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Vonovia verhängt Balkon-Zwang

Die Mieter in der Pirnaischen Vorstadt ärgern sich über eine geplante Modernisierung und unerwünschte Nachbarn.

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© Sven Ellger

Von Sarah Grundmann und Sophie Arlet

Dresden. Geht der Trend zum Zweitbalkon? An 96 Vonovia-Wohnungen auf der Mathilden-, Zirkus- und Seidnitzer Straße werden Austritte angebaut, davon haben allerdings bereits 36 Apartments einen Balkon. Die Mieter sind wenig begeistert und befürchten Mieterhöhungen. Henry Trautvetter lebt seit fünf Jahren in dem Areal. Bisher hat er nichts vermisst. „Die Balkone müssen nicht sein“, sagt der 37-Jährige. Doch er könnte damit leben. Viel mehr ärgert ihn eine andere Veränderung. Denn der Balkon-Anbau ist nicht die einzige Umgestaltung des denkmalgeschützten Areals.

Im Januar hatte das Bochumer Wohnungsunternehmen angekündigt, fünf Neubauten zu errichten. Die sollen ausgerechnet auf den Grünflächen zwischen der bestehenden Bebauung entstehen. Die Mieter wehren sich gegen die Pläne, haben sich in einer Initiative mit dem Namen „Pirnaische Grünstadt“ zusammengeschlossen und eine Petition mit knapp 50 Unterschriften abgegeben. Bei einer öffentlichen Sammlung unterzeichneten weitere 300 Bürger, die nicht in der Wohnsiedlung leben. Auch diese Liste wurde in die Stadtverwaltung, direkt an den Oberbürgermeister, gereicht. Demnächst sind ein Hoffest und eine Podiumsdiskussion geplant. Dass die Vonovia nun mit Briefen den Anbau von Balkonen ankündigte, erregt die Gemüter erneut.

„Wir Mieter sind entsetzt und lehnen den Anbau an den denkmalgeschützten Gebäuden überwiegen ab“, so Werner. Er findet es zynisch, angesichts der geplanten Neubauten zusätzliche Balkone anzubauen. Damit werde es zu eng und der Nachbar von gegenüber rücke „in greifbare Nähe.“ Doch für den Anbau der Zweitbalkone hat die Vonovia eine Erklärung:

Die Auflagen des Denkmalschutzamtes sind schuld. Die Vonovia habe ursprünglich angedacht, nur an den Erdgeschosswohnungen Brüstungen anzubauen. „Die haben gar keinen Balkon“, sagt Bettina Benner, Pressesprecherin des Unternehmens. „Aber das Denkmalschutzamt hat aus Gründen der Gestaltung vorgesehen, die Balkontürme bis zur obersten Etage zu bauen. Nur so haben die Mieter der Erdgeschosswohnungen die Möglichkeit, auch einen Balkon zu erhalten.“ Die oberen Wohnungen hätten an den Giebel- beziehungsweise Längsseiten bereits kleine Austritte. Nun werden weitere an den Wohnzimmern angebaut. „Die Anbauten sind aufgrund ihrer Größe eine sinnvolle Ergänzung zu den bereits vorhandenen kleinen Balkonen“, so Benner.

Auch wenn die Mieter das anders sehen, werden sie wohl keine Chance haben, sich gegen die geplanten Arbeiten zu wehren. Denn Mieter müssen Modernisierungsmaßnahmen grundsätzlich dulden, wie Mathias Wagner vom Dresdner Mieterverein mitteilt. „In den Entscheidungsprozess müssen sie nicht einbezogen werden.“ Und auch eine anschließende Mieterhöhung sei legitim – bis zu elf Prozent der in das Apartment investierten Kosten. Wie viel das ausmachen wird, kann Bettina Benner noch nicht sagen. Derzeit liege die Kaltmiete bei 5,41 Euro pro Quadratmeter. „Wie bei jeder Modernisierung können uns die Mieter jederzeit ansprechen“, sagt die Pressesprecherin.

Die Mitglieder der Bürgerinitiative wollen nicht so schnell aufgeben und sowohl gegen die Balkone als auch die Neubauten vorgehen. Bisher hat die Vonovia zwar noch keinen Bauantrag gestellt. Trotzdem treffen sich die Anwohner regelmäßig und beratschlagen, was sie unternehmen können, wenn tatsächlich irgendwann die Bauarbeiter vor der Tür stehen. Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne) hat den Anwohnern mitgeteilt, dass er das Bauvorhaben prinzipiell begrüßt. Das Karree gehöre innerhalb der Innenstadt „zu den Baugebieten mit der geringsten baulichen Dichte“, heißt es in dem Schreiben. Da in der Pirnaischen Vorstadt heute 1 000 Menschen weniger leben als noch 1990, sei der Bau von neuen Wohnungen willkommen. Allerdings werde die Stadt das Bauprojekt begleiten und darauf achten, dass nicht zu viel Grün verschwindet.

Die Anwohner dagegen schlagen in ihrer Petition vor, die Grünflächen unter Schutz zu stellen. Außerdem fordern sie die Verwaltung dazu auf, mit der Vonovia über Alternativen zu den geplanten Neubauten zu diskutieren. Am 12. April ist die Petition Thema im Stadtrat. Auf Antrag der Linksfraktion findet zudem eine Aktuelle Stunde zu dem Bauvorhaben statt. Die Sitzung im Plenarsaal des Neuen Rathauses beginnt um 16 Uhr.