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Wackeltest auf dem Friedhof

Alle Jahre wieder wird die Standhaftigkeit der Grabsteine geprüft. In Glashütte kam dabei erstmals ein Gerät zu Einsatz.

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© Egbert Kamprath

Von Maik Brückner

Glashütte. Udo Preissker setzt das Prüfgerät gegen den Grabstein. Langsam stemmt sich der Friedhofsmeister gegen das Prüfgerät und das wiederum gegen den Stein. Der Zeiger auf der Anzeige des Gerätes bewegt sich. Als er die Marke von 700 Newton erreicht, gibt Preissker nach und lässt sich zurückfallen. Franz Brand, dessen Eltern hier begraben sind, hat dem Friedhofsmeister genau zu geschaut. Von der Seite aus konnte er sehen, dass sich der Grabstein ein paar Millimeter bewegt hat. Das hätte er nicht für möglich gehalten, räumt der Schlottwitzer, den viele als Geschäftsführer einer Schlottwitzer Maschinenbaufirma und als Ortschafts- und Stadtrat kennen, ein. Denn bei seinen Besuchen auf dem Friedhof prüfe gelegentlich, ob der Grabstein noch fest steht, sagt er. Dass dieser sich bewegen lässt, sei ihm noch nie aufgefallen.

Zum Einsatz kommt auch ein Prüfgerät.
Zum Einsatz kommt auch ein Prüfgerät. © Egbert Kamprath

Der Glashütter Friedhofsverwaltung schon. Deren Mitarbeiter kontrollieren nach jedem Winter die Grabsteine auf allen Friedhöfen. „In Glashütte brauchen wir dazu drei Stunden, auf kleineren Friedhöfen etwas weniger“, sagt Maika Hanke, die als Verwaltungsmitarbeiterin im Kirchspiel arbeitet und der Friedhofsverwalterin Claudia Hummel hilft. Bisher vertrauten die beiden Frauen auf die Muskelkraft des Friedhofsgärtners und dessen Erfahrung. Denn er legte immer selbst Hand an. „Zwischen fünf und zehn Prozent der Grabsteine wackeln beim Test“, sagt Frau Hanke. Die einen mehr, die anderen weniger. Von den 350 Grabsteinen, die auf dem Glashütter Friedhof stehen, hatten 30 Grabsteine den Test nicht bestanden. Auf den anderen Friedhöfen im Bereich des Kirchspiels waren die Zahlen ähnlich.

Testgerät für 900 Euro

Insgesamt gebe es wenig Probleme, sagt Frau Hanke. Sie muss lange überlegen, als sie gefragt wird, ob schon mal Gefahr im Verzug bestand. „Ja, einmal. Damals mussten wir den Grabstein umlegen“, sagt sie. Aber das sei schon eine Weile her.

In Glashütte ist es nicht üblich, dass man Zettel auf die Grabsteine klebt, mit denen die Leute, die sich um die Gräber kümmern, zum Handeln aufgefordert werden. Hier werden die Leute angeschrieben. Während es aus Bärenstein, Johnsbach und Dittersdorf keine Widersprüche zu den Briefen gab, meldeten mehrere Glashütter Zweifel an. Sie teilten nicht die Ansicht des Kirchspiels. „In 20 Fällen stellten die Leute Fragen“, sagt die Verwaltungsmitarbeiterin. Dazu zählte auch Franz Brand.

Im Kirchspiel überlegte man, wie man die Zweifel ausräumen könne. Der Kirchenvorstand beschloss, die Leute zu einem öffentlichen Test auf den Friedhof einzuladen. Hier sollte den Angehörigen gezeigt werden, warum sie einen Brief bekommen haben. Um unschöne Diskussionen auf dem Friedhof zu vermeiden, sollte der Test nicht allein durch den Friedhofsmeister erledigt werden. Der Kirchenvorstand beschloss, für rund 900 Euro einen Kipp-Tester mit Kraftmesseinrichtung zu kaufen. Dieser zeigt genau an, wie groß die Kraft ist, die auf den Stein einwirkt. „Dafür gibt es genaue Vorgaben“, sagt Friedhofsverwalterin Claudia Hummel, die heute ebenfalls auf dem Friedhof ist und die Unterlagen zum Nachlesen dabei hat. Grabsteine, die zwischen 50 und 70 Zentimeter groß sind, dürfen sich bei einer Belastung von 300 Newton nicht bewegen. Grabsteine bis 1,20 Meter müssen Kräften von 500 Newton standhalten.

Der Einladung des Kirchenvorstandes war nicht nur Franz Brand gefolgt. Auch Veronika Krügel aus Schlottwitz war gekommen. Die Angestellte hat sich extra freigenommen, um sich den Test vor Ort anzuschauen. Udo Preissker zeigte ihr, dass einer der beiden Grabsteine, für die sie zuständig ist, beim Test durchgefallen ist. Allerdings drohte dieser nicht umzukippen.

Ähnlich ist es beim Grabstein, um den sich Jürgen Moche laut Brief kümmern sollte. Der Glashütter mochte das nicht glauben und schaute ebenfalls beim Test vorbei. Er fühlte sich bestätigt, wenngleich sich der Stein ein wenig bewegen ließ. Moche, der im Baugeschäft tätig ist, sieht keinen akuten Handlungsbedarf. Deshalb möchte er wissen, welche Alternativen es gibt. Die beiden Kirchspielmitarbeiterinnen bieten ihm an, die Verantwortung für den Stein zu übernehmen. Er nimmt den Vorschlag an und quittiert das in den Unterlagen.

Jürgen Moche verlässt zufrieden den Friedhof. Auch mit den anderen, die die Testergebnisse angezweifelt haben, können sich die beiden Frauen vom Kirchspiel einigen. Die meisten kündigten an, einen Steinmetz mit den Arbeiten zu betrauen, oder selbst Hand anzulegen. Mirko Danzmann, Mitglied des Kirchenvorstandes, ist nach der Begehung zufrieden. Die Anschaffung des nicht ganz billigen Testgerätes hat sich auf diese Weise ausgezahlt.