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Waidmann schießt Riesen-Keiler

Jäger János Reizer hat ein 200 Kilo schweres Wildschwein erlegt. Obwohl die Bedingungen in seinem Revier schwierig sind.

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© Sebastian Schultz

Von Eric Weser

Strehla. Jäger sein – das heißt rausgehen und schießen. „Das denken die Leute zumindest“, sagt János Reizer. Die Realität sei jedoch eine ganz andere. Ein ums andere Mal lege man sich stundenlang auf die Lauer – oft umsonst. „Das ist schon manchmal frustrierend“, erzählt der Waidmann.

Das kolossale Wildschwein, das der Strehlaer Jäger jetzt erlegt hat.
Das kolossale Wildschwein, das der Strehlaer Jäger jetzt erlegt hat. © Carsten Böhme

Was dem Strehlaer jetzt vors Gewehr gelaufen ist, entschädigt für viele der oft erfolglosen Jagdausflüge: Bei Görzig hat János Reizer ein Wildschwein erlegt, das seinesgleichen sucht. Lebendgewicht rund 200 Kilogramm, ausgeweidet 146 Kilo. Die markanten Eckzähne messen je 23 Zentimeter Länge. Kenner wissen anhand der Daten: Das ist kein gewöhnliches Tier, sondern ein echter Riese. Normalerweise sind die Tiere um die 80 Kilo schwer. – Im Jägerlatein ist bei einem dermaßen außergewöhnlichen Exemplar vom „Lebenskeiler“ die Rede. Einem Tier, wie man es nur einmal im Leben schießt. János Reizer geht davon aus, dass er in jener September-Nacht gegen 2.30 Uhr seinen persönlichen Lebenskeiler erlegt hat.

Und das, obwohl die Jagdbedingungen in seinem 1 674 Hektar großen Revier bei Strehla alles andere als einfach seien, wie der Waidmann erzählt. „Die Bauern nutzen ihre Möglichkeiten nicht, mit den Jägern zusammenzuarbeiten.“ Statt am Übergang vom Feld zum Wald Streifen mit niedrig wachsenden Pflanzen zu lassen, werde der bis zu drei Metern hoch wachsende Mais bis an den Feldrand gepflanzt.

Das mache es den Jägern schwer, ihrer Aufgabe nachzukommen und den Wildbestand niedrig zu halten. Denn die Tiere, die im Mais enorme Schäden anrichten und so auch den Ertrag der Bauern verringern können, seien ohne solche Schneisen kaum zu sehen. Habe der Jäger keine Sicht, könne er nicht zielen und abdrücken. – An jenem frühen Morgen, als er den Riesen-Keiler erlegte, hatte János Reizer Sicht. Zuvor hatte er das Tier schon im Mais gehört, als es dort anscheinend seine Notdurft verrichtete. Eine Dreiviertelstunde, nachdem das Doppelkern-Geschoss mit Bleikern den Lauf verlassen hatte, machte sich der Jäger auf die Suche nach dem Tier.

Bekannter eilt zu Hilfe

Als er das kolossale Wildschwein entdeckt hatte, rief er einen Bekannten an. Der half, den Riesen auf einen Anhänger zu verladen. Inzwischen sei das Fleisch des Tiers an Privatleute vermarktet, so János Reizer.

Wie viele Wildschweine er in diesem Jahr insgesamt geschossen hat? Da schmunzelt der Jäger – eine genaue Zahl mag er nicht preisgeben. „Zwischen zehn und 20“ würden es im Jahr, sagt der Strehlaer, der seit etwa zehn Jahren als Pächter die Flächen zwischen der Elbe und Sahlassan bejagt. Insgesamt 25 Kanzeln und Sitze dienen ihm als Deckung.

Das Jagdrevier teilt sich der Strehlaer mit einem anderen Pächter. Vor ein paar Jahren seien es noch sechs gewesen, so János Reizer. Jetzt gebe es noch einen weiteren Jäger jenseits der 80, der per Begehungsschein unterwegs sei. Viele Jäger hätten zuletzt aus Altersgründen das Gewehr an den Nagel gehängt. Und mit Nachwuchs sehe es schlecht aus. „Leider“, sagt der Vater zweier erwachsener Töchter. Gleichwohl gesteht János Reizer zu: Neben dem großen Zeitaufwand ist das Dasein als Waidmann nicht billig. Allein eine ordentliche Waffe samt Zielglas koste um die 3 500 Euro.

Das Erlegen des massiven Keilers hat das Jagdfieber bei János Reizer nicht abkühlen lassen. Nach wie vor gehe er jeden Tag raus in sein Revier, sagt er. Zeit für die Jagd hat der gebürtige Ungar, der seit Ende der 1970er in Strehla lebt: Er stehe kurz vor der Rente, erzählt der Familienvater, der jahrzehntelang im Rohrleitungsbau gearbeitet hat. Vier kleinere Wildschweine hat er seit dem Riesen-Keiler geschossen. Anfang der Woche habe er zusehen müssen, wie zwanzig Tiere außerhalb der Schussdistanz übers Feld marschierten. „Pech gehabt“, so der 62-Jährige und zuckt mit den Schultern. Jäger sein, das sei eben weit mehr als rausgehen und schießen.