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Warum werden Therapeuten so schlecht bezahlt?

Ein Dresdner Praxisbetreiber fordert bessere Vergütung durch die Krankenkassen. Nun kommt tatsächlich Bewegung in die Sache.

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© Sven Ellger

Von Nora Domschke

Das neue Jahr bringt Veränderungen für Ulrich Naake. Zumindest im Berufsleben. Seit 2006 betreibt der Physiotherapeut eine Praxis im Stadtteil Plauen, von fünf Mitarbeitern beschäftigte der Dresdner bislang nur einen fest. Die anderen Therapeuten arbeiteten auf eigene Rechnung. Das will Naake nun ändern. Zu groß ist seine Angst, dass er Ärger mit den Behörden bekommt. Denn sollten die Therapeuten nur ihn allein als Auftraggeber haben, wären sie nicht wirklich selbstständig – und Scheinselbstständigkeit ist strafbar.

Zwar würden die Therapeuten auch in anderen Praxen arbeiten und damit mehrere Auftraggeber haben, das Risiko ist Naake dennoch zu groß. Also bot er den Mitarbeitern einen festen Arbeitsvertrag an. So weit, so gut, mögen jetzt viele denken. Ist doch in Ordnung, wenn die Mitarbeiter finanziell abgesichert sind und im Falle einer Krankheit oder in der Urlaubszeit weiterhin ihren Lohn erhalten. Selbstständige bekommen indes nur dann Geld, wenn sie auch tatsächlich behandeln.

Die Folge der Umstellung bekommt der Praxisbetreiber nun zu spüren: Zwei Therapeuten lehnten den Vertrag dankend ab. Naake kann das durchaus nachvollziehen, denn was er seinen Angestellten bezahlen kann, sei ihm schon fast peinlich. Ein Einsteiger verdient pro Stunde rund 9,50 Euro, mit einer Berufserfahrung von mehr als sechs Jahren steigt der Stundenlohn auf 10,90 Euro – „brutto wohlgemerkt“, betont Ulrich Naake. Hohe Lohnnebenkosten, Miete und Betriebskosten für die Praxis – alles das mache eine bessere Bezahlung unmöglich, ergänzt er.

Nun hat der Physiotherapeut ein gravierendes Problem, denn der Fachkräftemangel macht sich mittlerweile auch in seiner Branche deutlich bemerkbar. Im Schnitt bleibt eine freie Stelle 144 Tage unbesetzt. Wie schwer es ist, einen Kollegen zu ersetzen, berichten auch andere Dresdner Therapeuten. Wie etwa Roman Rietzschel vom Rehazentrum an der Lockwitzer Straße in Strehlen (die SZ berichtete). Der therapeutische Leiter sieht den Grund im fehlenden Nachwuchs vor allem in den hohen Ausbildungskosten. Rund 20 000 Euro bezahlen künftige Therapeuten für die dreijährige Ausbildung an den fünf privaten Schulen in Dresden, weitere Qualifikationen kommen finanziell dazu. Das hat zur Folge, dass sich immer weniger junge Menschen für diesen Beruf entscheiden, inzwischen sogar Schulen schließen.

Diese Entwicklung beobachtet auch Ulrich Naake seit Jahren mit Sorge. „Wer so viel Geld in seine Ausbildung investieren muss, für den muss sich das im Berufsleben später auszahlen.“ Mit dem Verdienst eines Angestellten sei das nicht drin. Der Hauptgrund für die schlechte Bezahlung sei die geringe Vergütung der Rezepte durch die gesetzlichen Krankenkassen. Für eine klassische Massage kann Naake bei den sogenannten Ersatzkassen bislang 10,79 Euro abrechnen, für eine manuelle Therapie von 25 Minuten 17,85 Euro. Zu den sechs Ersatzkassen gehören etwa Barmer, DAK und Techniker Krankenkasse, die durch den Verband der Ersatzkassen vertreten werden. Weil die Situation angespannt ist, gab es Ende 2017 Verhandlungen zwischen den Therapeuten und dem Verband, damit die Kassen die Behandlungen besser bezahlen. Mehrfach hätten die Verhandlungen auf der Kippe gestanden, teilt der Verband Physikalische Therapie Sachsen mit.

Doch tatsächlich kommt Bewegung in die Sache. Denn es gibt mehr Geld für die Therapeuten – in drei Stufen sollen die Gebühren erhöht werden. Eine weitere gute Nachricht für die Therapeuten in den neuen Bundesländern: Ab 1. April bekommen sie genauso viel Geld wie Kollegen im Westen. Naake ist überrascht über die Entwicklung, wahrscheinlich sei der Druck auf die Kassen zu groß geworden. „Ein Grund zur Entwarnung ist das aber keinesfalls.“ Der schon lange angekündigte Fachkräftemangel werde damit kurzfristig auch nicht aufgefangen. Zwar könne er für eine Klassische Massage jetzt 11,55 Euro und für eine Manuelle Therapie 19,12 Euro abrechnen. Ungebremster Reichtum breche dadurch bei den Therapeuten aber nicht aus. „Vieles wird durch Kostensteigerungen auf einem anderem Sektor gleich aufgefressen.“