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Wahlkampf am Schwarzkopfschaf

Detlef Rohrmann ist Sachsens oberster Schäfer. Er hat jetzt Versprechen eingesammelt.

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© Robert Michael

Von Georg Moeritz

Wenn das kein Wahlkampf ist: Auf der Fahrt nach Pirna-Pratzschwitz hat Sachsens Landwirtschaftsminister Frank Kupfer (CDU) am Dienstag viele Plakate von roten und braunen Parteien am Straßenrand gesehen. Seine eigene Partei war an dieser Strecke anscheinend noch nicht aktiv. Doch am Ziel in der Elbaue erwarten den Minister 130 Schwarzkopfschafe.

Die Merinos mit schwarzem Kopf sind die Lieblingsrasse des Schäfers Detlef Rohrmann, mit dem sich Kupfer gestern auf der Weide verabredet hat. Rohrmann ist nicht CDU-Mitglied, aber Vorsitzender des Sächsischen Schaf- und Ziegenzuchtverbandes. Minister Kupfer hat für ihn und seine Kollegen einige Wahlversprechen mitgebracht.

Die Tiere hinterm Weidezaun rücken neugierig näher, während Kupfer mit den Schäfern diskutiert. Die Männer mit den Hüten und den langen Knopfreihen auf den Westen sind nicht gleich zufrieden. Als Kupfer weniger Bürokratie verspricht und weniger enge Vorschriften zu den Mäh-Zeitpunkten, hört er erst Skepsis: „In Überschwemmungsgebieten nützt das nichts.“ Doch als der Minister den Schäfern mehr Verdienstmöglichkeiten bei der Deichpflege in Aussicht stellt, hört er ein anerkennendes „Das ist gut!“ aus der Gruppe.

Die Schafe haben sich inzwischen wieder in die Mitte ihrer Weide zurückgezogen und stecken gegen die Hitze die Köpfe zusammen. Schäfermeister Rohrmann versucht zwar noch einmal, Leitschaf Lisa mit Rufen anzulocken, aber die Tiere haben keine Lust mehr auf unnötige Bewegung.

Rohrmann sieht es ein. Am Tag zuvor fand er die Hitze selbst nicht zum Aushalten. Er kann auch aus der Ferne seine Herde erklären und zeigen, wo der einzige Bock steht, etwas größer als die weiblichen Schafe. Ein Bock für jeweils etwa Hundert, das genügt. Und eine Schäferfamilie für 650 Tiere. Um so viele kümmert sich Detlef Rohrmann mit Frau und Sohn.

Gegen halb sechs am Morgen hat der Schäfer die erste Herde besucht, wie fast jeden Tag. Der 56-Jährige fährt mit seinem 34-jährigen Sohn Marko die Weiden ab, die sein Familienbetrieb besitzt. Vier Weiden im Raum Pirna sind es, zusammen gut 200 Hektar. Manchmal bringt Rohrmann eine Herde auch zum Abweiden auf eine fremde Wiese, wenn es gewünscht wird.

Rohrmann schert seine Schafe selbst, um Ausgaben zu sparen, denn die Wolle bringt höchstens noch einen Euro pro Kilo. Klauenschneiden gehört ebenfalls zu den anstrengenden Arbeiten. Am liebsten macht Rohrmann, was sich wohl jeder unter Schäfer-Arbeit vorstellt: hüten. „Da hat man Ruhe“, sagt Rohrmann. Allerdings steht er dann nicht nur im Gras und dirigiert seine beiden Hütehunde. Vielmehr muss der Schäfer beim Hüten darauf achten, dass die Tiere nicht zu tief fressen, damit die Weide nicht bald wie eine abgegraste Pferdekoppel aussieht. Das wäre schlecht für die Zuschüsse vom Staat – und lässt sich per Luftbild kontrollieren.

Flatterband gegen den Wolf

In den vergangenen Tagen hatte Rohrmann wenig Gelegenheit zu seiner Lieblingsbeschäftigung. Heu mähen war an der Reihe, und für heute hat sich ein Dienstleister mit einer Strohballenpresse angemeldet. Denn der Schäfer muss auch für den Winter vorsorgen. Dann ziehen die Tiere in die beiden Ställe, die Rohrmann nach der Wende gebaut hat. Vorher war er in einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft für die Schafe zuständig. Er stammt aus einer alten Schäferfamilie. Mit dem Fressfeind Wolf hatte Rohrmann noch nicht zu tun – „ich habe noch keinen gesehen und will es auch nicht“. Für seine mobilen Zäune in Netzform hat er ein zusätzliches Flatterband angeschafft, das erhöht die Oberkante und teilt Stromschläge aus. Denn Herdenschutzhunde zusätzlich zu seinen Hütehunden will Rohrmann nicht anschaffen; deren Bellen gäbe in bewohnten Gebieten nur Ärger mit den Nachbarn.

Staatsauftrag Deichpflege

Minister Kupfer verspricht dem Verbandschef 80 Prozent Zuschuss statt bisher 60 Prozent für Anti-Wolf-Zäune. Außerdem dürfen die Schäfer mehr Weiden als bisher für Umwelt-Prämien anmelden. Das bringt Geld: Rund 340 Euro pro Hektar bekommen Schäfer wie alle Landwirte pro Jahr als Zuschuss von der Europäischen Union, zusätzlich 100 bis 300 Euro pro Hektar für Agrar-Umweltmaßnahmen.

Als Kupfer davon berichtet, meldet sich wieder ein Kritiker mit Hut: Der Minister solle lieber nicht von Beihilfen sprechen, das klinge so negativ. Das Geld sei doch für Landschaftspflege und Deich-Erhaltung. Kupfer stimmt zu und äußert Bedauern, dass die Schäfer für Fleisch und Wolle wenig Geld bekämen. Die Subventionen machen etwas mehr als die Hälfte ihrer Einnahmen aus. Doch die Schäferei sei „ein Beruf mit Zukunft“, sagt der Minister. 23 000 Schafe brauche Sachsen mindestens, um Deiche und Schutzgebiete zu pflegen.

Es gibt 75 000, vor zehn Jahren waren es noch doppelt so viele. Kupfer verspricht den Schäfern, sie bei der Zuteilung von Investitionszuschüssen zu bevorzugen – vor Kuh- und Schweinehaltern. Allerdings geht es bei denen auch um mehr Geld. Eine halbe Million Rinder und mehr als 600.000 Schweine stehen in sächsischen Ställen.

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