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Warum junge Leute zur FDP gehen

Seit der Bundestagswahl bekommt die Partei keinen Fuß mehr in die Tür. Doch die FDP-Jugendorganisation findet weiter Nachwuchs. Dessen Devise lautet: Jetzt erst recht!

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© dpa

Von Valentin Frimmer

Braunschweig. Annkathrin Schaub ist jung und politisch interessiert. Sie spricht kluge, inhaltlich pointierte Sätze, ohne „Ähs“ und Verästelungen. Gerade macht die 18-Jährige ein freiwilliges politisches Jahr. Sie will sich engagieren, das Land mitgestalten. Beste Voraussetzungen eigentlich, um bei einer der tonangebenden Parteien Karriere zu machen. Doch Schaub wählt die harte Tour.

Sie tritt dem Kreisverband der Jungen Liberalen (Julis) in Köln bei - ausgerechnet wenige Tage nach dem verheerenden Abschneiden der Mutterpartei FDP bei der Bundestagswahl. „Das war dann noch mal ein einschneidendes Erlebnis. Da wurde es Zeit“, sagt Schaub. Sie treibt die Befürchtung, dass es keine „qualifizierte liberale Kraft“ mehr in Deutschland geben könnte. Liberalismus, Freiheit und Bürgerrechte: Sie möchte für die ganz ursprünglichen FDP-Werte einstehen.

Rund 10.000 „JuLis“ in Deutschland

Damit scheint sie nicht allein zu sein. Nach der Bundestagswahl traten nach Angaben der Jugendorganisation allein im September 190 junge Menschen den Julis bei. In den zwölf Monaten davor waren es nie mehr als 80 gewesen. Insgesamt sind bei den Jungen Liberalen den Angaben zufolge rund 10.000 junge Menschen zwischen 14 und 35 Jahren aktiv.

Rund 300 von ihnen wollten sich am Wochenende in Braunschweig (Niedersachsen) zum Bundeskongress der Jungen Liberalen treffen. Dabei wollen die Teilnehmer unter anderem diskutieren, wie sie die Neuaufstellung der FDP mit Themen und einem modernen Auftritt mitgestalten können. Außerdem soll ein Leitantrag zur Stärkung des Forschungsstandorts Deutschlands verabschiedet werden.

Die FDP war bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr von 14,6 Prozent auf 4,8 Prozent abgestürzt und aus dem Parlament geflogen. Dieses Debakel hat viele junge FDP-Sympathisanten wie Annkathrin Schaub aufgerüttelt. „Natürlich gibt es, wenn sowas passiert, eine Solidaritätswelle“, sagt Parteienforscher Oskar Niedermayer von der Freien Universität Berlin. „Die verebbt aber dann auch wieder.“

Niedermayer sieht die Gefahr, dass die sich häufenden Niederlagen der FDP beispielsweise bei Landtagswahlen der Motivation Abbruch tun. „Da dürfte sich das wieder nach unten bewegen.“ Auch die momentan eher schmale mediale Präsenz der FDP könnte potenzielle Neuzugänge bei den Julis abhalten, sagt Niedermayer. Im Frühjahr und Sommer diesen Jahres hatten sich die Zahlen der Neumitglieder bereits wieder den Werten von vor der Bundestagswahl angenähert.

Wer jetzt Karriere machen will, muss langen Atem haben

Die FDP galt lange Zeit als Partei der Karrieristen und schnellen Aufsteiger. Damit dürfte es zunächst einmal vorbei sein. Wer mit der FDP politische Karriere machen will, braucht vermutlich einen langen Atem. Dementsprechen idealistisch beschreibt Juli-Chef Konstantin Kuhle dann auch die jungen Neumitglieder. „Die Motivation ist eine sehr hehre.“ Annkathrin Schaub glaubt an eine Neuausrichtung der Liberalen - unter anderem weg vom Image der Elitenpartei. Allerdings bremst sie Hoffnungen auf einen schnellen Wandel: „Ich denke, dass das kein Prozess ist, der von heute auf morgen kommt.“

Es gehe den Neumitgliedern um Bürgerrechte, die Bedeutung des Einzelnen in der Gesellschaft oder um Vorratsdatenspeicherung, sagt Kuhle. „Wer heute zu den Julis oder zur FDP kommt, der erwartet jetzt auch, dass sich einiges tut, damit man sich wieder an liberale Werte wie Respekt vor Individualität, Aufstiegschancen und Datenschutz annähert.“ Es gebe viele Neumitglieder, die eine Jetzt-erst-recht-Haltung an den Tag legen. „Durch das Fanal des Rauswurfes aus dem Bundestag hat sich bei vielen ein Funken entfacht.“ Deshalb setzten sie sich für den Erhalt der liberalen Partei ein.

So wie Annkathrin Schaub. Sie will in Kürze an die Uni. „Ich möchte gerne Jura studieren“, sagt sie. Klingt ein bisschen klischeehaft für ein Juli-Mitglied, oder? Schaub lacht: „Das war schon davor so.“ FDP-Mitglied ist sie bislang nicht. Vor ihrem 18. Geburtstag durfte sie nicht eintreten. Jetzt dürfte sie: „Das ist schon in Planung“. (dpa)