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Von wegen weißes Gold

Mit Porzellan Geld zu verdienen ist nicht einfach. Das weiß man nicht nur in Meißen, sondern auch in Peritz. Ein Besuch in der Manufaktur Raupach.

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© Sebastian Schultz

Von Eric Weser

Wülknitz. Hier ein 670 Mitarbeiter großer Staatsbetrieb, dort ein zweiköpfiges, privates Familienunternehmen. Da über 300 Jahre Geschichte, dort etwas mehr als 20. Die einen haben kürzlich einen Millionenverlust verkraften müsse, können aber auf die Politik und den Steuerzahler hoffen. Die anderen müssen Gewinne erwirtschaften, um zu existieren. Während die einen hoch spezialisiert arbeiten, müssen die anderen Tausendsassas sein. Die Unterschiede könnten kaum größer sein zwischen der Porzellanmanufaktur in Meißen und der, die das Ehepaar Raupach in Peritz betreibt.

Im Manufaktur-Fenster können Besucher fertige Produkte anschauen. Die Stücke kommen oft in schlichtem Weiß daher. Das hat nicht nur ästhetische, sondern auch technische Gründe.
Im Manufaktur-Fenster können Besucher fertige Produkte anschauen. Die Stücke kommen oft in schlichtem Weiß daher. Das hat nicht nur ästhetische, sondern auch technische Gründe. © Sebastian Schultz

Viel mehr als den Namen und das Material haben beide auch nicht gemein, sagt Ulrich Raupach. „Meissen ist für uns keine Konkurrenz.“ Man bewege sich auf völlig unterschiedlichen Gebieten. In ihrer rund 200-Quadratmeter-Werkstatt stellen Raupachs vor allem Gebrauchsgeschirr her: Teller, Tassen, Schüsseln. Daneben Wohnzubehör wie Windlichter oder Vasen. Alles kommt im klassischen Porzellan-Weiß daher, nur ganz vereinzelt gibt es schwarze, blaue oder grüne Akzente. „Praktisch, zeitlos, modeunabhängig“, charakterisiert Ulrich Raupach die Gestaltung.

Begrenzte Kapazität

Die Ideen für seine Produkte entwickelt das Ehepaar zusammen. Gerade entsteht eine neue Geschirrserie. Das Angebot soll aber übersichtlich bleiben. Etwas anderes passe nicht zur Firma, sagt Ulrich Raupach. Und es würde auch Lieferprobleme nach sich ziehen – denn die Produktionskapazitäten in dem Zweimannbetrieb sind begrenzt. „Gleichzeitig erwarten die Leute aber heute einfach kurze Lieferzeiten“, sagt Ulrich Raupach. Momentan arbeiten er und Ehefrau Heike die letzten Bestellungen aus der Weihnachtszeit ab und füllen das leere Lager wieder auf. Etwa die Hälfte des Jahresumsatzes macht der Betrieb in der Weihnachtszeit. „Da verteilt es sich jetzt schon besser übers Jahr. Anfangs waren es zwei Drittel“, sagt Ulrich Raupach.

Ihre Produkte verkauft die Mini-Manufaktur direkt an die Kunden. Nur zu produzieren oder an Fachgeschäfte zu verkaufen, funktioniere nicht, so die Peritzer Manufaktur-Inhaber. Deshalb fährt Ulrich Raupach seit mehr als 20 Jahren zu Messen und Märkten – nach Dortmund, Aachen, Hamburg. Dass sämtliche der jährlich bis zu 25 Anlaufpunkte in den alten Bundesländern liegen, habe nichts damit zu tun, dass die Menschen dort mehr Geld besitzen. „Wir haben uns dort einfach im Laufe der Jahre einen Kundenstamm aufgebaut“, sagt der diplomierte Designer. Grundlage dafür sei die ungebrochene, westdeutsche Tradition der Handwerker-Märkte, die im Osten fehle. „Die Leute gucken sich solche Märkte hier an wie ein Museum. Sie sind nicht darauf eingerichtet, in so einem Umfeld etwas zu kaufen“, sagt Ulrich Raupach.

Überlegungen für einen neuen Online-Shop

Die meisten Erstkontakte mit Kunden knüpft die Manufaktur noch immer über persönliche Begegnungen auf den Messen und Märkten. Ein anderer Vertriebskanal für die Peritzer aber als zunehmend wichtig: das Internet. Ihr kleines Unternehmen wollen Raupachs darauf einstellen, es gibt Überlegungen für einen neuen Online-Shop. Doch der Schritt birgt Risiken: „Auf der einen Seite kann man Kunden gewinnen. Auf der anderen Seite muss man verhindern, dass man permanent in die Situation kommt, nicht liefern zu können“, skizziert Ulrich Raupach das Problem. Dass das Peritzer Familienunternehmen einfach mehr Leute einstellt und seine Produktion ausbaut, sei aber illusorisch.

Angestellte haben Raupachs schon seit der Jahrtausendwende nicht mehr. Die Kosten seien einfach zu hoch. Aber nicht fürs Material, das sei im Verhältnis „spottbillig“. Von wegen weißes Gold. „Das ist eine Vorstellung aus dem Barock, die Zeiten sind lange vorbei“, sagt Ulrich Raupach. „Das, was kostet, ist die Arbeitskraft – und ein wenig Energie.“ Damit die Inhaber auf ein durchschnittliches Lehrergehalt kämen, müssten die Produktpreise verdoppelt werden, schätzt er. „Die Leute sind aber einfach nicht bereit, das zu zahlen“, so seine Erfahrung. Also bleiben die Preise niedrig – und der Betrieb klein. Leben können die Raupachs von ihrer Arbeit trotzdem – nur die eine oder andere Investition am alten Gasthof, in dem das Ehepaar vor 21 Jahren seine Werkstatt eingerichtet hat, dauert eben etwas länger.

„DDR-Entscheidung“

Mit Keramikherstellung Geld zu verdienen, sei ganz klar „eine DDR-Entscheidung“ gewesen, sagt Ulrich Raupach, der wie seine Frau Jahrgang 1964 ist und vor der Wende ein Studium an der Hallenser Kunsthochschule aufgenommen hatte. Raupachs, die beide von Beginn an etwas Eigenes aufbauen wollten, zogen den Plan auch nach der Wende durch. Nach Peritz verschlug es sie bei der Suche nach einem Haus mit genügend Platz für die eigene Werkstatt. Im Laufe der Jahre sei sie ein Landmensch geworden, sagt Heike Raupach. „Den Wald, den weiten Horizont, das möchte ich nicht mehr missen.“ Wenn die 51-Jährige den Porzellan-Herstellungszyklus von Gießen, Trocknen und Brennen hinter sich lässt, zieht es sie zu ihrem Pferd. Oder zum Peritzer Ukulelenorchester. Längst sind die Porzellan-Künstler in dem Wülknitzer Ortsteil fest verwurzelt.

Ulrich Raupach muss ein paar der Wurzeln demnächst wieder lösen – zumindest zeitweise: In zwei Wochen geht die Marktsaison wieder los, dann heißt es Auto bepacken und gen Westen düsen. Während Ehefrau Heike daheim die Produktion am Laufen hält, baut ihr Mann den Stand auf, führt Hunderte Kundengespräche, um wenige Tage später wieder – mit neuen Aufträgen im Gepäck – in die Heimat aufzubrechen. „Es ist zwar Irrsinn, wie wir das machen, aber wir haben uns dran gewöhnt“, sagt Ulrich Raupach.