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Waldmensch malt sich unschuldig

Die Verhandlung gegen Jürgen Wagner wegen eines Porno-Vorwurfs wurde gestern eingestellt. Mit einer Art Comic hatte der Aussteiger seine Sicht der Dinge erklärt. Offene Fragen bleiben.

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Von Matthias Klaus

Da sitzt er also wieder auf dem Platz des Angeklagten: Die altbekannte braune Robe über den Schultern, Stirnband. Letzteres scheint neu zu sein. Auf Wunsch eines Fotografen schlägt Jürgen „Öff Öff“ Wagner die Beine übereinander. So kommen seine nackten Füße besser zur Geltung. Vor einem Jahr hatte der selbst ernannte Waldmensch schon einmal diese Pose eingenommen. Damals, Anfang Mai 2011, startete die Verhandlung am Löbauer Amtsgericht wegen „Verbreitung von Pornographie“ gegen den Aussteiger Wagner. Erst gestern fand sie eine Fortsetzung – und einen Abschluss.

Mit einer Stunde Verspätung geht es Donnerstagmittag los. Genug Zeit für Jürgen Wagner, Flugblätter an die Zuschauer zu verteilen, ein Schwätzchen mit Fans und Presseleuten zu halten. Das Publikumsinteresse ist gestern deutlich geringer als am ersten Verhandlungstag. Nur etwa ein Dutzend Zuschauer sitzen im Großen Verhandlungssaal des Löbauer Amtsgerichtes.

„Wir wollten gemeinsam mit Verteidigung und Nebenklage eine Einigung finden. Es sollte auf eine Geldstrafe hinauslaufen“, begründet Richter Holger Maaß den späten Start. Aus der Einigung wurde offensichtlich vorerst nichts. Dafür meldet sich Jürgen Wagner zu Wort. Er wolle eine Erklärung abgeben. Auf einer großen Papptafel hat er seine Verteidigung aufgezeichnet – eine Art Comic mit Strichmännchen. Er stellt die Pappe auf das Fensterbrett des Gerichtssaals. „Damit alle gut sehen können“, sagt Öff Öff. 2008 soll er 50 Fotos mit seiner damaligen Freundin in eindeutigen Positionen gemacht, sie auf seinem Laptop gespeichert haben. Als das Gerät drohte, den Geist aufzugeben, kopierte der Angeklagte sämtlich Daten auf eine DVD, brachte sie nach Braunschweig zu einem Freund. Dort wurde das Ganze auf einen neuen Laptop aufgespielt. Die DVD, die unter anderem die pikanten Fotos enthielt, blieb in Braunschweig. Der damalige Freund habe versprochen, sich die Fotos nicht anzuschauen, so Jürgen Wagner. Aber offenbar tat er es doch. Die Ex-Freundin Wagners bekam davon wohl Wind, verklagte den Waldmensch. Vor einem Jahr wurde die Verhandlung unterbrochen, weil der Freund aus Braunschweig nicht als Zeuge erschienen war. Dafür gab es 500 Euro Strafe oder wahlweise fünf Tage Haft.

Gespannt wartet gestern das Gericht auf den Zeugen. Und der erscheint wieder nicht. „Obwohl er ordnungsgemäß geladen war“, grollt Richter Holger Maaß und verhängt erneut 500 Euro oder fünf Tage Haft. So oder so: Jürgen „Öff Öff“ Wagner sieht sich als das Opfer einer Verschwörung. Seit Jahren laufe eine „Kampagne“ gegen ihn. Seine damalige Freundin habe durchaus gewusst, dass er Daten-DVD an enge Freunde weitergab, um im Notfall eine Kopie für den Laptop zu haben. Hässlich Szenen soll es gegeben haben, als die Beziehung auseinanderging. Während eines Projektes in Wendisch-Paulsdorf sollen die Klägerin und andere laut Jürgen Wagner dessen Arbeitszimmer ausgeräumt, seine Sachen im Garten verstreut haben. Die Filme landeten offenbar auf Youtube im Internet. An eine Anzeige dachte Jürgen Wagner nicht. Schließlich sei er ja „aus dem Staat ausgetreten“, habe keinen Ausweis mehr, kann keine „systembejahenden Unterschriften“ leisten. „Die Klägerin ist nicht das schüchterne Mädchen“, so Jürgen Wagner. Sie sitzt ebenfalls im Gerichtssaal, als Nebenklägerin. Mit einer Mappe hatte sie sich vor der Verhandlung vor dem Blitzlichtgewitter der Fotografen geschützt. Nach diesen Erklärungen ist Verteidiger Frank Hannig sichtlich aufgebracht und stellt für seinen Mandanten Öff Öff nun seinerseits Strafanzeige gegen die Klägerin. „Sie hat den persönlichen Lebensbereich Herrn Wagners verletzt – ebenso, wie sie ihm das vorwirft“, begründet er.

Richter Holger Maaß verkündet zehn Minuten Pause. Fast eine Stunde wird daraus. Dann stellt er das Verfahren ein. Die Parteien haben sich hinter den Kulissen geeinigt. Der Verteidiger zieht seine Strafanzeige zurück. „Soll hier wirklich weiter schmutzige Wäsche gewaschen werden oder nicht endlich ein Schlussstrich gezogen werden?“, fragt der Richter. Am Ende stehe Aussage gegen Aussage. „Ein weiteres Verfahren würde doch nur unnötige Steuergelder kosten“, so Holger Maaß. Die sind eh schon fällig: Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse, unter anderem die Auslagen der Nebenklägerin. Sie wohnt inzwischen in München.