Merken

Warum diese Kartoffeln im Boden bleiben

Manche Bauern in der Oberlausitz mussten dieses Jahr Knollen unterackern, statt sie zu ernten. Ist das Verschwendung?

Teilen
Folgen
© Rafael Sampedro

Von Susanne Sodan

Die Kartoffeln in Frank Münnichs Keller hat er nicht gekauft. Er hat sie selbst gesammelt, von einem Feld bei Oderwitz. „Mir tat es so leid, ich konnte die nicht einfach liegen lassen“, erzählt Walddorfs Ortsvorsteher. Eigentlich war die Erntezeit vorbei. „Trotzdem lagen dort aber noch Kartoffeln im Boden“, erzählt Münnich. Eine Verwandte hatte es ihm erzählt, daraufhin packte er eine Grabegabel und ein paar Eimer ins Auto und fuhr los. Was ihn besonders ärgert: „Als wir wieder weggefahren sind, kam ein Traktorist und begann, die restlichen Kartoffeln auf dem Feld unterzuackern.“ Münnich fragt sich, warum sie nicht geerntet worden sind. „Wenn der Bauer sie nicht mehr brauchte, hätte er sie doch trotzdem aus dem Boden holen können.“ Hätte man sie nicht vielleicht zur Tafel geben können? „Vielleicht bin ich ja altbacken. Aber das sind doch Lebensmittel. Ich verstehe nicht, warum man sie einfach unterackert.“

Robert Otto von der Agrargenossenschaft Eibau ärgert sich selbst. Der Genossenschaft gehört das Feld bei Oberoderwitz. Dass Kartoffeln nicht vollständig abgeerntet werden, sei keinesfalls gängige Praxis, versichert er. „Wir bauen nichts an, um es dann auf dem Feld zu lassen“, erklärt Robert Otto. „Wir hatten dieses Jahr allerdings erschwerte Bedingungen.“ Durch den starken Regen der vergangenen Wochen, durch die Feuchtigkeit ließen sich Teile des Feldes mit den Erntemaschinen schlicht nicht mehr erreichen, erklärt er. „Es geht aber nur um eine kleine Fläche.“

Der Miku-Agrarbetrieb in Mittelherwigsdorf dagegen hatte Glück. „Wir haben nur sechs Hektar Kartoffeln angebaut“, erzählt Geschäftsführer Hagen Hartmann. „Die hatten wir zum größten Teil schon aus der Erde, bevor der große Regen kam.“ Warum der den Erntemaschinen solche Schwierigkeiten bereitete, erklärt Rainer Peter, Vorsitzender des Bauernverbandes Oberlausitz: „Hier im Süden des Landkreises haben wir viel Lehmboden“, sagt er. Ist der zu nass, werde es schwierig. „Die Maschine nimmt nicht nur Kartoffeln auf, sondern auch Erde.“ An sich sei das kein Problem. Die Kartoffeln werden über Siebketten geleitet, die Erde fällt dabei ab. Aber nur, wenn sie trocken ist.

„Im Oktober haben wir aber etwa 108 Liter Regen pro Quadratmeter auf unseren Feldern gemessen“, erzählt Landwirt Jörg Günther aus Kottmarsdorf. Auch er hatte mit dem Wetter zu kämpfen. Warten, bis es wieder besser wird, war für ihn aber nicht möglich. „Auf dem Feld, auf dem dieses Jahr Kartoffeln standen, soll nächstes Jahr Weizen wachsen“, erklärt er. „Und der muss eigentlich schon bis Ende Oktober gesät sein.“ Auch er hat deshalb einige Kartoffeln untergeackert. „Wenn ich mir jetzt die Temperaturen ansehe, muss ich auch sagen: Wir haben es richtig gemacht.“ Bei Frost können Kartoffeln schnell Schaden nehmen, sagt Jörg Günther. Gern habe er es trotzdem nicht gemacht. „Nächstes Jahr stehe ich vor dem Problem, dass die Kartoffeln im Weizen aufgehen.“

Dass jetzt zu wenige Kartoffeln geerntet worden sind, sei aber nicht zu befürchten, sagt Rainer Peter. „Insgesamt sind die Kartoffeln dieses Jahr gut gewachsen.“ Nur bei der Ernte habe das Wetter eben nicht mitgespielt. „Einige Bauern haben es deshalb nicht geschafft, jede Ecke abzuernten. Dabei geht es aber um eine verschwindend geringe Menge.“ Eine geringe Menge, die für die betroffenen Bauern einen großen Aufwand bedeutet hätte. Rainer Peter sieht noch einen anderen Punkt: Insgesamt würden nur noch sehr wenige Landwirte in der Oberlausitz Kartoffeln anbauen. „Und für die, die es machen, ist es oft ein regionaler Service und keine große Einnahmequelle.“ Auch die Agrargenossenschaft Eibau verkauft ihre Produkte direkt vor Ort in Oderwitz an die Anwohner der umliegenden Gemeinden. „Für die Landwirte ist es eine Möglichkeit, mit den Bürgern vor Ort in Kontakt zu bleiben.“

Für Frank Münnich bleibt trotzdem die Frage, ob es nicht andere Wege gegeben hätte. Stoppeln gehen – für ihn war das als Kind und Jugendlicher ganz normal. Wäre es nicht auch jetzt möglich gewesen, das Feld für Selbstsammler freizugeben? „Hätte dort eine Kasse des Vertrauens gestanden – ich hätte Geld reingetan“, sagt Frank Münnich. So einfach sei es nicht mehr, erklärt Rainer Peter. „Die meisten Felder sind Privateigentum.“ Selbst wenn der Eigentümer zulassen würde, dass Anwohner stoppeln gehen, wäre das schon alleine wegen der Versicherung des Landwirts schwierig.