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„Warum wird nichts gemacht?“

Eine Gröditzerin und ihr Mann leben seit 60 Jahren in ihrem Mietshaus. Sie wollen bleiben. Doch das fällt ihnen schwer.

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© Eric Weser

Von Eric Weser

Gröditz. Die Berndts sind ein Senioren-Ehepaar, beide jenseits der 80. Beide haben Alters-Wehwehchen. Aber das Paar ist trotzdem fit genug, den Alltag fast ohne Hilfe zu bestreiten. Einkaufen gehen, Termine beim Arzt wahrnehmen – all das funktioniert. Auch, weil alles Wichtige in der Nähe des gelbfarbenen Gröditzer Mietshauses liegt, in dem die Berndts leben.

Seit fast 60 Jahren wohnt das Ehepaar in der Straße nahe der Grundschule, hat hier seine Kinder großgezogen. Allzu groß ist die Wohnung nicht. Die Berndts, die eigentlich anders heißen, haben sie sich schön eingerichtet. Hier ihr Zuhause. „Wir wollen nicht weg“, sagen die Eheleute. Nur den allerletzten Weg, den jeder gehen muss, geben sie zu verstehen, wollen sie aus ihrer Wohnung noch antreten. Dennoch grämen die Zustände in ihrem langjährigen Wohnhaus die Berndts. Denn kaum etwas ist mehr so, wie es mal war.

Da ist zum einen die Leere: Es gibt nur noch wenige Nachbarn, keine Kinder. „Früher waren hier alle Wohnungen belegt, es gab mal elf Kinder“, erinnert sich Heide Berndt. Jetzt sind nur drei Wohnungen belebt. Von den altbekannten Nachbarn ist keiner mehr da. Und die jetzigen Mitbewohner? Leben anders als die Berndts sich das vorstellen: belegen Kellerräume, obwohl sie ihnen nicht gehören, stellen im Treppenhaus Möbel oder andere Gegenstände ab, machen nicht sauber auf dem Dachboden. Die Berndts sind vom Schlage derer, die auf Ordnung viel Wert legen und sie auch selbst halten.

Das zeigt sich an ihrer Zweiraum-Wohnung im Erdgeschoss. Alles dort ist adrett. Auf einem Regal in der Küche steht ein Foto von den lächelnden Enkeln, die woanders leben. Wolfgang Berndt sagt, es wäre schön, wenn der Vermieter „wenigstens ein bisschen was machen würde“ im Gebäude. Mal den Treppenflur, in dem die Farbe abblättert, neu streichen. Oder die alten, metallenen Briefkästen abbauen. „Damit man sich wohlfühlt.“ In den anderen Häusern, die dem Vermieter gehören, passiere doch etwas. Zum Beispiel am Nordrand. „Warum nicht bei uns?“, fragen die Berndts. Ehefrau Heide sorgt sich, dass es durch den maroden Schornstein hereinregnet und Schäden entstehen. Auf dem Dachboden zeigt sie auf volle Wassereimer direkt neben der gemauerten Esse.

„Das ist absolut berechtigt“

Der Vermieter der Berndts ist die Genossenschaft Gröditzer Wohnbau. Vorstand Andreas Gottschling kennt die Nöte des Ehepaars, die er zu seinen „geschätzten, treuen Mietern“ zählt. „Ich verstehe die Leute“, sagt der 57-Jährige. „Die Kritik an der abblätternden Farbe ist absolut berechtigt.“ Leider sei das Haus, in dem die Berndts leben, nicht das einzige bei der Gröditzer Wohnbau, in dem es so aussehe.

Insgesamt 400 Wohnungen in Gröditz und weitere 360 in Pulsen bewirtschaftet die Genossenschaft. Zwanzig Prozent Wohnungsleerstand verzeichnet das Unternehmen, erzählt Vorstand Gottschling. Investieren könne die mit vielen Schulden belastete Genossenschaft deshalb auch nur Stück für Stück, mit Fokus auf bestimmte Gebäude. Wie etwa in jene am Nordrand.

Trotz aller Finanzsorgen und Leerstandsnöte: Für kleine Reparaturen sei immer Geld da und diese erledige die Wohnbau-Genossenschaft schnell, so Andreas Gottschling. Auch der Schornstein im Haus der Berndts sei im August vorigen Jahres abgedichtet worden. Andreas Gottschling will jetzt noch einmal den Hausmeister vorbeischauen lassen. „Da kümmere ich mich drum, das ist selbstverständlich.“

Den Problemen der Berndts mit den Mitmietern könne die Wohnbau nachgehen, aber nur wenn sie schriftlich und unterschrieben vorliegen. „Eine anonyme Anzeige nützt mir nichts“, sagt Vorstand Gottschling. Darin, dass Mieter leere Keller nutzen, sehe er angesichts des großen Leerstands kein Problem. „Da lassen wir unseren Mietern ein Stück Freiheit.“ Die Berndts werden sich an diese Freiheiten nicht so recht gewöhnen können.