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Warum ausländische Absolventen lieber gehen

Knapp 900 Ausländer machen pro Jahr ihren Studienabschluss in Dresden. Nur ein Bruchteil von ihnen bleibt. Wieso?

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© Sven Ellger

Von Jana Mundus

Wie passen noch mehr Daten auf einen kleinen Speicherchip? Dieser Frage geht Dipjyoti Deb derzeit in seiner Doktorarbeit nach. Der 28-jährige Inder arbeitet am Helmholtz-Zentrum in Rossendorf, ist an der TU Dresden eingeschrieben. In gut sechs Monaten hat er den Doktortitel in der Tasche. Und dann? Eigentlich könnte auch die Dresdner Wirtschaft sein Wissen gut gebrauchen. Doch nur wenige ausländische Hochschulabsolventen und Promovierte bleiben Dresden treu.

„Sicherlich würde ich gern bleiben, aber dazu brauche ich auch die passende Stelle“, sagt Deb. Ein Job in Deutschland – international wäre der sehr angesehen. „Mein Fachgebiet ist etwas für größere Unternehmen.“ In der Region Dresden gibt es die zwar auch. Viel häufiger allerdings kleine und mittelständische Firmen. Die sind beim Einsatz ausländischer Fachkräfte aber noch etwas zögerlich, weiß auch Birgit Brand vom Career Service der TU Dresden. Sie unterstützt ausländische TU-Absolventen bei der Suche nach einem Job. Insgesamt über 4 500 internationale Studenten sind derzeit an der Universität eingeschrieben. An der HTW sind es 308. Von 7 845 Absolventen aller Dresdner Hochschulen im Jahr 2015 kamen 919 aus dem Ausland. Die meisten aus China, Russland, Südkorea, Vietnam, der Ukraine und Indien. „Gut ein Drittel will nach dem Studium gern in Dresden bleiben und erst einmal hier arbeiten“, erklärt Birgit Brand. Laut sächsischer Absolventenstudie will sich fast die Hälfte aller ausländischen Absolventen deutschlandweit bewerben.

Die rechtliche Möglichkeit dazu gibt es. Die Aufenthaltserlaubnis für das Studium kann danach verlängert werden. Bis zu 18 Monate Zeit bleibt den Absolventen, um einen Arbeitsplatz zu finden. In Dresden macht davon nur ein Bruchteil Gebrauch. Laut Ausländerbehörde ließen seit Anfang 2013 nur 462 Absolventen aus Nicht-EU-Staaten ihre Aufenthaltserlaubnis für die Jobsuche verlängern. Ob sie danach geblieben sind, ist nicht bekannt. Personen, die direkt nach dem Studium in einen Job gewechselt sind, werden von dieser Statistik allerdings nicht erfasst. Verschiedene Initiativen versuchen indessen, die ausländischen Fachkräfte in Sachsen zu halten. Die TU beteiligt sich am Programm „Study & Work“. Darüber finanziert sie neben einem Beratungsangebot für die Bewerbung auch ein Projekt, bei dem der Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern hergestellt werden soll. „Für große Unternehmen ist der Einsatz ausländischer Fachkräfte vollkommen normal“, sagt Birgit Brand. Bei kleineren Firmen ist die Skepsis größer.

Das Amt für Wirtschaftsförderung der Stadt Dresden schätzt die Rolle ausländischer Hochschulabsolventen für den Wirtschaftsstandort Dresden als sehr wichtig ein. „Zum einen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen und so auch international konkurrenzfähig zu bleiben“, erklärt Sprecherin Katja Büchel. Sie seien aber auch wichtig in Bereichen, in denen internationale Kompetenz erforderlich ist. Ein neues Projekt zur Fachkräftesicherung soll nun auch dazu beitragen, ausländische Experten in Dresden zu halten. Für das Projekt stehen insgesamt 650 000 Euro zur Verfügung. Konkurrenz droht Dresden aus anderen Bundesländern. Laut Bundesagentur für Arbeit gibt es in der Maschinen- und Fahrzeugtechnik, in der Elektrotechnik und in der Informatik vor allem in Westdeutschland einen Expertenmangel. Verdienen lässt sich dort deutlich mehr als im Osten. Noch ein weiterer Faktor wiegt derzeit schwer für die Entscheidung gegen Dresden. Für Dipjyoti Deb hat die Attraktivität der Stadt durch die negativen Schlagzeilen rund um Pegida gelitten.

Abeer Mdanat aus Jordanien hat ihren Abschluss in Nachrichtentechnik 1994 an der TU Dresden gemacht. Sie ist danach in ihr Heimatland zurückgekehrt. „Es ist ja nicht so, dass nur in Deutschland Fachkräfte fehlen“, sagt sie. Deshalb versteht sie es gut, wenn sich auch andere für eine Rückkehr entscheiden. Sie und Atilio Erazo aus Honduras, der seinen Abschluss in Textiltechnik-Maschinenbau 2008 in Dresden machte, sind heute Regionalbotschafter für die TU Dresden. In ihren Ländern wollen sie andere für ein Studium in der sächsischen Landeshauptstadt begeistern. Vielleicht entscheiden sich ja einige der Angeworbenen später fürs Bleiben.