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Warum Bautzen an der Autobahn liegt

Die ersten Pläne für die A 4 sahen noch ganz anders aus. Ein Vortrag in der kommenden Woche verrät mehr.

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© Archiv LBBSA

Von Miriam Schönbach

Bautzen. Schon aus der Ferne erhebt sich die Silhouette der Stadt mit ihren Türmen und Kirchen, wenn man sich Bautzen über die Autobahn nähert. Auf der höchsten Erhebung thront der Dom St. Petri. „Wieder zu Hause“, denken sich dann viele. Auch Architekturhistoriker Bertram Kurze schwärmt über diese Linienführung der A 4. „Ursprünglich sollte die Strecke Bautzen weiträumig umfahren werden. Aber die Bauleitung hat sich auf Wunsch der Stadt für die teurere und elegantere Variante entschieden“, sagt der Erfurter.

Auf den Lehrgerüsten werden Reihe für Reihe die Granitquader gesetzt. So entstehen die Brückenbögen.
Auf den Lehrgerüsten werden Reihe für Reihe die Granitquader gesetzt. So entstehen die Brückenbögen. © Archiv LBBSA

Seine jüngsten Forschungsergebnisse zu den Reichsautobahnen in Mitteldeutschland stellt Bertram Kurze am 27. März in der Stadtbibliothek Bautzen vor. Seit sechs Jahren beschäftigt den Hochbauingenieur das Thema. Er besuchte dafür zahlreiche Archive, studierte Veröffentlichungen, befragte Zeitzeugen und sammelte umfangreiches Material.

Die Geschichte der „Nur-Autostraßen“ abseits der Ortschaften beginnt bereits im Kaiserreich. Aufgrund des zunehmenden Kraftverkehrs entwickeln sich in den frühen 1920er-Jahren die ersten Ideen für solche Schnelltrassen. Autos schaffen seinerzeit im Schnitt 60 Stundenkilometer.

Mit Rasanz aber will Sachsens Autobahn-Vordenker, der Straßenbauingenieur Arthur Speck, das Straßennetz in seiner Heimat auf den vierrädrigen Trend einstellen. Er entwickelt nach dem Ersten Weltkrieg als Ministerialrat und Vorstand der Straßenbaudirektion im Sächsischen Finanzministerium Konzepte, um das 3 600 Kilometer lange sächsische Staatsstraßennetz instandzusetzen. Autobahnen sieht er als sinnvolle Ergänzung. So landen Ende 1933/34 auch die Vorplanungen für die Oberlausitz auf seinem Tisch. Nur ein knappes Jahr vorher, am 6. August 1932, wird auf einer 20 Kilometer langen Strecke zwischen Köln und Bonn die erste deutsche Autobahn eingeweiht.

Zu ihrer Eröffnung reisen 2 000 Autofahrer aus ganz Europa in einer Sternfahrt an. Fünf Reichsmark bezahlen sie als Teilnahmegebühr. Den Bau der Strecke im Ruhrgebiet treibt der „Verein zur Vorbereitung einer Autostraße Hansestädte – Frankfurt a. M. – Basel (HaFraBa)“ voran. Weitere Pläne liegen bereits in den Schubladen. Bis Adolf Hitler 1933 die Macht ergreift. Bereits am 11. Februar des Jahres kündigt er einen großzügigen Straßenbauplan an. Die HaFraBa wird aufgelöst und in die Gesellschaft zur Vorbereitung der Reichsautobahnen (GeZuVor) umgewandelt.

Der Kriegsbeginn stoppte den Straßenbau

Häufig greifen die Nationalsozialisten dabei auf die Planungen der Autobahnpioniere zurück – so wie in der Oberlausitz. „Mithilfe der Autobahnen sollten wichtige Wirtschaftszentren verbunden und strukturschwache Regionen angebunden werden“, sagt Kurze. Auch zwischen Dresden – Bautzen avanciert der Bau der Autobahn ab dem Herbst 1935 zu einer gigantischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Tausende Arbeitskräfte arbeiten parallel an mehreren Teilstücken der Fahrbahn. Links und rechts der Baustelle profitieren die Hoch- und Tiefbau-Unternehmen wie auch die Natursteinindustrie. „Jeder Arbeitsplatz an der Autobahn zog drei weitere nach sich – im Transport, bei der Unterbringung oder Versorgung“, sagt der Forscher.

Doch mit dem Kriegsbeginn 1939 stoppt der Straßenbau. Die Arbeitskräfte werden an der Front gebraucht. Acht Kilometer vor Weißenberg endet die Autobahn zweispurig, ein paar Kilometer wird sie dann noch einspurig weitergeführt. „Auch einige Teile rund um Görlitz werden noch gebaut. Von den ursprünglich 45 geplanten Bauwerken werden nur elf umgesetzt“, sagt der Architekturhistoriker.

So wird er in seinem Vortrag zum Beispiel näher auf das geplante Autobahnkreuz bei Niederrengersdorf für die Autobahn Görlitz – Zittau – Reichenberg und Görlitz – Forst und die nicht ausgeführten Tank- und Raststätten sowie die Autobahnmeisterei Bautzen eingehen. Zudem gibt es einen Blick auf die Zeit nach 1945, wo Teile der Autobahn auf Straßenkarten als unpassierbar schraffiert waren. Nach der Wende erhielt die Strecke dann eine Rundumerneuerung. Geblieben aber ist die elegante Linienführung mit dem erstklassigen Blick auf Bautzen.

Vortrag „Reichsautobahnen in Mitteldeutschland“ am 27. März um 19 Uhr in der Stadtbibliothek Bautzen, Eintritt sechs Euro, mit Bibliotheksausweis drei Euro