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VW-Herausforderer kommt vom Balkan

Der Eigentümer von Prevent ist der reichste Unternehmer in Bosnien und Herzegowina.

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Von Michael Rothe und Thomas Roser, SZ-Korrespondent in Belgrad

Selten hat ein Unternehmen so zu seinem Firmennamen gestanden wie der derzeitige Herausforderer von Volkswagen. Prevent heißt zu Deutsch „Verhindern“. Zwei sächsische Ableger jener bosnisch-slowenischen Zuliefergruppe haben sich mit dem Weltkonzern angelegt. Angeblich nicht bezahlten Rechnungen des Autobauers und fristlosen Auftragskündigungen begegnen ES Automobilguss im erzgebirgischen Schönheide und der Sitze-Spezialist Car-Trim im vogtländischen Plauen mit einem Lieferstopp bei Getriebeteilen und Sitzen. Folge: An mehreren Standorten stehen in dieser Woche die Bänder still – auch in der Golf- und Passat-Fertigung in Zwickau. Betroffen seien insgesamt gut 27 000 Mitarbeiter. VW beantragte Kurzarbeit.

„Es ist eine schwierige Situation entstanden“, sagt Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD. Er appelliert an die Streithähne, sich schnell zu einigen. Mit Wertungen hält er sich zurück. Bei Prevent handle es sich „um ein kompliziertes Firmenkonstrukt, bei dem nicht klar sei, wer welche Entscheidungen getroffen hat“.

Doch wer verbirgt sich hinter dem mächtigen Zulieferer? Das Rätselraten um die bosnisch-slowenische ASA Prevent-Gruppe, die dem Weltkonzern VW das Leben schwermacht, ist groß. Obwohl Firmengründer und Eigentümer Nijaz Hastor als reichster und erfolgreichster Unternehmer in Bosnien und Herzegowina gilt, lässt sich die Biografie des preisgekrönten, aber öffentlichkeitsscheuen Konzernchefs selbst auf heimischen Websites nur bruchstückhaft rekonstruieren. Sicher ist: Der Aufbau seines verschachtelten, in 15 Staaten und vier Kontinenten operierenden Imperiums war und ist mit VW und Wolfsburg eng verbunden.

Hastor führt die Gruppe gemeinsam mit seinen nicht minder medienscheuen Söhnen. Kenan ist Geschäftsführer der Parramatta Capital Holding, auch Eigentümerin von Car-Trim in Plauen. Bis zum Januar 2016 waren der 36-Jährige und sein ein Jahr jüngerer Bruder Damir auch Chefs der deutschen Prevent DEV GmbH. Sie firmiert wie die Bloukrans Ohlanga Capital Holding, Mehrheitseignerin von ES Automobilguss in Schönheide, und eine Reihe weiterer Prevent-Firmen in der Hannoverschen Straße 2c in Hannover.

Etwas Aufschluss über den Werdegang ihres 65-jährigen Vaters und Firmengründers Hastor gibt ein Protokoll des Ausschusses für öffentliche Auszeichnungen des Kanton-Parlaments in Sarajevo vom April dieses Jahres: 1951 im ostbosnischen Ustipraci geboren, absolvierte er seine Schulausbildung in der nahen Provinzstadt Gorazde. Nach Abschluss seines Ökonomie-Studiums 1974 in Sarajevo fand Hastor eine erste Anstellung beim bosnischen Automobilwerk TAS: In Lizenz fertigte das Werk von 1972 bis zum Ausbruch des Bosnienkriegs 1992 VW-Modelle, zunächst den Käfer, danach den Golf und den Caddy. Als TAS-Direktor soll Hastor an fast allen Verhandlungen mit VW beteiligt gewesen und 1989 vor Kriegsausbruch nach Wolfsburg übergesiedelt sein. „Dies war der Beginn einer ganz neuen Geschichte – produktionstechnisch und menschlich“, so seine vom Ausschussprotokoll zitierte Biografie.

In seiner Heimat begann der umtriebige Hastor nach Kriegsende zu investieren. Mit einer Handvoll Mitarbeitern gründete er 1995 die ASA-Gruppe, 1999 das auf Sitzbezüge spezialisierte Prevent. Von Modetextilien über Polstermöbel, Jachten bis zu Autobremsen reicht heute das Sortiment. Vor allem als Sitzbezuglieferant für Autos hat sich das weltweit 14 000 Mitarbeiter zählende Unternehmen einen Namen gemacht. Die Kundenpalette reicht von Dacia bis Porsche. Allein die bosnische Prevent-Tochter mit 6 500 Beschäftigten wies 2015 laut Forbes gut 385 Millionen Euro Umsatz auf und rangiert einsam an der Spitze der größten heimischen Privatunternehmen.

Nur für seine Stiftung zur Förderung bosnischer Talente durch Studienstipendien oder für sein Werk in Srebrenica sucht das Unternehmen die Öffentlichkeit. Sonst hält sich der Konzern beim weltweiten Kaufen und Abstoßen von Töchtern und Subunternehmen wie beim Erwerb der deutschen Car-Trim eher bedeckt.

Obwohl Hastor in diesem Jahr mit 250 Millionen Euro das höchste Gebot zur Übernahme von Sloweniens mehrheitlich staatlichen Automobil-Lieferanten Cimos einreichte, von dem er im Vorjahr bereits das Werk in Srebrenica übernommen hatte, wurde ihm der Zuschlag versagt. Grund: Gegen den in seiner Heimat wegen seines sozialen Engagements mehrfach preisgekrönten Unternehmer sollen Ermittlungen wegen des Verdachts des betrügerischen Bankrotts der slowenischen Tochter Prevent Global im Jahr 2010 laufen.

Übrigens: Prevent kann auch mit „Vorbeugen“ oder „Vorangehen“ übersetzt werden – je nach Sinn und Deutungshoheit. Doch da scheiden sich derzeit die Geister.