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Vor 150 Jahren startete die Südlausitzer Gürtelbahn

Großschönau begrüßte den ersten Zug aus Mittelherwigsdorf mit einer Ehrenpforte und Böllerschüssen.

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© Repro: SZ

Von Dietmar Rößler

Am 2. Januar 1868, einem Donnerstag, fuhr der erste Zug im Bahnhof Großschönau ein. Das geschah 13.45 Uhr, damals schrieb man 1¾ nachmittags. Die festlich geschmückte Lokomotive hieß selbstverständlich „Großschönau“ und war mit einer sächsischen und einer bayerischen(?!) Fahne geschmückt. Im Bahnhof Scheibe, heute Mittelherwigsdorf, dem Beginn der Neubaustrecke, waren mit Zügen aus Zittau und Löbau angereiste Honoratioren in den Festzug eingestiegen: Regierungsvertreter, Spitzen von Behörden, auch die Direktoren der Löbau-Zittauer und der Zittau-Reichenberger Eisenbahn.

Bahnstrecken waren damals vielfach privat. Die neue Strecke gehörte allerdings zur Sächsischen Staatseisenbahn. 1864 hatte das Königreich ein Projekt „Südlausitzer Gürtelbahn“ beschlossen, um die Wirtschaft, vor allem die Textilindustrie, entlang der sächsisch-österreichischen Grenze anzukurbeln. Jetzt öffnete deren erster Abschnitt, selbstverständlich zur großen Freude der anliegenden Gemeinden. In Hainewalde wurde der Zug mit Mörserschüssen begrüßt. Viele Bürger hatten sich am festlich geschmückten Bahnhof eingefunden. Gemeindevorstand Hamann brachte ein Hoch aus. Selbstverständlich war auch der Gemeinderat dabei und der Ortsrichter. Großschönau hatte sogar einen „Gerichtsamtmann“. Der hieß Lachmann und betonte in einer Rede die Wichtigkeit dieses Tages für den Ort. Natürlich war auch hier der Bahnhof geschmückt. Beim Eintreffen des Zuges wurden Böllerschüsse abgefeuert. Nach der Rede fuhren die Gäste mit Schlitten durch eine Ehrenpforte und das geschmückte Großschönau zum „Gasthof zur Post“. Hier gab es ein gemeinsames Festmahl, an dem auch viele Einwohner Großschönaus und der Nachbardörfer teilnahmen. Ein Leserbrief an die „Zittauer Nachrichten“, dem diese Informationen zu verdanken sind, berichtete, dass nur ein Teil der Gäste den für die Rückfahrt vorgesehenen Zug um 5.45 Uhr nachmittags nahm. Der größere Teil kehrte erst mit dem letzten Zug nach Zittau zurück. Es scheint also eine schöne Feier gewesen zu sein.

Auf die Feier zur Verlängerung der Strecke ins benachbarte Warnsdorf musste man noch über zwei Jahre warten. Hier fuhr der erste Zug am 15. August 1871. Ab 1. November 1874 rückte der Schienenstrang nach Seifhennersdorf vor, allerdings von Eibau aus. Die Lücke Warnsdorf–Seifhennersdorf konnte erst am 15. September 1876 geschlossen werden, weil es auch damals schon Probleme mit Grundeigentümern gab. Danach war endlich die direkte Verbindung von Zittau nach Ebersbach hergestellt. Von Oberoderwitz nach Eibau auf Schienen zu fahren, war erst am 15. Oktober 1879 möglich.

Die Strecke über Großschönau ist somit die ältere Bahnverbindung. Aber historische Dinge hatten bei der Zerstörung der Oberlausitzer Bahninfrastruktur mit der „Effizienzkeule“ in jüngerer Zeit bekanntlich überhaupt keine Bedeutung. Schließlich musste die allererste Zittauer Bahnverbindung mit der Welt, die Strecke nach Löbau über Herrnhut, sogar vor der Verbindung Seifhennersdorf–Eibau sterben.

Entlang der Mandau nach Großschönau fahren noch Züge. Vor allem weil die Strecke auch eine wichtige Verbindung im tschechischen Verkehrsnetz ist. Touristisch könnte sie aufgewertet werden, als Verkehrsweg von der Sächsisch-Böhmischen Schweiz ins Iser- und Riesengebirge. Vielleicht gibt es zwischen beiden Urlaubsregionen einmal durchgehende Züge. Entlang der Mandau und über Großschönau und Zittau…