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Warten auf Helene Fischer

Mit dem Krachrock-Duo Dÿse reiste Jarii van Gohl bis nach Neuseeland. In Hellerau präsentiert er jetzt eine neue Band.

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© Ronald Bonß

Von Andy Dallmann

Eigentlich könnte die Welt wie das Leben ganz einfach sein. „Helene Fischer ruft mich an und holt mich als Schlagzeuger in ihre Band. Das wäre großartig.“ Jarii van Gohl, Drummer des Dresdner Krachrock-Duos Dÿse, grinst nur sehr, sehr kurz. Dann legt er nach: „Da kriege ich wahrscheinlich 400 Euro pro Abend, alles ist bestens organisiert, jedes Hotel gebucht – und nach einem halben Jahr habe ich so viel verdient, dass ich anschließend drei Jahre lang sorgenfrei mein Ding machen kann. Also Helene, ruf mich an!“

Weil der 37-Jährige sich jedoch nur geringe Chancen ausrechnet, vom Schlagerstar tatsächlich ein Jobangebot zu bekommen, kümmert er sich um alternative Einnahmequellen und das weitgehend ohne Rücksicht auf Sparten, Genres und die eigene Belastbarkeit. Möglicherweise wäre man schneller mit der Aufzählung dessen fertig, was Jarii van Gohl nicht macht. „Immer laufen ganz viele Sachen parallel“, sagt er und lässt in seinem Studio unterschiedlichste Sounds anklingen. Mundharmonika, filigranes Gitarrenklickern und ein mittels Geigenbogen angestrichener Lampenschirm gehören zu dem Projekt, das am Sonnabend im Hellerauer Festspielhaus Premiere haben wird.

Für die dritte Auflage des Bandstands hat Jarii van Gohl sein Duo mit Kollegen der ebenso angesagten Dresdner Band Garda zu Duda vereinigt. „Ja, ein bisschen Dada steckt im Namen drin“, erklärt der Musiker. „Von diesem Kunstverständnis bin ich ein großer Fan.“ Vor allem jedoch ist jetzt mit Ungewöhnlichem zu rechnen. „Besser noch: Die Leute werden umfallen.“ Jarii van Gohl schiebt vergnügt die Strickmütze aus der Stirn, senkt nicht für eine Sekunde die konsequent hohe Sprechgeschwindigkeit. „Man hört vielleicht beide Bands raus und trotzdem ist alles ganz anders. Wir gehen auf eine musikalische Reise in unentdeckte Welten.“

Am Anfang war der Witz

Dafür klemmt er schon mal einen Löffel zwischen die Gitarrensaiten oder verfremdet Spielzeuggequietsche. Doch Chaos kommt ihm nicht auf die Bühne. „Ich will, dass es geil klingt.“ Deshalb übernahm er bei Duda das Kommando, hat sämtliche Musik im Alleingang geschrieben. Und das alles für eine einzige Aufführung? „Wir könnten das sicher wiederholen, wahrscheinlicher ist aber, dass es Duda nur ein einziges Mal in Hellerau gibt.“ Die Idee für diese Band-Kooperation entsprang vor ein paar Monaten einem klassischen Musikerwitz, erzählt Jarii van Gohl. „Wir saßen in einer Kneipe und haben uns wechselseitig versichert, mal was zusammen machen zu wollen. Üblicherweise passiert danach gar nichts. Doch durch die Chance, in Hellerau rumprobieren zu können, nahm das Ganze plötzlich Fahrt auf.“

Seine Karriere als Musiker kam dagegen einst eher schleppend in die Pötte. In Neustadt an der Orla geboren, trommelte er als Teenager zunächst auf Töpfen und Deckeln, was für seine damalige Punkband als Einstieg reichte. Es folgte das erste richtige Schlagzeug, die nächste Band, mit der auch das Verlangen zunahm, das Instrument beherrschen zu lernen. Dabei war Jarii van Gohl stets sein eigener Lehrer. Und ist das bis heute geblieben.

