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Waldheimer Urgestein feiert 100. Geburtstag

Gertrud Bley hat kein Rezept für ein hohes Alter. Doch sie schwört auf Bewegung. Bis Ende 2014 sang sie im Volkschor.

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© André Braun

Von Helene Krause

Keiner sieht der rüstigen zierlichen Frau, mit den schneeweißen Locken ihr Alter an. Jeder, der es nicht weiß, würde sie auf höchstens 80 Jahre schätzen. Dabei feierte Gertrud Bley gestern ihren 100. Geburtstag. Um ihren Haushalt kümmert sich die betagte Dame noch selbst. Dazu gehört auch, dass sie jeden Mittag kocht.

Leicht hat sie es in ihrem langen Leben nicht gehabt. Am 11. Januar 1915, in der Zeit des Ersten Weltkrieges, wurde sie in Waldheim geboren. Sie besuchte die Mittelschule der Stadt, die sie 1931 beendete. Nachdem ihr Vater 1932 starb, musste sie schon früh ans Geldverdienen denken. „Meine Mutter stand mit mir und mit meiner drei Jahre älteren Schwester allein da. Sie meldete mich als Verkäuferin in einem Waldheimer Geschäft an. Es war eine schwere Zeit. Es gab keine Lehrstellen und nur schwer Arbeitsstellen“, erzählt die rüstige Dame. Später arbeitete sie im Rathaus in der Stadthauptkasse. 1938 starb ihre Mutter im Alter von nur 58 Jahren.

1942 wurde Gertrud Bley eingezogen. Sie ging als Rot-Kreuz-Schwester zur Kinderlandverschickung und kam in die Nähe von Prag. 1943 kehrte sie zurück und bewarb sich beim Roten-Kreuz in Leipzig, das die Einsätze der Kinderlandverschickung leitete. Sie wollte Krankengymnastin werden. Doch dazu musste sie erst eine Prüfung als Schwesternhelferin absolvieren. Danach arbeitete sie in Engelsdorf. Doch sie wollte nach Waldheim zurück. Das gelang ihr mit einem Umweg über Döbeln und Geringswalde.

Nach dem Krieg wollte sie weiter im Waldheimer Rathaus arbeiten. Doch ihre alte Stelle war besetzt. Sie fand eine Stelle als Sekretärin im Krankenhaus. Dort blieb sie bis zur Rente, zuerst in Waldheim und als die Klinik geschlossen wurde in Döbeln. Danach half sie eine Zeit lang noch bei einem Zahnarzt aus.

Verheiratet war Gertrud Bley nie. Ihr Verlobter, mit dem sie drei Jahre zusammen war, wurde im Krieg vermisst. „Wenn einer vermisst wird, ist es so, dass man immer denkt, er kommt zurück“, sagt sie. Ihre vielen Bekannten halfen ihr über die Einsamkeit hinweg. 1977 schloss sie sich einer Waldheimer Wandergruppe an. Als Jutta Winkler aus der Wandergruppe die Idee hatte, einen Chor zu gründen, war Gertrud Bley sofort begeistert. Von 1992 bis Ende 2014 war sie Chormitglied. „Die Stimme lässt nach“, begründet sie ihr Ausscheiden aus dem Chor. Mit der Wandergruppe ist sie noch heute unterwegs.

Ein Rezept für ein langes Leben hat sie nicht. „Ein langes Leben zu erreichen, ist eine Gnade Gottes“, sagt sie und: „Man darf nicht bequem sein.“ Deswegen steigt sie lieber Treppen, als einen Fahrstuhl zu benutzen. „Man muss beweglich sein und keine trüben Gedanken haben.“ Sport trieb sie nicht, auch als Kind nicht. Doch Schlittschuhlaufen und Tischtennisspielen bereiteten ihr Freude, das Wandern noch heute.