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Von überall her kommen sie nach Coswig

Sechs Ausländer lernen zurzeit am Gymnasium. Das ist auch für die Lehrer eine Herausforderung.

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© Norbert Millauer

Von Peggy Zill

Die deutsche Brot- und Wurstvielfalt hat die Jugendlichen nicht überzeugt. Und trotzdem: Obwohl es zu Hause besser schmeckt, haben sie alle ein paar Kilo zugelegt, geben sie lachend zu. Erika aus Uruguay, Carolina aus Chile, Sebastian aus Ecuador, Yosita aus Thailand, Gabriela aus Brasilien und Milda aus Litauen bringen internationales Flair ans Coswiger Gymnasium.

Und was verschlägt die 16- bis 18-Jährigen in die sächsische Provinz? Ihre Gastfamilien konnten sie sich nicht aussuchen. Coswig mussten sie googeln. „Weinböhla, wo ich wohne, habe ich gar nicht gleich gefunden“, erzählt Carolina. Ihr erster Eindruck? „Es ist alles sehr grün hier – und still. Daran musste ich mich erst gewöhnen.“ Und ans Essen. „Hier essen immer alle viel Brot und Butter und Fleisch. Und so früh. Unser Abendessen beginnt erst gegen 22 Uhr“, erzählt Erika. „Und wir essen gesünder. Viel Salat und Reis“, ergänzt Sebastian. Manchmal überkomme sie richtiger Heißhunger auf eine Mahlzeit aus der brasilianischen Heimat, sagt Gabriela. Das sei noch schlimmer als Heimweh.

Deutsch haben die meisten vorher nur in Wochenendkursen gelernt, jetzt stellen sie in Vorträgen vor den 5. und 7. Klassen ihre Heimatländer vor. Und auch dem Unterricht können sie ohne Probleme folgen. „Wenn wir wollen, verstehen wir alles“, lacht Milda. Und die ausländischen Schüler lernen auch nur, was sie wollen. Denn den Stundenplan bekommt jeder individuell zusammengestellt. „Physik mag ich zum Beispiel gar nicht. Habe ich abgewählt“, so die Litauerin. Zu Hause wiederholen die sechs das Schuljahr oder haben das Abitur bereits in der Tasche. Deshalb kommt es auf die Noten nicht an.

Schule läuft in ihren Heimatländern ganz anders. Es gibt Schuluniformen, die die Jugendlichen aber nicht vermissen. „In Thailand sind wir bis zu 50 Schüler in einer Klasse“, erzählt Yosita. „Wir sind auch so viele, sitzen alle einzeln und haben keine Fenster“, erklärt Gabriela. Der Umgang mit den Lehrern in Deutschland sei lockerer. Das gefällt Milda besonders. Für manche Lehrer sind die Ausländer in den Klassen auch eine Herausforderung. Nicht jeder spricht englisch und kann mit den Gästen kommunizieren. „Ich hatte nur Russisch in der Schule“, sagt zum Beispiel die Deutschlehrerin Angelika Frenzel.

Auch der wechselnde Stundenplan sei am Anfang gewöhnungsbedürftig, sagt Ulrike Böhm, stellvertretende Schulleiterin, die sich um die Vermittlung der Jugendlichen in ihre Gastfamilien kümmert. Die ausländischen Gäste sollen während ihrer Zeit in Coswig so viel wie möglich lernen. Und wenn die Sprachkenntnisse am Anfang noch nicht so gut sind, sitzen sie zum Beispiel im Matheunterricht der Fünftklässler. „Wer mit dem Fach kein Problem hat, lernt dabei die Sprache“, erklärt die Lehrerin. Auch die Coswiger Schüler profitieren von den Gästen, meint Schulleiterin Britt Göldner. „Sie lernen andere Länder kennen und erfahren aus erster Hand, wie es zum Beispiel in Brasilien ist.“ Natürlich gibt es anfangs eine Hemmschwelle. Die zu überwinden, sei nicht immer ganz einfach, aber die Schüler sollten die Chance nutzen, Fragen zu stellen, die andere Kultur kennenzulernen.

Mit anderen Kulturen tun sich manche Deutsche gerade schwer. Davon gehört haben die Gymnasiasten auch schon. Schlechte Erfahrungen haben sie aber keine gemacht. Nur Sebastian erzählt von zwei unschönen Begegnungen, wo er geschubst und blöd angemacht wurde. Wenn man offen und freundlich ist, auf die Menschen zugehe und mit ihnen rede, würde man viele nette Leute kennenlernen, sagt Sebastian.

Deutsch ist in Südamerika nicht sehr populär, wie er erklärt. Er mag die Sprache jedoch sehr. Und die deutsche Kultur. Deshalb will er auch unbedingt zurückkommen und in Deutschland studieren. Ende Juni geht sein Flieger erst mal zurück nach Ecuador. Was wird er dann am meisten vermissen? „Die vielen Freiheiten, die ich jetzt hier habe.“