiel Freizeitaktivitäten, Kultur und Telekommunikation. Die Abweichungen zum Arbeitslosengeld-II ergeben sich laut Christian Westhoff zum Beispiel daraus, dass bestimmte Kosten nicht anfallen, etwa für einen Personalausweis. Zusammen mit den Kosten für die Unterkunft fällt nach Zahlen des Statistischen Bundesamts im Schnitt eine Summe von 670 Euro je Flüchtling im Monat an. Diese Summe wird der Bund ab 2016 an Länder und Kommunen pro Asylbewerber zahlen, wie kürzlich beim Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt beschlossen wurde.
Gerücht 2: „Manche Rentner müssen mit weniger leben!“
Bei Kritikern von Asylleistungen müssen auch Senioren oftmals herhalten. Mancher bekäme weniger als ein Flüchtling, heißt es immer wieder. Tatsächlich muss aber kein Rentner mit weniger als 399 Euro monatlich auskommen.
Dieser Satz steht Senioren ebenso zu wie jenen, die nicht mehr voll erwerbsfähig sind und somit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, erklärt Torsten König vom Dresdner Sozialamt.
Reicht die Rente nicht aus, können die Betroffenen Grundsicherung beantragen, um ihr Einkommen auf diese Mindestsumme aufzustocken. Auch hier gilt: Kosten für Unterkunft und Heizung werden bei Bedarf zusätzlich übernommen.
Gerücht 3: „Die kriegen sogar ein üppiges Begrüßungsgeld!“
Immer wieder macht die Behauptung die Runde, jeder Flüchtling bekomme ein Begrüßungsgeld. „Das gibt es nicht und gab es nie“, stellt Friedrich Schilling, Präsident des Dresdner Sozialgericht klar und spricht von einem üblen Gerücht, das in die Welt gesetzt wurde.
Auch von anderen Zahlungen, etwa einem großzügigen Kleidergeld, ist immer wieder die Rede. Dabei sind die Kosten dafür bereits im Regelsatz inbegriffen. Eine Erstausstattung erfolgt durch Kleiderspenden in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Einmalige Zahlungen gibt es nur auf Antrag und müssen begründet werden – egal ob Arbeitsloser, Flüchtling oder Grundsicherungsempfänger. Solche zusätzlichen Kosten, die nicht vom Regelsatz bezahlt werden müssen, sind zum Beispiel Ausgaben zur Bekämpfung von Krankheiten oder die ärztliche Betreuung von werdenden Müttern.
Gerücht 4: „Die wollen nur viel Taschengeld, aber keine Gutscheine!“
Längst nicht nur bei Asylkritikern populär ist die Forderung, die Geldleistungen einfach zu kürzen, oder zumindest nicht in bar auszuzahlen. Neben Thomas de Maiziere sprach sich unter anderem auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kürzlich dafür aus, das Taschengeld für Flüchtlinge auf den Prüfstand zu stellen.
Dabei erhielten Asylbewerber einst deutlich weniger Geld – was aber 2012 vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde. Darauf verweist Erich Künzler, Richter am Oberverwaltungsgericht Bautzen. Schließlich orientieren sich die Hartz-IV-Sätze für Arbeitssuchende an einem menschenwürdigen Dasein. Dieses Minimum müsse man auch Ausländern zugestehen.
Problematisch ist auch de Maizieres Ansinnen innerhalb seines neuen Gesetzentwurfs, das Taschengeld möglichst durch Sachleistungen und Gutscheine zu ersetzen. Das soll zumindest für Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen gelten, um Fehlanreize zu vermeiden. Richter Erich Künzler hat aber mit Blick auf die Menschenwürde Bedenken: Schließlich würde es die Selbstbestimmung der Betroffenen stark einschränken, wenn sie kein oder kaum Bargeld bekämen, über das sie frei entscheiden können. „Aber auch eine gewisse Selbstbestimmung gehört zum Grundrecht auf Menschenwürde.“