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Warum ein Radweg plötzlich endet

Bei Großröhrsdorf zerschneidet die Bahn eine beliebte Trasse. Trotz Verbots queren Leute die Gleise.

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© Matthias Schumann

Von Reiner Hanke

Der Radler schaut verstohlen nach rechts und links, geht am Sperrschild vorbei, schultert den Drahtesel und kraxelt schnell über die Bahngleise bei Großröhrsdorf. Ein Trampelpfad an den Gleisen deutet darauf hin, dass diese gefährlich Praxis hier gang und gäbe ist. Kurz darauf rauscht die Städtebahn Richtung Pulsnitz durch.

Die Schilder zeigen, wo es langgeht.
Die Schilder zeigen, wo es langgeht. © Reiner Hanke

Steffen Grüttner ist selbst passionierter Radler und kennt die Situation am Langen Flügel, einem ausgeschilderten Rad- und Wanderweg in der Region. Der Lange Flügel endet aus Richtung Kleinröhrsdorf in der Nähe der Gleisen und geht erst dahinter Richtung Ohorn weiter. Natürlich führt der offizielle Rad- und Wanderweg nicht über die Gleise. Der wird entlang der Kreisstraße Richtung Großröhrsdorf gelenkt – über den offiziellen Bahnübergang – dann auf den vor zehn Jahren neu gebauten Radweg Großröhrsdorf – Pulsnitz und auf der anderen Gleisseite wieder bis zum Langen Flügel. Das sei allerdings ein Umweg von etwa einem Kilometer. Viel, wenn der Anschluss in Sichtweite ist.

Schlechte Erfahrungen mit Autofahrern

Außerdem sei der Umweg entlang der Straße nicht die schönste Tour. Und Autofahrer würden oft ungehalten auf Radler reagieren. Sie glauben wohl, es gebe genug Radwege, da müssten Radler nicht die Straße blockieren, berichtet Steffen Grüttner von seinen unangenehmen Erfahrungen mit Kraftfahrern. Die wollen andere gar nicht erst machen und nehmen die direkte, die gefährliche Linie. Vorbei auch an einem Holzhaufen, der den Übergang offenbar erschweren soll. Darum wäre ein Übergang am Langen Flügel optimal, so Grüttner. Ähnlich wie bei Kleinröhrsdorf am besten. Dort gibt es einen Übergang, der mit Geländern gesichert sei. Es sei für ihn unverständlich, warum der Flügel nicht ebenso durchführe: „Kann man nicht mit wenig Mitteln einen legalen Übergang schaffen?“ Und Gefahren minimieren? Den gab es schon einmal! In den 1960er- oder 70er-Jahren sei er aber geschlossen worden, wissen Mitarbeiter der Großröhrsdorfer Bauverwaltung. „Straßenbaulastträger des Langen Flügels ist der Forst, dieser hatte damals nichts dagegen. Großröhrsdorf wohl auch nicht“, so Stadtsprecherin Anja Kurze. Zuvor habe es auf etwa 900 Meter drei besetzte Bahnübergänge gegeben, von denen damals eben einer wegfiel. In Kleinröhrsdorf sei die Situation zudem anders. Dort waren und sind auf beiden Seiten der Bahn Kleingärten. Eine Verbindung werde also dringender gebraucht. Außerdem sei der Streckenverlauf gerade und damit von beiden Seiten in beide Richtungen besser einsehbar als am Langen Flügel. Deshalb gebe es dort die schlichte Lösung mit einer Umlaufsperre. „Der Kreuzungspunkt Langer Flügel/ Bahn liegt in einer Kurve und ist schlecht einsehbar – besonders von der Kurveninnenseite“, so Anja Kurze. Damit bestehe ein hohes Gefahrenpotenzial. Zumal die Züge ja nicht langsam fahren würden. Die Stadt schätzt den Umweg über die Radtrasse als vertretbar ein. Die Priorität wurde bei deren Bau auf die Verbindung zwischen den Städten gesetzt, da hier sowohl Schüler als auch Berufspendler unterwegs seien. Anja Kurze: „Der überwiegend touristische Verkehr auf dem Flügel muss und kann weiterhin die Kreisstraße benutzen.“ Eine Direktanbindung des Langen Flügels an den Radweg sei bisher – auch aus finanziellen Gründen – nicht verfolgt worden. „Wir sprechen hier von einem sechsstelligen Betrag der erforderlich wäre“, so Anja Kurze, für die Querung der Gleise.

Von Beträgen spricht die Bahn noch längst nicht: „Um die Bahnstrecke neu mit einem Weg zu kreuzen (Bahnübergang, Über- oder Unterführung), ist zunächst ein offizielles Verlangen vonseiten der Beteiligten erforderlich.“ In dem Fall wohl die Kommune und der Forst als Verantwortlicher für den Waldweg. Dann müsste dafür eine Planung nach aktueller Vorschrift angepeilt werden. Das klingt nach keiner schnellen Lösung. Zumal die Bahn auch durchblicken lässt, dass das Interesse eher gegenteilig ist. Jeder Bahnübergang sei als eine latente Gefahrenstelle zu sehen: „Weshalb wir gehalten sind, Bahnübergänge zu beseitigen, wo immer es möglich ist und durch Brücken oder Unterführungen zu ersetzen, wenn die Wegebeziehung nicht ganz aufgegeben werden kann.“

Gleise nicht überqueren!

In dem Fall müsste sie ja wiederbelebt werden. Und das würde auch aus Sicht des Forstbezirkes Neustadt eher schwierig. Für die Sprecherin Anke Findeisen ist der Wunsch von Spaziergängern und Freizeitsportlern schon verständlich. Klar sei aber auch, dass die Verantwortung des Forstes für den Weg im Bereich der Gleise endet. Dort beginnt die der Bahn. Um die Sache überhaupt anschieben zu können, müsste das offiziell an den Forst herangetragen werden, z. B. durch eine Bürgerinitiative. Die Stadt müsste ihr Interesse ebenfalls bekunden. Das klingt derzeit zurückhaltend. Und dann müsste die Bahn mit ins Boot. Das sei nicht immer einfach, wisse man beim Forst aus eigener Erfahrung, wenn mit Maschinen Gleise zu queren seien. Ein weiter Weg also. Und Anke Findeisen warnt, wie die Bahn, eindringlich davor, illegal, die Gleise zu queren. Wer das tue, bringe nicht nur sich, sondern auch andere in Gefahr. Trotz Sicherheitshinweisen komme es leider immer wieder zu schweren Unfällen. Es sei äußerst leichtfertig und verantwortungslos, wer das riskiere.