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Wald im Wachstumsrausch

200 Menschen nehmen am Tag des Waldbesitzers in Coswig teil. Sie bringen viele Fragen mit.

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© André Wirsig

Von Stephan Hönigschmid

Coswig. Das Interesse ist groß. Trotz des Feiertags sind am Mittwochmorgen reichlich 200 Menschen in den Coswiger Wald gekommen, um am Waldbesitzertag teilzunehmen. Treffpunkt ist um 9 Uhr an der Stelle, wo die Hohensteinstraße in den Gabelweg mündet. Der Meißner Revierförster Ronald Ennersch und Dirk Fanko, der im Forstbezirk Dresden für den Privat- und Körperschaftswald zuständig ist, nehmen die Teilnehmer dort in Empfang.

Die Tour führt durch den 30 Hektar großen Wald der Kirchgemeinde Coswig, der von Sachsenforst bewirtschaftet wird. Zunächst geht es den Gabelweg entlang, dann über einen schmalen Pfad querfeldein und schließlich zum Seerosenteich. Beinahe alle Altersgruppen sind vertreten. Vom Großvater mit seinen zwei Enkeln über junge Paare mit Kleinkindern bis hin zu Senioren. Entspannt laufen sie unter Führung von Dirk Fanko durch den Wald und erfahren dabei allerhand Wissenswertes.

Wald auf Klimawandel vorbereitet

Gleich am Anfang werden sie auf Höhe des Hohen Steins über eine Täuschung aufgeklärt. „In diesem Bereich könnte man denken, dass es sich um einen Laubwald handelt. Tatsächlich besteht er aber noch zu zwei Dritteln aus Kiefern und nur zu einem Drittel aus Eichen und Buchen“, sagt der 45-Jährige. Allerdings ändere sich das gerade. „Eichen und Buchen nehmen den Kiefern zunehmend das Licht weg und verdrängen sie.“ Der Wald bereite sich damit selbst auf den Klimawandel und höhere Temperaturen vor, was wirklich ein tolles Geschenk sei, sagt Fanko.

Je länger die Wanderung dauert, desto öfter stellen die Teilnehmer Fragen. So möchte ein älterer Herr wissen, warum denn am Wegesrand ein Baum rot markiert sei. „Eigentlich besteht im Wald keine Verkehrssicherungspflicht. Da der Gabelweg aber gut ausgebaut ist, müssen wir diesen Baum hier fällen“, erklärt der Mitarbeiter von Sachsenforst.

Wenig später ist der Pilzbefall ein Thema, als die Gruppe an einer etwa 200 Jahre alten Eiche vorbeikommt, die innerlich vom Pilz zerstört ist und die Sturm Herwart kürzlich zu Fall gebracht hat. „Kann man denn den Pilzbefall von außen sehen“, fragt ein Mann. Fanko antwortet: „Das ist schwierig. Anzeichen können lediglich abgebrochene Äste und Verletzungen an der Rinde sein. Deutlicher wird es schon, wenn die Fruchtkörper der Pilze aus der Rinde heraustreten“, sagt er.

Gefährlich sind für die Bäume auch Misteln, zumindest wenn sie ein bestimmtes Ausmaß erreichen. „Noch vor 20 Jahren waren die Misteln auf den Kiefern ein Problem, das man vernachlässigen konnte. Inzwischen hat sich das aber geändert.“ Zahlreiche Bäume würden daran zugrunde gehen, so Fanko. Umso spannender ist es zu hören, dass es Zeiten gab, in denen Misteln einmal willkommen waren. „In den 1920er-Jahren haben Forstbesitzer die Bäume mit Misteln geimpft, weil sie diese an einen Radeburger Apotheker verkaufen konnten. Die weiße Mistel galt beispielsweise als Heilmittel für Herz-Kreislauferkrankungen“, weiß der 45-Jährige.

Im Anschluss an einen Abstecher zu einer Esskastanie, die als Besonderheit im Kirchwald gilt und ebenfalls vom Klimawandel profitiert, sagt Fanko erneut etwas Interessantes: „Der Wald wächst heute viel schneller als früher.“ So gebe es jährlich 20 bis 30 Prozent mehr Holzertrag als vor zehn Jahren. „Grund ist der vermehrte Stickstoffausstoß der Landwirtschaft und durch die Autoabgase. Die alten Wachstumsmodelle funktionieren deshalb nicht mehr, weshalb wir das Wachstum am Computer simulieren müssen“, sagt Dirk Fanko.

Nach so viel Wissen und einer zweistündigen Tour, auf der es nur ab und zu ein wenig genieselt hat, ist der Seerosenteich erreicht.

Zu sehen sind dort unter anderem ein Baumbiegesimulator, ein mobiles Sägewerk und eine Holzspaltmaschine. Langjährigen Teilnehmern der seit 15 Jahren stattfindenden Veranstaltung gefällt das: „Ich bin seit Jahren mit dabei und habe heute wieder viel gelernt“, sagt der 67-jährige Radebeuler Joachim Kosse und fügt an: „Als Selbstwerber hole ich mir regelmäßig Brennholz aus dem Wald. Diese Beschäftigung ist mein Fitnessstudio.“