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Waffen aus Europa für Syriens Rebellen?

Frankreich und Großbritannien wollen liefern. Das provoziert neuen Streit in der EU.

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Von Dieter Ebeling, Brüssel

Der große Streit stand nicht auf der Tagesordnung des EU-Gipfels. Plötzlich war er einfach da. Frankreichs Präsident François Hollande forderte grünes Licht für Waffenlieferungen an die Aufständischen gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Mit den Worten „Briten und Franzosen sind für die Aufhebung des Embargos“ legte Hollande den überraschten Mitregierenden ein paar Tonnen pures Dynamit mit glimmender Lunte auf den Konferenztisch. Danach ging es nur noch um Löschversuche, möglichst ohne großes politisches Gelärme.

Es war eine unangenehme Überraschung: Erst vor zwei Wochen hatten die Regierungen der EU-Staaten einstimmig – also mit französischem und britischem Einverständnis – das Waffenembargo gegen Syrien für drei Monate verlängert. Zwar wurde die Lieferung von „nicht-tödlichem“ Militärgerät an die Rebellen ausdrücklicher als bisher erlaubt, Waffenlieferungen blieben aber verboten.

Nun verbündete sich Hollande vor dem Gipfel aber mit dem britischen Regierungschef David Cameron. Auch der verlangt eine Aufhebung des Waffenembargos. Allerdings betonte Cameron in Brüssel, er habe derzeit keine Absicht, wirklich Waffen zu liefern. Hollande gab sich viel entschlossener. Frankreich werde, was immer die anderen EU-Regierungen meinten, „seine Verantwortung wahrnehmen“. Sein Credo: „Die größte Gefahr ist es, nichts zu tun. Die größte Gefahr ist das Chaos. Deswegen müssen wir handeln.“

Während der EU-Gipfel in Brüssel tagte, gab es in Syrien am zweiten Jahrestag des Aufstands gegen das Assad-Regime massive Luftangriffe gegen mehrere Protesthochburgen.

Paris und London blieben mit dem Vorstoß allein, berichtete ein EU-Diplomat. Doch niemand mochte die beiden ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates einfach abblitzen lassen. Schon deswegen nicht, weil das Waffenembargo spätestens Ende Mai endet, wenn zuvor keine neue gemeinsame Haltung aller 27 EU-Regierungen gefunden wird. Als glückliche Fügung erwies sich, dass die Außenminister am kommenden Freitag in Dublin zu einem informellen Treffen zusammenkommen. Dort sollen sie nun doch noch einen Kompromiss finden.

Einfach wird das nicht. Einerseits geht es um die Frage, ob Waffenhilfe für die Rebellen den Konflikt beenden könnte. Bisher wurde das von den meisten EU-Regierungen verneint. Bundesaußenminister Guido Westerwelle verwies bei jeder Frage zu diesem Thema gerne auf die „Gefahr eines Flächenbrandes“.

Ungeschicktes Vorpreschen

Andererseits geht es aber auch um das Vorgehen: Hollandes Vorpreschen und die kaum verhüllte Drohung mit einem nationalen Alleingang sorgte für viel Unmut. Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker tadelte im Namen der drei Benelux-Staaten die öffentlichen Erklärungen: Sie seien ungeschickt gewesen und hätten den Eindruck entstehen lassen, als könne man nationale Alleingänge nicht mehr ausschließen.

So hatte Cameron gesagt, falls die anderen Staaten nicht mitzögen, sei „nicht ausgeschlossen, dass wir die Dinge auf unsere eigene Art tun müssen“.

Die deutsche Meinungsbildung zu dem Thema sei noch nicht abgeschlossen, bremste Bundeskanzlerin Angela Merkel. Deutschland habe „eine ganze Reihe von Vorbehalten gegenüber solchen Waffenexporten auch an die Opposition, weil man sich fragen muss, ob man dadurch nicht diesen Konflikt insgesamt noch einmal anheizt“. Schon zuvor hatte Außenminister Guido Westerwelle aus Berlin mitgeteilt, man sei natürlich zu Gesprächen über die britisch-französische Haltung bereit.

Der Streit um das Waffenembargo ist eine erneute Illustration der Schwierigkeiten, für die EU eine gemeinsame Außenpolitik zu finden. Immer wenn es ernst wird – zuletzt im Libyen-Konflikt – wird national und nicht europäisch entschieden. „Für die Mitgliedsstaaten ist es wichtig zu wissen, dass sie im Fahrersitz sitzen, die Geschwindigkeit und die Richtung kontrollieren und notfalls auch bremsen können“, heißt es in einer neuen Studie der Denkfabrik European Policy Center (EPC). (dpa)

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