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Wachschutz für den Maibaum

Mit fröhlichen Volksfesten feiert Pirna an der Elbe den Tag der Arbeit. Doch in den Trubel mischen sich auch ernste Töne.

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© Marko Förster

Von Thomas Möckel

Pirna. Am Anfang war der Schraubenschlüssel. Feuerwehrleute der Altstädter Wache in Pirna lösen mithilfe des Werkzeuges flink ein paar Muttern und Bolzen, das rostbraune Eisengestell, das an dieser Stelle aus dem Boden ragt, muss gut präpariert sein. Hier auf der Elbwiese, unweit der Bahnunterführung zum Kanu-Bootshaus am Steinplatz, wird es gleich stehen, das Wahrzeichen für den anbrechenden neuen Monat. Die Pirnaer wollen am 30. April fröhlich in den Mai hineinschwofen.

Gelungener Wurf: Am Stand der Linken konnte man beim Büchsenwerfen solche Probleme wie Rassismus und Militarismus symbolisch aus der Welt schaffen.
Gelungener Wurf: Am Stand der Linken konnte man beim Büchsenwerfen solche Probleme wie Rassismus und Militarismus symbolisch aus der Welt schaffen. © Norbert Millauer

Bunter Start in den Mai

Die Weine der Region konnten Gäste dort genießen, wo der Blick auf die Weinberge am schönsten ist
Die Weine der Region konnten Gäste dort genießen, wo der Blick auf die Weinberge am schönsten ist
Gruslig und schaurig war die  Walpurgisnacht in Heidenau.
Gruslig und schaurig war die Walpurgisnacht in Heidenau.
Nachdem Feuerwehrleute das Feuer entzündeten, gab es die besonders mystische Heidenauer Nacht, die zum fünften Mal der Heimat- und Kulturverein gestaltet hatte. Jeweils für eine Viertelstunde begeisterten elf stilecht gekleidete und geschminkte Akteure vom Heidenauer Hexenclub mit zwei eigens kreierten Tanzshows nach dem Motto: Gruselige Hexen zieht es in den Wilden Westen.
Nachdem Feuerwehrleute das Feuer entzündeten, gab es die besonders mystische Heidenauer Nacht, die zum fünften Mal der Heimat- und Kulturverein gestaltet hatte. Jeweils für eine Viertelstunde begeisterten elf stilecht gekleidete und geschminkte Akteure vom Heidenauer Hexenclub mit zwei eigens kreierten Tanzshows nach dem Motto: Gruselige Hexen zieht es in den Wilden Westen.
Emma (16) aus Heidenau und Tommy aus Dohna schauen sich am Walpurgisfeuer  tief in die Augen.
Emma (16) aus Heidenau und Tommy aus Dohna schauen sich am Walpurgisfeuer tief in die Augen.
Andrea (36) aus Heidenau und Jenny (27) aus Dresden,  die beiden machen mit ihrem Smartphone ein Selfie vor dem wärmenden Walpurgisfeuer in Heidenau
Andrea (36) aus Heidenau und Jenny (27) aus Dresden, die beiden machen mit ihrem Smartphone ein Selfie vor dem wärmenden Walpurgisfeuer in Heidenau
Maivergnügen auf den Elbwiesen in Pirna.
Maivergnügen auf den Elbwiesen in Pirna.
Hier geht eine Hexe in Flammen und Rauch auf: Großes Spektakel beim Walpurgisfeuer bzw. Hexenfeuer in Graupa, auf der Festwiese vor dem Jagdschloss.
Hier geht eine Hexe in Flammen und Rauch auf: Großes Spektakel beim Walpurgisfeuer bzw. Hexenfeuer in Graupa, auf der Festwiese vor dem Jagdschloss.
Zum Familienfest des DGB auf dem Parkplatz an der Elbe in Pirna sprach die stellvertretende DGB-Vorsitzende Sachsens, Anne Neuendorf.
Zum Familienfest des DGB auf dem Parkplatz an der Elbe in Pirna sprach die stellvertretende DGB-Vorsitzende Sachsens, Anne Neuendorf.
Sport und Spiel beim Familienfest des DGB auf dem Parkplatz an der Elbe in Pirna.
Sport und Spiel beim Familienfest des DGB auf dem Parkplatz an der Elbe in Pirna.

