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Warum die Berliner Straße erst jetzt zur Fußgängerzone wird

Der Boulevard war immer eine normale Straße – wegens eines Versäumnisses des Rathauses. Bekommen Falschfahrer jetzt ihre Knöllchen zurück?

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© nikolaischmidt.de

Von Daniela Pfeiffer

Görlitz. Na so was. Die Berliner Straße – die Bummelmeile der Görlitzer schlechthin – soll auf einmal eine ganze normale Straße sein. Das hat auch das Rathaus unlängst ziemlich überrascht. „Wir waren der Meinung, es ist eine Fußgängerzone“, sagte Bürgermeister Michael Wieler im jüngsten Stadtrat.

Was war passiert? Ganz einfach: Beim Blick ins Bestandsverzeichnis der Straßen wurde festgestellt, dass die Berliner gar nicht als Fußgängerzone, sondern als Ortsstraße eingetragen war. Viele Jahre lang. Nach Inkrafttreten des Straßengesetzes im Februar 1993 wurde die Berliner, die damals als öffentliche Straße galt, auch als solche in das entsprechende Bestandsverzeichnis eingetragen. Allerdings ergab eine Recherche im Ratsarchiv im Jahr 2000, dass die Straße schon zu DDR-Zeiten als Fußgängerzone eingestuft worden war. Also wurde der Eintrag im Bestandsverzeichnis der öffentlichen Straßen daraufhin gelöscht. Ein neuer Eintrag ins Verzeichnis für beschränkt-öffentliche Wege und Plätze allerdings wurde damals versäumt. Zudem wären eine Teileinziehung und ein Umstufungsverfahren nötig gewesen. Das allerdings war der Verwaltung nicht bewusst, weil sich der Status als Fußgängerzone ja nicht geändert hatte. Schuld an allem war also eine Diskrepanz zwischen DDR- und aktuellem Straßenrecht.

Das alles kam erst jetzt zutage, als die Stadt beim Landkreis die Umstufung der Oberen Berliner Straße beantragte. Nach einem Verkehrsversuch und einigen Probemonaten hatte der Stadtrat vor einem Jahr beschlossen, die Berliner zwischen Bahnhof- und Schulstraße für den Verkehr freizugeben.

Hier kann demzufolge nun alles so bleiben, wie es ist. Zu den vor einem Jahr beschlossenen Bedingungen ist die Obere Berliner Straße weiterhin befahrbar: Es gilt aber ein Höchsttempo von 20 Kilometern pro Stunde, einschließlich des kleinen Stücks der Schulstraße, das bei den Pollern endet. Außerdem gilt weiterhin die Einbahnstraßenregelung in Fahrtrichtung Schulstraße, wie Torsten Tschage vom Bauamt auf SZ-Nachfrage bestätigt. Und er betont noch einmal: Wer von der Bahnhofstraße links in die Berliner einfährt, kann bestraft werden. Denn das ist nach wie vor verboten. Die Parkplätze auf der rechten Seite bleiben, links ist Parken weiterhin nicht gestattet.

Keine Chance für Verkehrssünder

Was aber passiert jetzt auf dem unteren Teil? Hier ist immerhin seit Jahren eine Fußgängerzone ausgeschildert, lediglich Radfahrer und Taxis dürfen durch. Lieferverkehr ist erlaubt, aber nur zwischen 20 und 11 Uhr. Wie viele Kraftfahrer in den vergangenen Jahren hier belangt worden sind, weil sie sich nicht daran hielten, ist nicht bekannt. Und sie haben auch keinen Grund, sich nachträglich in die Hände zu klatschen. Dass sie ihr Geld zurückbekommen, ist ausgeschlossen. „Es gibt keine falsche Beschilderung, insofern gibt es keine zu Unrecht Bestraften.“ Bürgermeister Wieler hatte schon im Stadtrat am vergangenen Donnerstag gesagt: „Es zählt immer die konkrete Ausschilderung. Wir können auch falsch ausschildern, es gilt trotzdem.“

Robby Marek von der Kanzlei van Recum, Schmidt & Marek auf dem Wilhelmsplatz ist Fachanwalt für Verkehrsrecht. Er bestätigt die Aussagen der Stadtverwaltung. Das Schild Fußgängerzone markiere den Beginn eines Bereiches, in dem jeglicher Fahrzeugverkehr verboten ist. Wird dagegen verstoßen, drohen Verwarngelder zwischen 10 und 20 Euro. Auch wenn die straßenrechtliche Widmung keine tragfähige rechtliche Grundlage für ein solches Verkehrszeichen darstelle, sei es verkehrsrechtlich strikt zu beachten. Kollidieren Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht, wirke sich dies nicht automatisch zugunsten von Verkehrssündern aus.

Generell gelte: Wer sich gegen ein Verkehrszeichen zur Wehr setzen will, könne dies tun, indem er vors Verwaltungsgericht geht. Erst mit seinem Erfolg wird das Verkehrszeichen entfernt; bis dahin ist es rein verkehrsrechtlich allerdings zu beachten. Anderenfalls könnten sämtliche Verkehrszeichen und ihre bußgeldbewehrten Wirkungen schlicht ausgehebelt werden.

Doch Robby Marek sagt auch, dass unabhängig davon auch die Behörde nach eigenem Ermessen ein eventuell laufendes Bußgeldverfahren einstellen kann, wenn einem nicht beachteten Verkehrszeichen wegen fehlerhafter Rechtsgrundlage jegliche logische Bedeutung fehlt.

Damit zumindest in Zukunft alles seine Ordnung hat, wird nun die untere Berliner Straße hochoffiziell zur Fußgängerzone. Genau das hat der Stadtrat am vergangenen Donnerstag beschlossen.