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Walze mit Rückenwind

Mit Rotorhohlwellen für Windkraftanlagen ist die Firma gut im Geschäft. Das macht Russland-Ausfälle mehr als wett.

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© Norbert Millauer

Von Wolf Dieter Liebschner

Coswig. Im kommenden Jahr feiert die Walzengießerei Coswig ihr 125-jähriges Bestehen. Das Unternehmen nimmt schon jetzt Anlauf, um auch im Jubiläumsjahr richtig durchstarten zu können. „Es sieht positiv aus“, sagt Geschäftsführer Wilfried Pfaffe. „Wir haben derzeit eine sehr gute Auslastung und sind optimistisch für das zweite Halbjahr.“ Die Walzengießerei strebt nach den Worten Pfaffes in diesem Jahr einen Umsatz von 49 Millionen Euro an. Das wäre eine Steigerung von mehr als 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Wesentlich schlägt dabei die Ausrichtung auf Windkraftanlagen zu Buche. Seit 2003 haben sich die Coswiger auf die Produktion von Rotorhohlwellen spezialisiert und sich damit auf dem Weltmarkt einen Namen gemacht. Und vor allem viele neue Kunden hinzugewonnen. Vor 13 Jahren wurden die ersten Gussstücke für eine Fünf-Megawatt-Offshore-Testanlage in Norddeutschland geliefert. „Heute sind Anlagen mit einer Leistung von fünf bis sechs Megawatt der Normalfall“, sagt Pfaffe. Und die Walze ist auch weiterhin dabei.

Die Coswiger Zulieferungen für die Offshore- und Onshore-Windkraftanlagen gehen vor allem nach Deutschland und Dänemark. „Aber die Hersteller sind größtenteils international tätig“, so Pfaffe. „Das ergibt sich schon durch die Unsicherheiten in Deutschland auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien. Die Akzeptanz dieser Anlagen ist geringer geworden.“ Aber der Bedarf in Europa und Übersee sei nach wie vor da. „Es gibt Steigerungsmöglichkeiten.“ Es sei zwar ein langwieriger Prozess, „doch wir wollen noch mehr in die Breite gehen, noch mehr Kunden gewinnen“, kündigt Pfaffe an. „Derzeit verlassen im Schnitt täglich zwei Rotorhohlwellen das Werk“, so Pfaffe.

Mehr Personal für Forschung und Entwicklung

Die Coswiger Rotorhohlwellen gelten als dynamisch höchstbelastete Teile der Windkraftanlagen und sind am Markt begehrt. Da kommt es dem Unternehmen zugute, dass auf spezielle Kundenwünsche eingegangen wird. Die anspruchsvollen Werkstoffe werden bei laufender Produktion ständig weiterentwickelt. Erst im vergangenen Jahr hat die Walze das Forschungs- und Entwicklungspersonal durch Neueinstellungen aufgestockt und dadurch das ingenieurtechnische Potenzial des Unternehmens ausgebaut. „Darüber hinaus arbeiten wir auf diesen Gebieten eng mit weiteren Partnern zusammen, unter anderem mit der TU Dresden, der Bergakademie Freiberg und einigen Ingenieurbüros“, so Pfaffe. Im September dieses Jahres sollen zudem zwei BA-Studenten das Walze-Team verstärken.

Die Entwicklungsarbeit voranzutreiben sei im Verein mit der Forschung am Standort Deutschland die einzige Möglichkeit, um am Markt bestehen zu können. Denn die Konkurrenten vor allem aus dem asiatischen Raum sind billiger. Das zeigt seit Beginn des EU-Boykotts das Beispiel Russland überdeutlich. Für jene Produkte, die die westlichen Hersteller – unter anderen eben auch die Walzengießerei Coswig – nicht mehr an die russische Stahlindustrie liefern dürfen, sind Unternehmen aus China und anderen asiatischen Ländern eingesprungen. „Russland ist für uns ein ganz trauriges Kapitel“, sagt Pfaffe. „Das Land hat wirtschaftlich ein großes Potenzial. Wir haben in Russland einen stabilen Markt für die Zukunft gesehen. Das ist nun vorbei.“ Nichtsdestotrotz: Coswiger Walzen werden an Partner aus der Stahlindustrie in 20 Ländern weltweit geliefert. Geschäftsführer Pfaffe sieht auch hier ein „moderates Wachstum“. Die Walzengießerei sei in der Lage, der allgemeinen Stahlkrise gut entgegenzuwirken.

Um in diesem permanent wirkenden Prozess bestehen zu können, braucht es allerdings gut ausgebildete Fachkräfte und eine funktionierende firmeninterne Struktur. Letztere wird in diesem Jahr weiter optimiert. „Wir verbessern die innerbetriebliche Logistik“, kündigt Pfaffe an. Noch in diesem Monat soll ein neues Transportsystem eingeführt werden, bestehend aus einer Zugmaschine mit Hänger. „Das hört sich eigentlich bescheiden an“, sagt Pfaffe. Aber der Hänger ist hydraulisch absenkbar und erhöht unsere Flexibilität bei innerbetrieblichen Transporten.“

Schwieriger schätzt der Walze-Chef die Situation bei den Fachkräften ein. „Im ingenieurtechnischen Bereich haben wir keine Probleme. Aber bei den Facharbeitern ist es schon problematisch.“ Die Walze hat derzeit 265 Mitarbeiter und 20 Auszubildende. Damit hat sich an der Gesamtzahl gegenüber dem Vorjahr nichts Wesentliches geändert. „Wir wollen in diesem Jahr mindestens drei Lehrlinge aufnehmen“, sagt Pfaffe. Aber wenn es fünf oder sechs werden, dann sind wir darüber auch nicht böse.“