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Warum das neue Haus nach einem Bewohner benannt ist

Franz Langer hat jahrzehnte lang auf dem Katharinenhof gelebt. Hier hat er die Zeit der Euthanasie überlebt.

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© Sodan, Susanne

Großhennersdorf. Michael Ahrens kann sich noch an ihn erinnern. „Ich weiß, wie er ging und wie er sprach“, erzählt der Direktor des Diakoniewerkes Oberlausitz. Wohl fast jeder, der bereits 2011 auf dem Katharinenhof arbeitete, kann sich an Franz Langer erinnern: ein schmaler Mann, längliches Gesicht. Ein Mann, der hundert Jahre alt werden wollte. Fast hätte er es geschafft. Mit 97 Jahren starb Langer auf dem Katharinenhof. Einen Großteil seines Lebens hat er hier verbracht. Jetzt ist das neue Gebäude auf dem Gelände nach ihm benannt worden: Franz-Langer-Haus. Vielleicht wäre der Kreativraum etwas für ihn gewesen. Fröbelsterne basteln, das soll Langers Leidenschaft gewesen sein. Beschrieben wird er als offener Mensch. Einer, der gerne Hilfe anbot. Einer, der immer freundlich grüßte. Einer, der auf dem Katharinenhof schwere Zeiten erlebte – und überlebte.

Das Diakoniewerk Oberlausitz hat seine Biografie aufgearbeitet: Geboren wurde Franz Langer 1913 in Innsbruck. Er war schwerhörig, soll als Kind erst spät und schlecht gesprochen haben. Die Jugend war geprägt von Anstalts-Aufenthalten: im Taubstummeninstitut Mils in Tirol, später in der Landesanstalt für Schwachsinnige Chemnitz-Altendorf.

1931 wurde er, so steht es in der Biografie vom Diakoniewerk, im Koloniegut Großhennersdorf aufgenommen, im heutigen Ewald-Meltzer-Heim. Hier las er als Feldarbeiter Steine, fuhr später als Pferdekutscher Kohlen, Heu , Mist und Jauche. Während der 30er Jahre machte sich das Naziregime in Großhennersdorf bemerkbar: gekürzte Essensrationen, Zwangsunfruchtbarmachungen. 1940 wurde der Katharinenhof geräumt, um danach als Umsiedlerlager und Lazarett zu dienen. Betroffen waren davon zunächst die 221 Kinder vom Katharinenhof. Sie wurden fortgebracht, entweder nach Großschweidnitz, wo sie an überdosierten Medikamenten oder Hunger starben oder nach Pirna-Sonnenstein, wo sie vergast wurden. Auch die Männer blieben nicht mehr lange. 1941 wurden 39 verlegt und später ermordet. Zwölf konnten bleiben. Sie wurden als Arbeiter gebraucht, um die Versorgung aufrecht zu erhalten. Sie überlebten, darunter Franz Langer. Ende des Krieges wurden die Männer auf Bauerngüter verteilt, viele kehrten nach Kriegsende zurück.

Langer ging 1971 ins Ewald-Meltzer-Heim, arbeitete hier in der Arbeitstherapie, sogar bis über die Rente hinaus. 1986, da war Langer 73 Jahre, zog er in seine erste richtige Wohnung. Im März 2011 starb er. Dabei wollte er hundert werden. (sdn)