Der Verband der Selbstständigen hat wieder zum Tanz in den Mai geladen, ein kleines Volksfest soll es sein. Kinder springen an Gummiseilen auf und ab, toben auf Hüpfburgen, das Technische Hilfswerk dreht mit Gästen in Schnellbooten auf der Elbe rasante Runden. Der Wind schickt eine steife Brise über die Elbwiesen, am späten Nachmittag tröpfeln die Gäste erst etwas spärlich herbei. „Ein paar mehr Besucher können es immer sein“, sagt Tilo Kalkreiber, Chef des Pirnaer Gewerbevereins. Schon wenig später ist die Wiese voll, viele bleiben lange, sehr lange.

Ein Feuerwehr-Geländewagen mit Anhänger bringt den Nachmittags-Star, zunächst als langen grünen Pfosten, den ein weißes Band umringelt. Die Kameraden arretieren den Pflock mit einer Seite im Eisengestell, an dem sie zuvor die Bolzen lösten, das andere Ende ruht auf einem Holzgerüst. An dieser Seite befestigen die Feuerwehrleute den Kranz und tüdern etwas Birkengrün an die Spitze: Aus dem Pfahl wird Pirnas Maibaum. Flugs noch ein Seil befestigt, durch eine Öse gezogen und los geht es, einige Feuerwehrleute ziehen den Baum, andere drücken von unten, nach nicht einmal einer Minute ist alles senkrecht. Dann ist wieder der Schraubenschlüssel dran, die Männer bändigen das Großgrün im Eisengestell. Applaus.

Weil so viel Einsatz durstig macht, gibt es gleich etwas zu trinken. Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke sticht ein Fass Freibier an, 30 Liter, gestiftet vom Veranstalter. Mit drei Schlägen treibt der Rathauschef den Hahn ins Holz, doch das Bier tröpfelt nur. „Wenn das so langsam läuft, dauert das Fest ja eine Woche, kalauert DJ Mario Eichler, Herr über die Tanzmusik auf der Bühne. Nach kurzer Zeit fließt der Hopfensaft dann doch, am Fass fehlte einfach die Belüftung. Wenig später spielt die Pirnaer Band „Manina“, danach legt DJ Eichler auf. Bis Mitternacht, wenn die Musik offiziell verstummen muss, tanzen die Gäste.

Am Tag darauf zelebriert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) seine Maifeier am Pirnaer Elbeparkplatz, Zeit für etwas ernstere Töne. Auf einer kleinen Meile hinter der Buswendschleife werben beispielsweise der Pirnaer Tierschutzverein, die Pirnaer Tafel und das Familienzentrum für ihre Anliegen, am Parteistand der Linken kann man sich auf leicht brachiale, aber simple Weise der Sorgen dieser Welt entledigen. Büchsenwerfen ist angesagt, auf den Dosen sind Begriffe wie „Homophobie“, „Rassismus“ und „Militarismus“ aufgedruckt, mit einem Ball kann man all das wegballern. Wenn es doch so einfach wäre.

Dann tritt Anne Neuendorf auf, DGBVizechefin in Sachsen. Sie sagt, die Gewerkschaft feiere den Tag der Arbeit als Tag des Kampfes um gute Arbeit. Unter guter Arbeit versteht sie, dass Arbeitnehmer ein menschenwürdiges Einkommen haben, das ihnen das Leben sichert, ein Einkommen, das ein gutes Auskommen ermöglicht. Neuendorf ruft die Arbeitnehmer auf, sich untereinander zu solidarisieren, Gewerkschaften beizutreten und Betriebsräte zu gründen, um Tarifgehälter zu erstreiten. Zudem fordert die Gewerkschaftsfrau für Arbeitnehmer fünf bezahlte Tage im Jahr, um sich anständig weiterbilden zu können. „Darüber hinaus kämpfen wir für Solidarität statt gesellschaftlicher Spaltung und Ausgrenzung und zeigen klare Kante gegen Rassismus und extreme Rechte“, ergänzt DGB-Kreischefin Anja Oehm.

Nach den Reden feiert das Volk weiter an den Elbwiesen, auch hinten am Maibaum, der dank neuer Taktik noch steht. Zu schmerzhaft ist die Erinnerung an 2017. Unbekannte hatten letztes Jahr den Pirnaer Maibaum nachts aus der Verankerung geschraubt und umgestoßen, den Kranz warfen sie in die Elbe, Sportler fischten ihn am Ruder-Bootshaus aus dem Fluss. Nun ist der Baum stärker verschraubt, Vorhängeschlösser sichern die Bolzen, nachts patrouilliert ein Wachschutz. „Ein solches Malheur wie 2016“, sagt Tilo Kalkreiber, „soll uns nicht noch einmal passieren.“