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Warum die Unterschiede bei der Kita-Betreuung so groß sind

Die Situation in den Kitas hat sich insgesamt verbessert. Doch nicht überall.

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Von Kristin Kruthaup, Gütersloh

In Kitas und Kindergärten verbessert sich die Betreuungssituation – doch es gibt starke, regionale Unterschiede. Das zeigt die am Montag veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung. Im März 2016 kümmerte sich ein Erzieher im bundesweiten Schnitt um 4,3 Krippenkinder. Zum Vergleich: Vier Jahre zuvor beaufsichtigte ein Mitarbeiter in der Krippe fast fünf Kinder (4,8). Am besten war die Betreuungsrelation in Baden-Württemberg (1:3). Beim Schlusslicht Sachsen musste ein Erzieher doppelt so viele Kinder im Blick behalten (1:6,5). In den Kindergärten kümmerte sich ein Mitarbeiter 2016 bundesweit um 9,2 Kinder. Spitzenreiter ist auch hier Baden-Württemberg (1:7,2), Schlusslicht Mecklenburg-Vorpommern (1:13,7).

Wie wichtig ist der Personalschlüssel überhaupt?

„Der Personalschlüssel ist ganz zentral für die Qualität einer Kita“, sagt Prof. Susanne Viernickel von der Universität Leipzig. Es sei wissenschaftlich erwiesen: Je besser der Personalschlüssel ist, desto besser können sich Betreuer um die Kinder kümmern. „In der Folge entwickeln sich Kinder häufig besser“, sagt sie.

Wie lautet der ideale Betreuungsschlüssel?

Das ist umstritten. Die Experten der Bertelsmann Stiftung halten bei Kindern unter drei Jahren einen Schlüssel von 1:3 für optimal, bei Kindern über drei von 1:7,5. Prof. Viernickel rechnet damit, dass Kinder im ersten Lebensjahr 1:2 betreut werden sollten. Ab dem dritten Geburtstag reiche eine Betreuung von 1:8 aus. Die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen fordert bei Kindern unter drei einen Schlüssel von 1:4. Kommt es nur auf den Betreuungsschlüssel an?

Nein, sagt Prof. Viernickel. Neben dem Personalschlüssel sei für die Qualität der Kita vor allem die Qualifikation der Fachkräfte wichtig. Entscheidend seien außerdem die Einstellungen der Fachkräfte sowie das Management im Team.

Wie viele Kinder werden eigentlich auswärts betreut?

2016 waren laut Angaben der Bertelsmann- Stiftung 614 600 Kinder unter drei Jahren in einer Kita und 2 318 570 Kinder, die den dritten Geburtstag schon gefeiert haben. Bei diesen Angaben fehlen jene, die bei einer Tagesmutter untergebracht sind. Insgesamt wird etwa jedes Dritte unter dreijährige Kind auswärts betreut. Im Osten sind es anteilig deutlich mehr als im Westen.

Was kostet das die öffentliche Hand?

2015 hat die öffentliche Hand nach den aktuellsten Daten 26,4 Milliarden Euro für die Kinderbetreuung ausgegeben. Hinzu kommen Beiträge von den Eltern. Die Höhe des Elternbeitrags an den Gesamtkosten ist je nach Bundesland ganz unterschiedlich: In Sachsen tragen die Eltern zwischen 20 bis 23 Prozent der Gesamtkosten, in Nordrhein-Westfalen sind es 9,5 Prozent.

Warum ist der Personalschlüssel im Westen besser als im Osten?

Den Personalschlüssel lege jedes Land selbst gesetzlich fest und er variiere, erklärt Kathrin Bock-Famulla von der Stiftung. Im Westen sei die Betreuung von Kindern unter drei Jahren lange nicht so üblich gewesen wie im Osten. „Als die Plätze im Westen dann neu geschaffen wurden, hat man sich vermutlich stärker an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert.“

Was braucht es, um die Qualität in Kitas zu verbessern?

Die Bertelsmann Stiftung fordert, für einen weiteren Kita-Ausbau rund 4,9 Milliarden Euro jährlich bereitzustellen. Zudem würden 107 200 zusätzliche Fachkräfte benötigt. Eine rasche Befreiung der Beitragspflicht für Eltern sieht die Stiftung kritisch: „Erst wenn die Qualität stimmt (...), können wir die Beitragsfreiheit angehen“, sagt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung. Der Paritätische Gesamtverband fordert eine bundesgesetzliche Regelung, um gute Qualitätsstandards in allen Ländern und Kommunen zu haben. Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert Investitionen von zusätzlich rund fünf Milliarden jährlich. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mahnt ein bundesweit einheitliches, verbindliches Kita-Qualitätsgesetz an.

Was versprechen die Parteien in ihren Wahlprogrammen?

Die SPD will, dass Kitas künftig für Eltern gebührenfrei sind. Für mehr Qualität in Kitas soll der Bund den Ländern ab 2022 fünf Milliarden Euro jährlich zur Verfügung stellen. Die Grünen fordern, dass der Bund den Ländern mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr für eine Verbesserung der Kita-Qualität gibt. Die CDU will die Qualität der Betreuung ebenfalls weiter ausbauen, stellt aber klar, dass Bildung Ländersache bleibt. Die FDP will Kita-Personal künftig besser ausbilden und bezahlen. (dpa)