Nach dem Sozialarbeiter-Studium in Jena zog er vor sieben Jahren nach Dresden. „Der Liebe wegen.“ Jetzt macht er tatsächlich mal eine kurze Pause, winkt kurz ab und ist gleich wieder im Fluss. „Dass das in die Binsen ging, hat auch sein Gutes. Ich bin an der Sache gewachsen.“ Und weggehen will er keinesfalls. „Ich mag die Stadt, die Leute und bin gut vernetzt.“

Doch zunächst habe er sich hier mühsam mit Schlagzeugunterricht über Wasser gehalten, oft „von Toastbrot und Ketchup gelebt“. Dann lief es mit seiner Band allmählich an und die Mahlzeiten fielen üppiger aus. 2003 hatte Jarii van Gohl mit dem Gitarristen und Sänger Andrej Dietrich das Duo Dÿse gegründet. „Zunächst reisten wir durch besetzte Häuser, dann kamen die ersten Mini-Klubs, schließlich wurden die Bühnen richtig groß.“ Die zwei spielten in ganz Europa, in den USA, im Sommer tourten sie durch Neuseeland. Das nächste Wunschziel ist Australien. Davor gibt es im Frühjahr einen Trip durch europäische Großstädte und Ende des Jahres eine neue Platte. „Und danach müssen wir unbedingt wieder auf Tour gehen.“

Natürlich kann auch alles ein bisschen anders laufen. Schließlich ist Dÿse längst über den Stand hinausgewachsen, irgendeine Band aus Dresden zu sein. Wo auch immer die beiden spielten, ließen sie staunende Menschen zurück, die umgehend nach mehr verlangten. Die-Ärzte-Frontmann Farin Urlaub outet sich bei jeder passenden Gelegenheit als Dÿse-Fan, lud das Duo mehrfach zu Shows ein, stellte sich als Bassist schon mit auf die Bühne. Jarii van Gohl: „Auf einer seiner Weltreisen traf er Deutsche, die ihm von uns erzählten. Zurück in Berlin, hat er im Internet gesucht, sich unsere Sachen angehört und sich in die Musik verliebt.“ Weil er die Schöpfer dieser brachial-filigranen wie subtil witzigen Songs kennenlernen wollte, nahm er Kontakt auf. „Inzwischen ist daraus eine echte Freundschaft geworden“, sagt Jarii van Gohl. „Zuletzt habe ich ihn in seinem Haus in Spanien besucht. Eine großartige Zeit, weil ich ganz in Ruhe arbeiten konnte.“ Ein gemeinsames Projekt sei dennoch nicht angedacht, aber durchaus wahrscheinlich. „Die Zeit dafür wird kommen.“

Bis dahin macht Jarii van Gohl eben weiter aus Architektur Musik. Vor drei Jahren fing er an, in Gebäuden wie Semperoper, Hygienemuseum, der Gläsernen Manufaktur auf Lampenschirmen zu klopfen, Türen schwingen zu lassen, Fensterscheiben anzutippen. Aufgenommen, im Studio bearbeitet und rhythmisch arrangiert ergeben diese Aufnahmen einen coolen Sound, der sich selbst für die Tanzflure eignet. „Das brachte mir viel Aufmerksamkeit und diverse Jobs ein“, so Jarii van Gohl. Der Stadt Dresden bot er seine Klangschöpfungen umgehend als Werbemittel an. „Doch da wollte keiner ran, obwohl ich nicht mal Geld verlangt habe. Da mache ich das eben für andere.“ Außerdem drängen längst schon die nächsten Vorhaben. So will er aus den Reden von Diktatoren wie Hitler, Stalin und Mao ein Klangkunstwerk stricken, die Bagger von Ferropolis vertonen und, und, und. „Blitzt morgen etwas Neues ein, mache ich mich sofort an die Arbeit.“ Allerdings sei ihm noch nichts eingefallen, was den Tag über die derzeit üblichen 24 Stunden hinaus verlängert. Doch er arbeitet daran, so viel ist sicher.

Beim Bandstand spielen am Freitag und Sonnabend, jeweils ab 20 Uhr, insgesamt 20 Bands auf fünf Bühnen im Dresdner Festspielhaus Hellerau. Das Dÿse-Garda-Projekt Duda ist am Sonnabend dran. Tickets für den einzelnen Abend kosten 15 Euro, Kombitickets 19 Euro.