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Warteliste fürs Studentenwohnheim

Hirschwinkel geschlossen, Vogtshof komplett ausgelastet: Jetzt werden sogar Studenten zu Pendlern nach Zittau.

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© nikolaischmidt.de

Von Ingo Kramer

Görlitz. Laura Müller* ist glücklich. Na ja, ein bisschen wenigstens. So richtig toll ist ihr Zimmer im Studentenwohnheim im Vogtshof nun auch wieder nicht: „Ich bin im Parterre, da kann mir jeder Passant zum Fenster reingucken“, sagt die Erstsemestlerin, die vor zwei Wochen nach Görlitz gezogen ist. Aber sie will sich nicht beschweren: „Immerhin habe ich überhaupt einen Wohnheimplatz bekommen.“ Einer Bekannten ging es anders: „Als sie sich anmelden wollte, hieß es, dass sie auf Platz 30 der Warteliste steht“, sagt Laura Müller.

Vor zwei Jahren sahen die Zahlen noch ganz anders aus. Da hatte Görlitz zwei Wohnheime: den Vogtshof mit 242 Plätzen und zusätzlich den Hirschwinkel für 56 Studenten. Letzteren aber hat das Studentenwerk Dresden im Sommer vorigen Jahres sehr kurzfristig und für die Bewohner überraschend geschlossen – mit Verweis auf die schlechte Auslastung.

Nun aber gibt es Wartelisten. War die Schließung also ein Fehler? „Nein“, sagt Thomas Neumann, der beim Studentenwerk als Leiter für die Standorte Zittau und Görlitz zuständig ist. Doch er bestätigt die Existenz der Warteliste: „Anfangs standen darauf knapp 40 Studenten.“ Doch selbst mit ihnen wäre der Hirschwinkel nicht ausgelastet gewesen, sagt Neumann. Hinzu komme: „Fast 20 Studenten haben ihren Wohnheimplatz am Ende doch nicht angetreten, weil sie sich beispielsweise schnell noch für eine andere Hochschule entschieden haben.“ So habe sich die Warteliste schon mal auf exakt 20 Studenten reduziert. Und mit denen wäre das Wohnheim am Hirschwinkel nur zu einem reichlichen Drittel ausgelastet gewesen. Das wäre eine schlechte Quote. „Folglich war die Schließung richtig“, sagt Neumann.

Von den 20 Studenten hat er mittlerweile 18 an den freien Wohnungsmarkt verloren – eine vertretbare Zahl, wie der Standortleiter findet: „In Görlitz gibt es ja genug bezahlbare Wohnungen, hier landet niemand auf der Straße.“ Die verbleibenden zwei Studenten haben schließlich Wohnheimplätze in Zittau erhalten und pendeln nun jeden Tag zu ihren Vorlesungen nach Görlitz. Allerdings werden sie das nicht auf Dauer tun. Erfahrungsgemäß werden im Laufe der Zeit bald wieder Wohnheimplätze frei, weil ein paar Erstsemestler ihr Studium abbrechen oder auf den freien Wohnungsmarkt wechseln. „Die beiden, die jetzt nach Zittau pendeln, rücken dann sofort nach“, sagt Neumann.

Somit gebe es aktuell keine Warteliste mehr. Und er glaubt auch nicht, dass jetzt, da das Semester bereits beginnt, noch weitere Nachfragen bei ihm eingehen: „Kurzfristige Nachzügler gab es in den anderen Jahren in Görlitz nie.“ Ganz im Gegenteil: Im Laufe der Zeit werden immer mehr Plätze frei. Das liegt auch daran, dass Studenten im Laufe des Jahres ins Auslandssemester oder Praktikum gehen und deshalb ihren Wohnheimplatz kündigen.

Genau so war es auch im Sommer vorigen Jahres, als das Hirschwinkel-Wohnheim aufgegeben wurde. Damals waren dort nur 34 von 56 Plätzen belegt, im Vogtshof waren es 172 von 242 Plätzen. Somit reichte die Kapazität des Vogtshofes damals vollkommen aus. Für Ärger sorgte allerdings die Hektik bei der Schließung des Hirschwinkels: Anfang Juni erfuhren die Studenten, dass sie bis 30. Juni raus sein müssen – und das kurz vor der Prüfungszeit. Hintergrund war, dass der Freistaat Sachsen das Gebäude zu einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber umfunktionieren wollte. Erst durch das entschlossene Eingreifen von OB Siegfried Deinege (parteilos) ließ der Freistaat diesen Plan fallen – und eröffnete die Einrichtung stattdessen auf dem Flugplatz. Die Studenten durften einen Monat länger am Hirschwinkel bleiben – also bis zum Ende ihrer Prüfungszeit. Seither steht das Gebäude leer, der Freistaat hat es inzwischen an den städtischen Großvermieter Kommwohnen verkauft, der noch in der Planung für die weitere Nutzung als Wohnraum ist.

Alles in allem sieht Thomas Neumann keinen Grund, jetzt an den Zahlen der Wohnheimplätze zu drehen: „242 sind für Görlitz eine vernünftige Größe, die wir stabil halten wollen.“ Laura Müller freut sich schon jetzt darauf, dass die ersten Studenten wieder ausziehen: „Wenn in den oberen Etagen etwas frei wird, würde ich gern hoch ziehen“, sagt sie. Dann wäre sie richtig glücklich.* ... Name von der Redaktion geändert